Jenny Erpenbeck - Gehen, ging, gegangen

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Entdeckungsreise zu einer Welt, die zum Schweigen verurteilt, aber mitten unter uns ist
Wie erträgt man das Vergehen der Zeit, wenn man zur Untätigkeit gezwungen ist? Wie geht man um mit dem Verlust derer, die man geliebt hat? Wer trägt das Erbe weiter? Richard, emeritierter Professor, kommt durch die zufällige Begegnung mit den Asylsuchenden auf dem Oranienplatz auf die Idee, die Antworten auf seine Fragen dort zu suchen, wo sonst niemand sie sucht: bei jenen jungen Flüchtlingen aus Afrika, die in Berlin gestrandet und seit Jahren zum Warten verurteilt sind. Und plötzlich schaut diese Welt ihn an, den Bewohner des alten Europas, und weiß womöglich besser als er selbst, wer er eigentlich ist.
Jenny Erpenbeck erzählt auf ihre unnachahmliche Weise eine Geschichte vom Wegsehen und Hinsehen, von Tod und Krieg, vom ewigen Warten und von all dem, was unter der Oberfläche verborgen liegt.

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In 2019 klopft sie und öffnet, links an der Wand steht ein Bett, auf dem sitzt einer und schreibt. Ist das nicht der, den Richard auf dem Oranienplatz mit dem Fahrrad gesehen hat? Ein ganz Junger ist das, mit wilden Locken, als die Betreuerin fragt, ob er Lust habe, mit dem Professor zu sprechen, wirft er zum Zeichen der Einwilligung den Kopf kurz nach hinten, wie ein bockiges Pferd. Er legt die Seite, die mit deutschen Vokabeln schon ganz vollgeschrieben ist, neben sich auf das Bett, über seinem Kopf hängt an der Wand eine Liste der unregelmäßigen Verben: gehen, ging, gegangen . Erst jetzt, als Richard den einzigen Stuhl im Raum zu sich zieht, um sich zu setzen, sieht er, dass auch auf den anderen beiden Betten Menschen unter den Decken liegen und schlafen. Das macht nichts, sagt die Betreuerin, als sie sieht, dass er zögert, sie nickt ihm zu und geht wieder hinaus. Das macht also nichts. Einen Moment lang ist er davon erschreckt, dass diese jungen Männer hier plötzlich so alt sein müssen. Warten und Schlafen. Mahlzeiten, solange das Geld dazu reicht, und ansonsten Warten und Schlafen.

Aus welchem Land bist du?

Da ist schon wieder das Du. Aber vielleicht liegt es auch am Alter. Sein Enkel könnte der Junge sein. Und sieht so aus, wie er sich Apoll immer vorgestellt hat.

Del deserto, antwortet der Junge auf Italienisch.

Richard hat, zusammen mit seiner Frau, mehrere Sprachkurse in der Toskana gemacht, den ersten im Sommerurlaub gleich nach dem Mauerfall. Aus Liebe zu Dante.

Warum kannst du Italienisch?

Wir hatten ein Jahr lang Unterricht. Im Lager. Das Wort Lager sagt der Junge auf Deutsch.

In Lampedusa?

Nein, danach, auf Sizilien.

Die griechischen Tempel in Agrigento. Und der Mann auf dem Motorrad, der seiner Frau im Vorbeifahren die Handtasche weggerissen hat. Wie in ein 2500 Jahre umfassendes Diorama war er in Antike und Kapitalismus zugleich eingestiegen. Jetzt wiederholt er seine Frage:

Aus welchem Land bist du?

Aus der Wüste.

Wenn Richard nur wüsste, wie groß genau die Sahara ist.

Aus Algerien? Dem Sudan? Niger? Ägypten?

Zum ersten Mal kommt ihm der Gedanke, dass die von den Europäern gezogenen Grenzen die Afrikaner eigentlich gar nichts angehen. Kürzlich hat er, als er die Hauptstädte gesucht hat, wieder die schnurgeraden Linien im Atlas gesehen, aber erst jetzt wird ihm klar, welche Willkür da sichtbar wird an so einer Linie.

Aus der Wüste, nun gut.

Aber jetzt lächelt der Junge, wohl über ihn, und sagt: aus Niger.

Dann muss das also das Niger-Zimmer sein. Aber welches Volk in Niger wohl lebt? Richard fragt:

Bist du auch ein Yoruba?

Nein, Tuareg.

Und schon weiß er wieder nichts. Touareg ist eine Automarke. Einmal hat er etwas gehört mit blauen Schleiern für Männer. Aber sonst?

Vater? Mutter?

Nein, keine Eltern.

Keine Eltern?

Der junge Mann wirft den Kopf nach hinten. Das kann Ja heißen oder Nein .

Hast du keine Familie?

Der Junge schweigt. Warum sollte er einem fremden Mann sagen, dass er nicht weiß, warum er nie Eltern hatte? In der Wüste gibt es viel Platz. Wenn man weiß, wie die Dünen wandern, kann man den Sand unter dem Sand wiedererkennen. Dass er nicht weiß, ob seine Eltern noch leben. Zur Zeit seiner Geburt gab es Kämpfe. Vielleicht gehörten seine Mutter oder sein Vater zu denjenigen, die von den nigrischen Soldaten unter Sand lebendig begraben wurden. Oder zerhackt. Oder bei lebendigem Leib verbrannt. Hier und da haben Leute solche Geschichten erzählt. Vielleicht auch wurde er seinen Eltern geraubt. Sklavenarbeit jedenfalls musste er machen, solange er denken kann. Bei den Kamelen, den Eseln, den Ziegen, von morgens bis abends. Warum sollte er einem fremden Mann die Narben zeigen, die die Schläge der sogenannten Familie an seinem Kopf und an seinen Armen hinterlassen haben? Totschlagen wollten sie ihn. Befreundet war er nur mit den Tieren.

