— Naukaram!
— Ja, Saheb.
— Mit Grammatiken allein komme ich nicht weiter. Ich brauche einen Lehrer, kannst du einen brauchbaren Lehrer auftreiben?
— Ich kann es versuchen.
— In der Stadt?
— Ja, in der Stadt.
— Noch etwas, Naukaram.
— Ja, Saheb!
— Ich verbiete dir, von nun an auch nur ein einziges Wort Englisch in meiner Gegenwart zu reden. Sprich Hindustani! Oder Gujarati oder weiß der Teufel was, aber kein Wort Englisch mehr.
— Und wenn Besuch kommt?
— Das Nötigste. Nur das Allernötigste.
7.
NAUKARAM
II Aum Vighnahartaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
— Fahre fort.
— Wo waren wir gestern stehengeblieben?
— Hör zu, ich habe, weil ich meine Pflicht ernst nehme, alles Geschriebene gestern abend noch einmal gelesen, auf Fehler und Fragen durchgesehen. Du kannst dich nicht immer auf mich verlassen. Merke dir zukünftig selbst, was du mir schon erzählt hast und was du mir noch erzählen willst.
— Sie sind ein Tyrann, schlimmer als Shivaji. Sie können nicht so mit mir reden. Ich bedarf Ihrer Dienste, ja. Ich bin nicht Ihr Diener.
— Wir sollten keine Zeit verschwenden. Ich habe mich übrigens gefragt, wie dein Herr aussah, als ich deinen Bericht las. Das sollte ich erfahren.
— Wozu? Die Angrezi, an die sich das Schreiben richtet, wissen, wie er aussah, sie erinnern sich an ihn, bestimmt, keiner könnte ihn vergessen.
— Du verstehst von diesen Sachen wenig. Wie soll ich eine angemessene Sprache finden, wenn ich mir von diesem Burton Saheb kein Bild machen kann?
— Er war groß, fast so groß wie ich. Wuchtiger, wie ein schwarzer Büffel, der den ganzen Tag im Feld schuften kann. Genauso war er, unermüdlich. Seine Augen waren sehr dunkel, das fiel sofort auf. Ungewöhnlicher war, wie nackt sie wirkten. Ich muß Ihnen sagen, ich habe nie so nackte Augen gesehen wie jene von Burton Saheb. Sein Blick, er konnte einen einfangen. Ich habe erlebt, manche Menschen waren wie gebannt, als würden seine Augen zaubern. Wenn er zornig wurde, sah er mich an, als würde er mich nicht kennen, als würden bösartige Yakshas herausspringen. Es war zum Fürchten. Er wurde oft zornig, plötzlich, aus irgendeinem Grund, der uns nichtig erschien, völlig nichtig.
— Das hast du mir gestern schon gesagt! Schlug er dich?
— Nein! Schlagen? Wie könnte er, mich schlägt er doch nicht. Ich habe den Eindruck, Sie haben nicht verstanden, welche Position ich in dem Haushalt ausfüllte, was meine Rolle war. Sie haben das überhaupt nicht verstanden!
— Dann erzähle mir mehr von deinen Aufgaben.
— Ich habe alles für ihn erledigt, alles für ihn besorgt.
— Alles?
— Alles, was er von mir verlangte. Alles, was sich aufdrängte, und manchmal auch das, was er sich insgeheim wünschte.
— Beispiele! Gib mir Beispiele.
— Am Anfang die Einrichtung des Hauses, die kaputten Fenster, ich habe sie verglasen und mit Jalousien verhängen lassen. Die Gardinen, ich habe feines Kobbradul aufgetan, günstig, es war nicht meine Angewohnheit, das Geld des Herrn zu verprassen. Sie waren so schön, die Ehefrau des Brigadiers ließ mich fragen, wo ich den Stoff gekauft habe.
— Das werde ich betonen: Ein Fachmann für Kobbradul.
— Ich habe die Einkäufe erledigt, ich habe das Ganja besorgt, er rauchte gerne, abends, wenn er seinen Port trank …
— Port?
— Ja, Portwein, Sie wissen doch, was das ist?
— Gewiß, mußte sichergehen nur, ob ich richtig gehört habe.
— Das bringt mich durcheinander, wenn Sie mich unterbrechen, ich verliere meinen Gedanken, das ist nicht nötig, daß Sie das tun. Portwein, ach ja, und Bücher habe ich besorgt, er wollte alles lesen, und Kräuter und Henna und die Affen, diese unglückseligen Affen, die habe ich aufgetrieben. Das war eine Mühe …
— Affen?
— Und den Lehrer, der so wichtig für ihn wurde, den habe ich gefunden.
