Virgilia
Aber wäre er nun in der Schlacht geblieben, teure Mutter, wie dann?
Volumnia
Dann wäre sein Nachruhm mein Sohn gewesen; in ihm hätte ich mein Geschlecht gesehn. Höre mein offenherziges Bekenntnis: hätte ich zwölf Söhne, jeder meinem Herzen gleich lieb, und keiner nur weniger teuer als dein und mein guter Marcius, ich wollte lieber elf für ihr Vaterland edel sterben sehn, als einen einzigen in wollüstigem Müßiggang schwelgen. Es tritt eine Dienerin auf.
Dienerin
Edle Frau, Valeria wünscht Euch zu sehn.
Virgilia
Ich bitte, erlaubt mir, mich zurückzuziehn.
Volumnia
O nein! das sollst du nicht.
Mich dünkt, bis hier tönt deines Gatten Trommel,
Er reißt Aufidius bei den Haaren nieder;
Wie Kinder vor dem Bären fliehn die Volsker.
Mich dünkt, ich seh's! So stampft er und ruft aus:
"Memmen, heran! In Furcht seid ihr gezeugt;
Obwohl in Rom geboren." Und er trocknet
Die blutge Stirn mit ehrner Hand, und schreitet
So wie ein Schnitter, der sich vorgesetzt,
Alles zu mähn, wo nicht, den Lohn zu missen.
Virgilia
Die blutge Stirn! – o Jupiter! kein Blut.
Volumnia
O schweig, du Törin! schöner ziert's den Mann
Als Goldtrophäen. Die Brust der Hekuba
War schöner nicht, da sie den Hektor säugte,
Als Hektors Stirn, die Blut entgegenspritzte
Im Kampf den Griechenschwertern. – Sagt Valerien,
Wir sind bereit, sie zu empfangen.
(Dienerin ab.)
Virgilia
Himmel!
Schütz meinen Mann vorm grimmigen Aufidius.
Volumnia
Er schlägt Aufidius' Haupt sich unters Knie
Und tritt auf seinen Hals.
(Valeria tritt auf.)
Valeria
Ihr edlen Frauen, euch beiden guten Tag!
Volumnia
Virgilia
Ich bin erfreut, Euch zu sehn, verehrte Frau.
Valeria
Was macht ihr beide? Ihr seid ausgemachte Haushälterinnen. Wie! – Ihr sitzt hier und näht? – Ein hübsches Muster, das muß ich gestehn. – Was macht Euer kleiner Sohn?
Virgilia
Ich danke Euch, edle Frau, er ist wohl.
Volumnia
Er mag lieber Schwerter sehn und die Trommel hören, als auf seinen
Schulmeister acht geben.
Valeria
O! auf mein Wort, ganz der Vater. Ich kann's beschwören, er ist ein allerliebstes Knabe. Nein wahrlich, ich beobachtete ihn am Mittwoch eine halbe Stunde ununterbrochen; er hat etwas so Entschloßnes in seinem Benehmen. Ich sah ihn einem glänzenden Schmetterlinge nachlaufen, und als er ihn gefangen hatte, ließ er ihn wieder fliegen, und nun wieder ihm nach, und fiel der Länge nach hin, und wieder aufgesprungen und ihn noch einmal gefangen. Hatte ihn sein Fall böse gemacht, oder was ihm sonst sein mochte, aber er knirschte so mit den Zähnen und zerriß ihn! O! ihr könnt nicht glauben, wie er ihn zerfetzte.
Volumnia
Valeria
Ei, wahrhaftig! er ist ein edles Kind.
Virgilia
Ein kleiner Wildfang, Valeria.
Valeria
Kommt, legt Eure Stickerei weg, Ihr müßt heut nachmittag mit mir die müßige
Hausfrau machen.
Virgilia
Nein, teure Frau, ich werde nicht ausgehn.
Valeria
Volumnia
Virgilia
Nein, gewiß nicht; erlaubt es mir. Ich will nicht über die Schwelle schreiten, eh mein Gemahl aus dem Kriege heimgekehrt ist.
Valeria
Pfui! wollt Ihr so wider alle Vernunft Euch einsperren? Kommt mit, Ihr müßt eine gute Freundin besuchen, die im Kindbette liegt.
Virgilia
Ich will ihr eine schnelle Genesung wünschen und sie mit meinem Gebet besuchen, aber hingehn kann ich nicht.
Volumnia
Virgilia
Es ist gewiß nicht Trägheit oder Mangel an Liebe.
Valeria
Ihr wäret gern eine zweite Penelope; und doch sagt man, alles Garn, das sie in Ulysses' Abwesenheit spann, füllte Ithaka nur mit Motten. Kommt, ich wollte, Eure Leinwand wäre so empfindlich wie Euer Finger, so würdet Ihr aus Mitleid aufhören, sie zu stechen. Kommt, Ihr müßt mitgehn.
Virgilia
Nein, Liebe, verzeiht mir; im Ernst, ich werde nicht ausgehn.
Valeria
Ei wahrhaftig! Ihr müßt mitgehn; dann will ich Euch auch herrliche
Neuigkeiten von Eurem Gemahl erzählen.
Virgilia
O, liebe Valeria! es können noch keine gekommen sein.
Valeria. Wahrlich! ich scherze nicht mit Euch; es kam gestern abend Nachricht von ihm.
Virgilia
Valeria
Im Ernst, es ist wahr; ich hörte einen Senator davon erzählen. So war es: – Die Volsker haben ein Heer ausrücken lassen, welchem Cominius, der Feldherr, mit einem Teil der römischen Macht entgegengegangen ist. Euer Gemahl und Titus Lartius belagern ihre Stadt Corioli; sie zweifeln nicht daran, sie zu erobern und den Krieg bald zu beendigen. – Dies ist wahr, bei meiner Ehre! Und nun bitte ich Euch, geht mit uns.
Virgilia
Verzeiht mir, gute Valeria; künftig will ich Euch in allem andern gehorchen.
Volumnia
Ei, laßt sie, Liebe. Wie sie jetzt ist, würde sie nur unser Vergnügen stören.
Valeria
Wirklich, das glaube ich auch. So lebt denn wohl. Kommt, liebe, teure Frau.
Ich bitte dich, Virgilia, wirf deine Feierlichkeit zur Tür hinaus und geh
noch mit.
Virgilia
Nein, auf mein Wort, Valeria. In der Tat, ich darf nicht; ich wünsche Euch viel Vergnügen.
Valeria
(Alle ab.)
Vor Corioli Mit Trommeln und Fahnen treten auf Marcius, Titus, Lartius, Anführer, Krieger. Zu ihnen ein Bote
Marcius
Ein Bote kommt. Ich wett, es gab ein Treffen.
Titus
Mein Pferd an Eures: nein.
Marcius
Titus
Marcius
Sprich du. Traf unser Feldherr auf den Feind?
Bote
Sie schaun sich an, doch sprachen sich noch nicht.
Titus
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