Jemand, der auf der Flucht war und einer Summe von 900 000 Dollar von einer Insel zur anderen folgte, musste doch irgendwo Unterlagen über seine Bankverbindungen haben. Bei Trevor fand sich nichts dergleichen.
Während Trevors Tante das einzige Geld zählte, das aus seinem Nachlass zu erwarten war, dachte Chap an das Vermögen, das irgendwo in der Karibik verschollen war.
«Was sollen wir jetzt tun?«fragte Mrs. Carson.
Chap zuckte die Schultern und sagte:»Ich nehme an, Sie werden ihn beerdigen müssen.«
«Können Sie uns helfen?«
«Eigentlich nicht. Ich-«
«Sollen wir ihn nach Scranton bringen lassen?«fragte Heien.
«Das liegt bei Ihnen.«
«Wie viel würde das kosten?«
«Ich habe keine Ahnung. So etwas habe ich noch nie gemacht.«
«Aber alle seine Freunde leben hier«, sagte Trevors Mutter und tupfte ihre Augen mit einem Taschentuch ab.
«Er ist vor langer Zeit von Scranton hierher gezogen«, sagte Heien und sah hierhin und dorthin, als sei diesem Umzug eine lange Geschichte vorausgegangen. Was zweifellos der Fall war, dachte Chap.
«Seine Freunde hier in Neptune Beach wollen sicher eine Gedenkfeier veranstalten«, sagte Mrs. Carson.
«Es ist bereits eine geplant«, bestätigte Chap.
«Tatsächlich?«fragte sie erfreut.
«Ja, für morgen um vier Uhr.«
«Wo?«
«Bei Pete's. Das ist nur ein paar Blocks von hier entfernt.«
«Bei Pete's?«sagte Heien.
«Das ist so eine Art Restaurant.«
«In einem Restaurant? Warum nicht in einer Kirche?«
«Ich glaube, er war kein Kirchgänger.«
«In seiner Kindheit schon«, sagte seine Mutter wie zur Verteidigung.
Zum Gedenken an Trevor würde die Happy Hour bereits um vier Uhr beginnen und bis Mitternacht dauern, und Trevors Lieblingsbier würde nur 5 °Cent pro Flasche kosten.
«Sollten wir hingehen?«fragte Heien. Sie hatte dabei kein gutes Gefühl.
«Lieber nicht.«
«Warum nicht?«fragte Mrs. Carson.
«Es könnte ein bisschen laut werden. Lauter Anwälte und Richter, Sie wissen schon. «Er sah die Tante stirnrunzelnd an, und sie begriff.
Sie erkundigten sich nach Beerdigungsinstituten und Grabstellen, und Chap stellte fest, dass er immer tiefer in ihre Probleme hineingezogen wurde. Die CIA hatte Trevor getötet. Sollte sie nun auch für ein ordentliches Begräbnis sorgen?
Klockner war nicht dieser Ansicht.
Nachdem die Damen gegangen waren, entfernten Chap und Wes die letzten Kameras, Mikrofone, Telefonwanzen und Antennen. Anschließend räumten sie auf, und als sie zum letzten Mal die Tür abschlössen, war Trevors Kanzlei so ordentlich wie nie zuvor.
Die Hälfte von Klockners Team hatte bereits die Stadt verlassen. Die andere Hälfte stand für Argrow bereit. Man wartete.
Als die Fälscher in Langley mit Argrows Gerichtsakte fertig waren, wurde sie in einen Pappkarton gelegt und mit drei Agenten an Bord eines kleinen Jets nach Jacksonville geflogen. Die Unterlagen enthielten unter anderem die einundfünfzig Seiten umfassende Anklageschrift, die einer Grand Jury in Dade County vorgelegen hatte, eine Korrespondenzmappe mit Briefen der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers, einen dicken Ordner mit Anträgen und vorgerichtlichen Gesuchen, Aktennotizen für die Beweiserhebung, eine Liste von Zeugen und Zusammenfassungen ihrer Aussagen, Informationen für den Prozessanwalt, das Protokoll der Geschworenenüberprüfung, eine Zusammenfassung des Verhandlungsverlaufs, psychologische Gutachten und schließlich das Urteil sowie die Urteilsbegründung. Das Ganze war einigermaßen ordentlich, jedoch nicht so ordentlich, dass es Misstrauen hätte wecken können. Es gab unscharfe Kopien, hier und da fehlte eine Seite, und Heftklammern waren ausgerissen — kleine Tupfer Realität, die die fleißigen Mitarbeiter der Abteilung Dokumente eingefügt hatten, um der Akte Authentizität zu verleihen. Den größten Teil würden Beech und Yarber ohnehin nicht brauchen, doch der schiere Umfang war beeindruckend. Selbst der Pappkarton war alt und abgegriffen. Jack Argrow, ein Bruder des Häftlings Wilson Argrow, überbrachte die Akte nach Trumble. Er war Anwalt in Boca Raton, Florida, und hatte eine Kopie seiner Zulassung im Staat Florida per Fax an den zuständigen Beamten in Trumble geschickt. Sein Name stand jetzt auf der Liste der Rechtsanwälte, die ein Besuchsrecht hatten.