— Affen und Lehrer? Warte.
— Und Kundalini, sogar Kundalini habe ich …
— Warte, warte, warte! Wer ist Kundalini? Wovon redest du?
— Sie haben mich gefragt nach Beispielen.
— Erkläre sie mir.
— Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie Kenntnis von dieser Sache haben müssen.
— Wer von uns beiden hat mehr Verstand?
— Der Einfall mit diesem Brief, es ist sinnlos, die Hitze ist mir in den Kopf gestiegen.
— Nicht doch, Naukaram-bhai, nicht doch. Sie irren sich! Es ist höchst sinnvoll, es ist notwendig! Dieser Einfall ist der beste Einfall, den Sie seit langer Zeit gehabt haben. Sie haben zu mir gefunden, das ist gut, und nun haben wir einen weiten Weg vor uns, wir müssen geduldig sein, ich bringe Sie ans Ziel, vertrauen Sie mir. Erzählen Sie etwas anderes, etwas, auf das Sie stolz sind.
— Einen Lehrer zu finden, der etwas taugte, das war nicht so leicht. Burton Saheb hat sich auf mich verlassen, nachdem er es zunächst allein probiert hatte. Er hat bei seinen Leuten nach einem Munshi gefragt. Die konnten ihm nicht helfen. Sie kannten nur einfache Munshi, die schön schreiben können und einige heilige Texte kennen.
— Natürlich. Wer will schon wirklich etwas lernen.
— Burton Saheb wünschte, von einem wirklichen Gelehrten unterrichtet zu werden. Ich will nicht jemandem gegenübersitzen, sagte er, der jede dritte Frage nicht beantworten kann. Zuerst erkundigte ich mich in der Bibliothek des Maharaja. Dort wurde ich auf einen Brahmanen hingewiesen, dessen Gelehrsamkeit in ganz Gujarat berühmt sei, der hervorragend die Sprache der Angrezi spreche. Ich suchte ihn in seinem Haus auf, er wohnte nicht weit von der Bibliothek entfernt, in einem Eckhaus mit kleinen Balkons auf beiden Seiten, ein schönes Haus. Aber sehr klein, kaum breiter als eine Kuh. An der Stirnseite war die Tür, sie war offen, weil unten ein Barbier sein Geschäft hatte, neben der Treppe. Ein schmaler, langer Laden, er hatte gerade Platz genug, hinter seinem Kunden zu stehen. Ich mußte schmunzeln, als ich den Lehrer sah. Er hatte seine Haare seit Jahrzehnten nicht mehr geschnitten. Weder seine Kopfhaare noch seinen Bart. Er ließ mich warten, obwohl ich ihm hatte ausrichten lassen, in welcher Angelegenheit ich ihn aufsuchen werde. Das ärgerte mich, die Überheblichkeit dieser Menschen. Der Lehrer war sehr unordentlich, überall lagen Bücher herum. Ich konnte durch die offene Tür in das zweite Zimmer sehen. Stapel von Büchern, aufgeschlagene Bücher, ich konnte den Boden kaum sehen. Seine Frau war freundlich. Sie bot mir Tschai an, servierte mir frisch gemachte Puranpolis. Ich habe mich gerächt an diesem selbstgefälligen Lehrer, ich habe sie alle aufgegessen.
— Wie viele?
— Wie viele was? Puranpolis? Was kümmert es Sie oder irgend jemand anderen, wie viele Puranpolis ich vor acht Jahren gegessen habe?
— Das war vor acht Jahren?
— Wie viele Puranpolis haben Sie denn gegessen? Letztes Jahr? Was wollen Sie?
— Beruhigen Sie sich. Ich wollte Sie nur etwas entspannen.
— Ich bin entspannt. Ich habe erzählt, Sie bringen mich immer wieder zu Fall.
— Meine Frage war nicht so unnütz, wie Sie meinen. Ich habe etwas Wichtiges erfahren, etwas, das ich von Anfang an hätte wissen sollen. Sie haben von acht Jahren gesprochen. Bedeutet das, Sie waren acht Jahre im Dienst dieses Saheb?
— Fast, ich mußte von Anglestan zurückreisen, das dauert Monate, so etwas wissen Sie nicht, glauben Sie, ich wäre auf den Flügeln von Garuda zurückgeflogen?
— Acht Jahre, hervorragend. Diese Auskunft, diese Zahl, werde ich in den Anfang meines Schreibens einflechten, das hört sich gewichtig an: Naukaram, acht Jahre lang ein treuer Diener, ein enger Vertrauter des berühmten Offiziers der Ehrenwerten Ostindischen Gesellschaft, Burton Saheb.
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