Erster Bürger
Gut, Herr, was hat der Bauch denn nun erwidert?
Menenius
Ich sag es gleich. – Mit einer Art von Lächeln,
Das nicht von Herzen ging, nur gleichsam so —
(Denn seht, ich kann den Bauch ja lächeln lassen
So gut als sprechen) gab er höhnisch Antwort
Den mißvergnügten Gliedern, die rebellisch
Die Einkünft ihm nicht gönnten; ganz so passend
Wie ihr auf unsre Senatoren scheltet,
Weil sie nicht sind wie ihr.
Erster Bürger
Des Bauches Antwort. Wie!
Das fürstlich hohe Haupt; das wache Auge;
Das Herz: der kluge Rat; der Arm: der Krieger;
Das Bein: das Roß; die Zunge: der Trompeter;
Nebst andern Ämtern noch und kleinern Hilfen
In diesem unserm Bau, wenn sie —
Menenius
Was denn,
Mein Treu! der Mensch da schwatzt! Was denn? Was denn?
Erster Bürger
So würden eingezwängt vom Fresser Bauch,
Der nur des Leibes Abfluß —
Menenius
Erster Bürger
Die andern Kräfte, wenn sie nun so klagten,
Der Bauch, was könnt er sagen?
Menenius
Ihr sollt's hören.
Schenkt ihr ein bißchen, was ihr wenig habt,
Geduld, so sag ich euch des Bauches Antwort.
Erster Bürger
Menenius
Jetzt paßt wohl auf, mein Freund!
Eur höchst verständger Bauch, er war bedächtig,
Nicht rasch, gleich den Beschuldgern, und sprach so:
"Wahr ist's, ihr einverleibten Freunde", sagt' er,
"Zuerst nehm ich die ganze Nahrung auf,
Von der ihr alle lebt; und das ist recht,
Weil ich das Vorratshaus, die Werkstatt bin
Des ganzen Körpers. Doch bedenkt es wohl;
Durch eures Blutes Ströme send ich sie
Bis an den Hof, das Herz – den Thron, das Hirn,
Und durch des Körpers Gäng und Windungen
Empfängt der stärkste Nerv, die feinste Ader
Von mir den angemeßnen Unterhalt,
Wovon sie leben. Und obwohl ihr alle – "
Ihr guten Freund' (habt acht), dies sagt der Bauch.
Erster Bürger
Menenius
"Seht ihr auch nicht all auf eins,
Was jeder Einzelne von mir empfängt,
Doch kann ich Rechnung legen, daß ich allen
Das feinste Mehl von allem wieder gebe,
Und nur die Klei' mir bleibt." Wie meint ihr nun?
Erster Bürger
Das war 'ne Antwort. Doch wie paßt das hier?
Menenius
Roms Senatoren sind der gute Bauch,
Ihr die empörten Glieder; denn erwägt
Ihr Mühn, ihr Sorgen. Wohl bedenkt, was alles
Des Staates Vorteil heischt; so seht ihr ein,
Kein allgemeines Gut, was ihr empfangt,
Das nicht entsprang und kam zu euch von ihnen,
Durchaus nicht von euch selbst. Was denkt ihr nun?
Du, große Zeh, in dieser Ratsversammlung.
Erster Bürger
Ich, die große Zehe? Warum die große Zehe?
Menenius
Weil du, der Niedrigst, Ärmst, Erbärmlichste
Von dieser weisen Rebellion, vorantrittst.
Du, Schwächling ohne Kraft und Ansehen, läufst
Voran und führst, dir Vorteil zu erjagen. —
Doch schwenkt nur eure Stäb und dürren Knüttel,
Rom und sein Rattenvolk zieht aus zur Schlacht,
Der eine Teil muß Tod sich fressen.
(Cajus Marcius tritt auf.)
