Weisen Sie sie ruhig auf die beiden Lager hin, die es da gibt. «Er war nicht stolz darauf, das Problem so auf mich abgewälzt zu haben, und schwieg.
«Na gut«, sagte ich,»aber erwarten Sie nicht, daß Marigold das entscheidet. Sie ist großartig, aber die wirklich wichtigen Entscheidungen im Leben überläßt sie ihrem Chauffeur.«
«Das ist nicht Ihr Ernst!«
«Aber selbstverständlich. Worthington, ihr Chauffeur, ist zehnmal sein Gewicht in Kristall wert.«
Kenneth Trubshaw mußte das erst einmal verarbeiten und kam dann rasch auf die weniger diffizile Kostenfrage zurück:»Die Kette, die Marigold gern hätte, ist sehr teuer, nicht wahr?«
Ich nickte.»Sehr. Und wenn man diese Kette zur Schau stellt, lockt man Diebe an. Sie ist mit echtem, massivem Gold gearbeitet.«
«Ist massives Gold denn nicht immer echt?«Er sah verwirrt drein.
«Nun, Sie können Glas mit achtzehnkarätigem Glanzgold bemalen, das ist eine Legierung, die zu einem Viertel aus anderen Metallen besteht. Die Verzierungen, die nachher golden sein sollen, werden auf das heiße Glas aufgetragen. Dann wird das Ganze noch einmal aufgetempert, also erwärmt, aber nur auf 540 Grad, um das Dekor einzubrennen, und nach dem zweiten Abkühlen ist das Gold dann völlig mit dem Glas verbunden und sieht wie massives Gold aus, auch wenn es keins ist.«
Kenneth Trubshaw war fasziniert, wollte aber nicht knausrig erscheinen.»Wenn schon Gold, dann reines«, sagte er.»Es soll Marigold ja auch gefallen. Das heißt, wenn wir uns für etwas in der Richtung entscheiden.«
Ich stimmte ihm unverbindlich zu.
«Mit welcher Figur in dem Buch hatten Sie denn die meiste Arbeit?«fragte er neugierig.
«Am schwierigsten war die Kristallkugel.«
Das überraschte ihn wie die meisten Leute. Er dachte, eine Kristallkugel, ob zum Hellsehen oder nicht, brauchte man nur aufzublasen wie einen Luftballon.
«Nein«, sagte ich.»Das ist massives Glas. Und es ist ungemein schwierig, eine vollkommen runde, große Glaskugel so zu machen, daß sich keine Luftblasen bilden, wenn sie im Kühlofen steht.«
Er wollte Näheres über den Kühlvorgang wissen, und als ich ihm den erläutert hatte, fragte er:»Könnten Sie auch ein Pferd machen, das von einer Kristallkugel abspringt?«
Ich nickte.»Das wäre nicht einfach, und es würde ein ziemliches Gewicht bekommen, aber es wäre schon etwas Besonderes.«
Er überlegte eine Weile, trat an eins der hohen Schiebefenster und sah auf seinen winterlich stillen Garten hinaus.
«Könnten Sie uns Entwürfe zur Auswahl vorlegen, wenn wir uns entschließen, Ihnen den Auftrag zu geben?«
«Ja«, sagte ich,»das ginge. Aber wahrscheinlich werde ich dann Modelle aus Glas anfertigen. Das liegt mir eher. Glas an sich ist ja nicht teuer, und wenn Ihnen die Sachen nicht gefallen, verkaufe ich sie eben im Geschäft.«
Er lächelte ironisch über meinen Krämergeist. Ich rechnete mir eine kaum mehr als fünfzigprozentige Chance aus.
Kenneth Trubshaw holte meine Mannschaft aus der Küche und ließ sie in seinem elegant gestreiften viktorianischen Flur antreten. Dann betrachtete er sie eingehend. Ich folgte seinem Blick und auch seinen Gedanken: ein pummeliger Fahrer in einem verknitterten grauen Anzug, ein magerer, nervöser Junge, ein kraftvoller, verwegen wirkender Mann mit einem spitzen schwarzen Kinnbärtchen und drei große Dobermannpinscher mit wachsamen Augen und Ungewissen Launen.
«Die Herrschaften sind mein Stacheldrahtzaun«, sagte ich lächelnd zu Kenneth Trubshaw.»Da darf man nicht erwarten, daß sie auch noch hübsch sind.«
Er warf mir einen Blick zu und sagte:»Ihnen und Marigold geht es um mehr als nur um den Entwurf, den Erwerb und die Stiftung eines tollen Ehrenpreises, den der Sieger eines Rennens zum Gedenken an Martin Stukely erhalten soll. «Er verbesserte sich.»Das heißt, der wundervollen Marigold geht es darum, aber Sie wollen mehr.«
Er ließ meine Leute hinaus. Tom Pigeon verneigte sich tief, aber mit einem spöttischen Funkeln in den Augen, das die Geste ironisierte. Seine Hunde drängten sich artig bei Fuß, und Kenneth gewann ein für allemal Toms Wertschätzung, indem er den Bückling erwiderte.