Wenn die Mutter oder der Vater arbeiten müssen, bleibt man bei der Tante, sagt der Junge.

Verstehe, sagt Richard.

Einer der Schlafenden dreht sich auf die andere Seite und zieht die Decke wieder fester um sich.

Welche Sprache hast du zu Hause gesprochen?

Tamashek.

Das ist die Tuareg-Sprache?

Ja.

Und verstehst du auch Hausa?

Ja.

Und Arabisch?

Ja.

Und Französisch?

Ja.

Und jetzt lernst du Deutsch?

Ja.

Du kannst gut schreiben, sagt Richard und zeigt auf das Blatt Papier, das neben dem Jungen auf der Bettdecke liegt.

Nur deutsche Buchstaben.

Soll er dem fremden Mann sagen, dass die Kinder der Herdenbesitzer mit ihren Müttern vor den Zelten saßen und im Sand Tifinagh schreiben lernten, die Tuareg-Schrift, während er die Kamele noch einmal melken musste, bevor es Nacht wurde? Er hat die Schriftzeichen im Sand gesehen, die der Wind bis zum nächsten Morgen wieder verwehte, hat sie auf Schwertern gesehen, auf Lederhäuten und auf den Felsen mitten in der Wüste: das Kreuz, den Kreis, die Dreiecke und Punkte — und hätte gern gewusst, was sie bedeuten. Sehen, sah, gesehen. Aber er war ein akli , ein Sklave. Nur die Sterne konnte er lesen. Die sieben Schwestern der Nacht, der Krieger der Wüste, das Mutterkamel und das Kleine.

Oder hatten ihn seine Eltern einfach vergessen?

Oder verkauft?

Erst jetzt sieht Richard, dass der Junge auf jeder Wange vier Striche untereinander in die Haut eingeritzt hat.

Was ist das für ein Zeichen?

Das ist ein Tuareg-Stammeszeichen.

So.

Richard fragt und bekommt Antwort und weiß trotzdem nicht weiter.

Wie habt ihr gewohnt?

Der junge Mann nimmt sein Telefon, sucht und zeigt ihm schließlich ein Foto, darauf ist eine große runde Hütte mit einem kuppelförmigen Dach zu sehen.

Apoll hat also ein internetfähiges Handy.

Drei Männer bauen an einem Tag so eine Hütte, erklärt er, aus Schilf, Palmblättern, Lederhäuten, geflochtenen Matten und Stöcken. Wenn man weiterzieht, sagt er, legt man die Hütte nieder und geht — die Blätter, das Schilf, die Asche vom Feuer, das verschwindet alles bald wieder in der Wüste.

Aber die Lederhäute und Matten nimmt man mit?

Ja, und die Stangen. Bäume sind selten.

Und das Geschirr, den Hausrat, die Kleidung, alles, was man besitzt, nimmt man mit?

Ja.

Und alles, was man besitzt, passt auf ein paar Kamele?

Ja.

Richard und seine Frau haben vor zwanzig Jahren bei ihrem Umzug ins Haus schon allein achtzig Bücherkartons gepackt, ganz abgesehen von den Kisten mit Geschirr, Wäsche und Anziehsachen, von den Möbeln, den Teppichen, den Bildern, den Lampen, dem Klavier, der Waschmaschine, dem Eisschrank. Ein großer LKW war bis auf den letzten Zentimeter vollgestellt gewesen mit allem, was sie besaßen.

Und Lebensmittel natürlich, sagt der Junge.

Für wie lange?

Manchmal für zwei, manchmal für drei Monate, das hängt vom Weg ab.

Zwei Monate oder drei Monate?

Ja. Man belädt die Kamele, wiederholt der Junge, legt die Hütten nieder und geht. Er macht mit den Händen eine Geste, die zeigen soll, wie flach das ist, was man zurücklässt, und sagt: wie am Oranienplatz.

Der emeritierte Professor, der hier an einem Tag so vieles zum ersten Mal hört, als sei er noch einmal ein Kind, begreift nun plötzlich, dass der Oranienplatz nicht nur der Platz ist, den der berühmte Gartenbauarchitekt Lenné im 19. Jahrhundert konzipiert hat, nicht nur der Platz, an dem eine alte Frau täglich ihren Hund ausgeführt, oder ein Mädchen auf einer Parkbank zum ersten Mal ihren Freund geküsst hat. Für einen Jungen, der unter Nomaden aufgewachsen ist, ist der Oranienplatz, den er anderthalb Jahre bewohnt hat, nur eine Station auf einem langen Weg, ein vorläufiger Ort, der zum nächsten vorläufigen Ort führt. Beim Abriss der Hütten, der für den Berliner Innensenator ausschließlich ein Politikum war, hat dieser Junge an sein Leben in der Wüste gedacht.

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