Jack Argrow war Roger Lyter. Er hatte ein Jurastudium in Texas absolviert und arbeitete seit dreizehn Jahren für die CIA. Wilson Argrow, dessen wirklicher Name Kenny Sands war, hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Die beiden schüttelten sich die Hände und begrüßten einander, während Link den Pappkarton, der auf dem Tisch stand, misstrauisch beäugte.
«Was ist da drin?«wollte er wissen.
«Meine Gerichtsakte«, sagte Wilson.
«Papierkram«, sagte Jack.
Link hob den Deckel ab und blätterte flüchtig in den Unterlagen. Die Überprüfung war nach wenigen Sekunden beendet, und er verließ den Raum.
Wilson schob ein Blatt Papier über den Tisch und sagte:»Das ist die Erklärung. Überweis das Geld an die Bank in Panama und bring mir die schriftliche Bestätigung, damit ich sie ihnen zeigen kann.«
«Abzüglich zehn Prozent.«
«Ja, das sollen sie glauben.«
Man hatte sich nicht an die Geneva Trust Bank in Nassau gewendet. Das wäre nicht nur sinnlos, sondern auch riskant gewesen. Keine Bank der Welt hätte unter diesen Umständen einen Transfer vorgenommen, und hätte Argrow versucht, die Überweisung zu veranlassen, so hätte man mit Sicherheit peinliche Fragen gestellt.
Das Geld, das nach Panama unterwegs war, stammte aus den Kassen der CIA.
«Langley macht Druck«, sagte der Anwalt.
«Ich bin dem Zeitplan voraus«, sagte der Banker.
Der Karton wurde auf dem Tisch in der juristischen Abteilung der Bibliothek ausgepackt. Beech und Yarber sahen den Inhalt durch, während Argrow, ihr neuer Mandant, mit gespieltem Interesse dabei stand. Spicer hatte Besseres zu tun. Er war mitten in seinem wöchentlichen Pokerspiel.
«Wo ist die Urteilsbegründung?«fragte Beech und blätterte in dem Stapel.
«Ich brauche die Anklageschrift«, murmelte Yarber.
Sie fanden, was sie gesucht hatten, und machten es sich für einen langen Nachmittag in ihren Sesseln bequem. Beechs Wahl war langweilig, Yarbers Lektüre dagegen erwies sich als ausgesprochen interessant.
Die Anklageschrift las sich wie ein Kriminalroman. Argrow hatte zusammen mit sieben anderen Bankangestellten, fünf Buchhaltern, fünf Börsenmaklern, zwei Anwälten, elf Männern, die nur als Drogenhändler bezeichnet wurden, sowie sechs Herren aus Kolumbien ein kompliziertes Unternehmen organisiert und unterhalten, mit dem aus Drogengeschäften stammendes Bargeld in legale Geldanlagen umgewandelt worden war. Mindestens 400 Millionen Dollar waren gewaschen worden, bevor es gelungen war, den Ring zu infiltrieren, und es hatte den Anschein, als sei Argrow eine der Schlüsselfiguren gewesen. Yarber bewunderte seine Gerissenheit. Wenn auch nur die Hälfte der Anschuldigungen stimmte, war Argrow ein sehr findiger und talentierter Finanzjongleur.
Die Stille begann Argrow zu langweilen, und er verließ den Raum und machte einen Spaziergang über das Gefängnisgelände. Als Yarber mit seiner Lektüre fertig war, unterbrach er Beech und ließ ihn die Anklageschrift lesen. Auch Beech war angetan.»Er muss irgendwo etwas von diesem Geld gebunkert haben«, sagte er.
«Klar«, stimmte Yarber ihm zu.»Vierhundert Millionen Dollar — und das ist nur der Teil, den sie aufgespürt haben. Was meinst zu seinem Berufungsantrag?«
«Sieht nicht gut aus. Der Richter hat den Ermessensspielraum nicht überschritten. Ich kann keinen
Fehler finden.«
«Armer Kerl.«
«Ach was, armer Kerl! Er kommt vier Jahre früher raus als ich!«
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