Dann legte mir Trubshaw erneut die Hand auf den Arm und hielt mich zurück, während die anderen zum Wagen gingen.»Martin Stukelys Witwe ahnt vielleicht gar nicht, daß sein guter Ruf jetzt in Gefahr ist«, sagte er.»Marigold weiß es bestimmt nicht und das Rennsportpublikum und die Sportpresse zum Glück ebensowenig. Aber Sie wissen es, oder? Ich habe es Ihnen angesehen, als Marigold so begeistert von einem Rennen zur Erinnerung an ihn gesprochen hat. Sie möchten seinen Namen erst reinwaschen, nicht wahr?«
Es kam für mich völlig überraschend, daß außer mir noch jemand an die Möglichkeit gedacht hatte, Martin könnte wissentlich unehrenhaft gehandelt haben.
Da war die leidige Fotokopie seines Briefes an Force, auf die ich bei der Durchsicht der Unterlagen im Geheimfach seines Schreibtisches gestoßen war. Einiges aus diesem kurzen Brief war mir seither immer wieder durch den Kopf gegangen.
«… Ihre Formeln und Methoden… Nehmen Sie alles auf Video auf. und geben Sie mir die Kassette beim Pferderennen in Cheltenham.«
Martin hatte genau gewußt, was auf dieser Kassette war. Hatte er womöglich von Anfang an gewußt, daß die Formeln und Methoden gestohlen waren? Der freundliche George Lawson-Young war fest überzeugt gewesen, Martin habe trotz seiner Verbindung zu Force niemals etwas Unrechtes getan. Dennoch waren mir schreckliche Zweifel gekommen, und es gefiel mir nicht, feststellen zu müssen, daß sie auch in Cheltenham bestanden.
In einem leichten Ton, der meinen Gefühlen nicht ganz entsprach, sagte ich zu dem Vorsitzenden der Rennplanungskommission:»Wie darf ich das bitte verstehen?«
Kurz und trocken erklärte er es mir:»Wie ich hörte, war Martin Stukely am Tag, als er starb, im Besitz einer Videokassette mit geheimen medizinischen Erkenntnissen von praktisch unschätzbarem Wert. Diese Erkenntnisse hatte ein Dr. Force gestohlen, mit dem Martin seit einiger Zeit bekannt war. Sie selbst sollten die Kassette versteckt halten.«
Ich atmete tief durch und fragte ihn, wer ihm das alles erzählt habe.
«In Cheltenham sind alle möglichen Leute von Privatdetektiven befragt worden, die für das geschädigte Labor ermitteln. «Er sah mich neugierig an.»Und von Marigold hörte ich, daß Sie vor Ihrem eigenen Geschäft von einer Schlägerbande überfallen worden sind. Die Buchmacher wiederum haben gehört, daß Rose Payne dahintersteckt, die Tochter des Jockeydieners Payne, die sowieso in dem Ruf steht, gewalttätig zu sein. Einer der Buchmacher, ein gewisser Norman Osprey, der ein bißchen wie Elvis Presley aussieht, hat damit geprahlt, wie sie mit Ihnen umgesprungen sind. Anscheinend haben Sie trotzdem keine Videos herausgerückt.«
Er wartete auf meine Stellungnahme, aber ich hatte dem wenig hinzuzufügen.
Er lächelte.»Der Jockeydiener dachte anscheinend, er hätte Ihnen eine Videokassette gegeben, die Sie selbst aufgenommen hatten, mit einem Lehrfilm über die getreue Nachbildung einer einzigartigen antiken Halskette. Offenbar hatten sämtliche Jockeys und eben auch Ed Payne sowohl die Kette wie auch das Video mit der Do-it-yourself-Anleitung in der Jockeystube gesehen. Ed Payne erzählte dann seiner Tochter Rose, er habe Ihnen die Kassette gegeben, und Rose hat sich, um da ranzukommen, jede Kassette geschnappt, die sie kriegen konnte, und dafür sogar die Familie von Martin Stukely mit Gas betäubt.«
«Rose selbst?«fragte ich.
Kenneth Trubshaw wußte es nicht. Seine Informationen, sagte er, reichten nur bis dahin; er könne allenfalls hinzufügen, daß Martin Stukely nach Ansicht der Rennleitung von Cheltenham gewußt haben dürfte, daß die Forschungsdaten, die er in Verwahrung nehmen sollte, aus einem Labor entwendet worden waren.
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