Marcius
Dank Euch! Was gibt es hier? Rebellsche Schurken,
Die ihr das Jucken eurer Einsicht kratzt,
Bis ihr zu Aussatz werdet.
Erster Bürger
Von Euch bekommen wir doch immer gute Worte.
Marcius
Ein gutes Wort dir geben, hieße schmeicheln
Jenseits des Abscheus. Was verlangt ihr, Hunde,
Die Krieg nicht wollt noch Frieden? jener schreckt euch,
Und dieser macht euch frech. Wer euch vertraut,
Find't euch als Hasen, wo er Löwen hofft
Wo Füchse, Gäns. Ihr seid nicht sichrer, nein!
Als glühnde Feuerkohlen auf dem Eis,
Schnee in der Sonne. Eure Tugend ist,
Den adeln, den Verbrechen niedertreten,
Dem Recht zu fluchen, das ihn schlägt. Wer Größe
Verdient, verdient auch euern Haß; und eure Liebe
Ist eines Kranken Gier, der heftig wünscht,
Was nur sein Übel mehrt. Wer sich verläßt
Auf eure Gunst, der schwimmt mit blei'rnen Flossen,
Und haut mit Binsen Eichen nieder. Hängt euch!
Euch traun?
Ein Augenblick, so ändert ihr den Sinn,
Und nennt den edel, den ihr eben haßtet,
Den schlecht, der euer Abgott war. Was gibt's?
Daß ihr, auf jedem Platz der Stadt gedrängt,
Schreit gegen den Senat, der doch allein,
Zunächst den Göttern, euch in Furcht erhält;
Ihr fräßt einander sonst. Was wollen sie?
Menenius
Nach eignem Preis das Korn, das, wie sie sagen
Im Überfluß daliegt.
Marcius
Hängt sie! Sie sagen's?
Beim Feuer sitzend, wissen sie genau,
Was auf dem Kapitol geschieht; wer steigt,
Wer gilt, wer fällt; da stiften sie Faktionen
Und schließen Ehen; stärken die Partei
Und beugen die, die nicht nach ihrem Sinn,
Noch unter ihre Nägelschuh. Sie sagen,
Korn sei genug vorhanden?
Wenn sich der Adel doch der Mild entschlüge,
Daß ich mein Schwert ziehn dürft. Ich häufte Berge
Von Leichen der zerhaunen Sklaven, höher,
Als meine Lanze fliegt.
Menenius
Nein, diese sind fast gänzlich schon beruhigt;
Denn, fehlt im Überfluß auch der Verstand,
So sind sie doch ausbündig feig. Doch sagt mir,
Was macht der andre Trupp?
Marcius
Schon ganz zerstreut.
Die Schurken!
Sie hungern, sagten sie, und ächzten Sprüchlein,
Als: "Not bricht Eisen; Hunde müssen fressen;
Das Brot ist für den Mund; die Götter senden
Nicht bloß den Reichen Korn." Mit solchen Fetzen
Macht sich ihr Klagen Luft; man hört sie gütig,
Bewilligt eine Fordrung – eine starke —
(Des Adels Herz zu brechen, jede Kraft
Zu töten) und nun schmeißen sie die Mützen,
Als sollten auf des Mondes Horn sie hängen,
Frech laut und lauter jauchzend.
Menenius
Und was ward zugestanden?
Marcius
Fünf Tribunen,
Um ihre Pöbelweisheit zu vertreten,
Aus eigner Wahl: der ein ist Junius Brutus,
Sicinius und – was weiß ich – Tod und Pest!
Die Lumpen sollten eh die Stadt abdecken,
Als mich so weit zu bringen. Nächstens nun
Gewinnen sie noch mehr und fordern Größres
Mit Androhn der Empörung.
Menenius
Marcius
Geht, fort mit euch, ihr Überbleibsel!
(Ein Bote tritt auf.)
Bote
Marcius
Bote
Ich meld Euch, Herr, die Volsker sind in Waffen.
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