»Ja, hast ja Recht. Aber das ist doch wirklich unmöglich, oder etwa nicht?«
»Klar ist es das. Und ich habe Nina deswegen auch schon ordentlich den Kopf gewaschen. Sie war einsichtig und hat sich entschuldigt.«
»Das ist wohl das Mindeste.«
»Eine Sache hat mir allerdings schon zu denken gegeben.«
»Nämlich?«
»Nina sagt, Sabine habe sich bei ihr beklagt, dass du ihr nicht gesagt hättest, dass ich bei dir einziehe. Sie hätte es von Luisa erfahren.«
Carolin schaut Marc fragend an, der schweigt.
»Wenn das wirklich so war, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass Sabine wütend auf dich und nicht besonders gut zu sprechen auf mich ist.«
Marc schweigt immer noch.
»Also hast du es ihr tatsächlich nicht erzählt.« Sie seufzt. »Kannst du nicht mal etwas dazu sagen?«
»Was soll ich noch dazu sagen? Das Tribunal hat mich doch bereits überführt.«
»Hey!« Carolin runzelt die Stirn. »Nicht wieder streiten! Was heißt denn hier Tribunal ? Ich möchte nur von dir wissen, was du Sabine gesagt hast – oder auch nicht.«
»Ich habe es ihr nicht gesagt, weil ich der Meinung bin, dass es sie nichts angeht. Punkt.«
»Ja, aber …«, will Carolin darauf erwidern, aber Marc fällt ihr sofort ins Wort.
»Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass ich dich nicht fragen muss, was ich meiner Exfrau wann sage.«
Eins merkt selbst ein kleiner Dackel: Dieses Thema ist für Marc ein rotes Tuch. Und dafür, dass er sich so sehr ein friedliches Ende des Abends wünscht, ist er wieder ganz schön unfriedlich. Hoffentlich behält wenigstens Carolin die Nerven, sonst kracht es bestimmt gleich wieder.
»Schatz, ich weiß, dass Sabine dich sehr verletzt hat. Und ich kann verstehen, dass du immer noch wütend auf sie bist. Aber es muss möglich sein, dass wir darüber in Ruhe reden. Und dass ich auch eine eigene Meinung dazu vertreten darf. Sonst haben wir in absehbarer Zeit ein echtes Problem.«
Sehr gut, Carolin. Immer ruhig bleiben. Damit bist du ganz auf Opilis Linie: Bei sehr aufgeregten Hunden hilft nur ein ganz ruhiger Jäger, der den Überblick behält. Sonst verjagt sich das Rudel in kürzester Zeit. Gut, vielleicht ist die Kommunikation zwischen Jäger und Hund nicht eins zu eins auf die zwischen Frau und Mann übertragbar, aber da es sich in beiden Fällen um Paare handelt, kann man vielleicht gewisse Parallelen ziehen.
»Entschuldige, Caro. Du hast Recht. Aber bei dieser Geschichte sitze ich sofort auf der Palme. Ich bemühe mich aber auch redlich, wieder hinunterzuklettern.« Er lächelt. Etwas gequält, aber er lächelt. Faszinierend. Es funktioniert also tatsächlich. Nicht nur zwischen Jäger und Hund.
»Brav, mein Lieber!«, lobt ihn Carolin. Und auch das ist gewissermaßen nach Lehrbuch. Den folgsamen Hund immer loben! , war einer der wichtigsten Grundsätze des alten von Eschersbach. Er hatte zu diesem Thema sogar einmal etwas in der Wild und Hund geschrieben, einer Zeitschrift, die in regelmäßigen Abständen zu uns aufs Schloss flatterte. Alle waren deswegen ganz stolz, Emilia hat uns damals sogar vorgelesen, was der Alte da verzapft hatte, und anschließend bekam das Heft in der Schlossbibliothek einen Ehrenplatz. Ja, von Eschersbach war zwar sonst ein harter Knochen, aber in der Hinsicht sehr verlässlich. Wenn man genau machte, was er wollte, konnte man gut mit ihm auskommen. Vielleicht könnte Carolin ja auch mal in der Wild und Hund … ?
»Weißt du, Sabine war damals Knall auf Fall verschwunden. Mit Luisa. Ich kam nach Hause, und die Wohnung war so gut wie leer. Es war der furchtbarste Tag in meinem Leben. Sie war einfach zu diesem Jesko gezogen, ohne vorher auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Und dass diese Frau nun hier aufkreuzt und meint, mir sagen zu können, wie ich sie im Vorfeld hätte informieren müssen – tut mir leid, da platzt mir der Kragen. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet, wieder ein halbwegs normales Verhältnis zu ihr aufzubauen. Und ich habe das nur wegen Luisa überhaupt auf mich genommen. Aber zu mehr bin ich nicht bereit.«
Carolin holt Luft, so als ob sie dazu noch etwas sagen wollte, schweigt dann aber. Eine Weile sitzen sie so da, dann nimmt Marc Carolins Hände.
»Vielleicht streichen wir den heutigen Tag einfach, ja? Er war wirklich eine Katastrophe.«
»Ja, tun wir das.« Sie küssen sich. »Ach so – von wegen Katastrophe: Hat sich eigentlich Frau Warnke mal gemeldet? Die kann doch nicht einfach nicht zur Arbeit kommen.«
»Stimmt. Das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Dabei passt es zu meiner heutigen Glückssträhne: Ihr Freund hat heute Nachmittag angerufen. Es gibt zwei Neuigkeiten – gewissermaßen eine gute und eine schlechte. Erstens ist Frau Warnke schwanger. Dazu habe ich natürlich gratuliert. Und zweitens geht es ihr so schlecht, dass sie heute Morgen ins Krankenhaus gekommen ist. Ich fürchte, so schnell sehen wir sie nicht wieder.«
»O nein!«
»Genau. O nein. Das habe ich auch gesagt.«
»Aber was machst du denn jetzt ohne Helferin?«
»Dazu habe ich mir schon Gedanken gemacht und eine gute Lösung gefunden.«
»Und die wäre? Ich gebe meine Werkstatt auf und werde ab sofort deine Assistentin?« Carolin kichert.
»Auch ein verlockender Gedanke. Aber ich hatte noch eine andere Idee: Meine Mutter hilft mir. Sie hat es jahrelang bei meinem Vater gemacht, kennt also die Praxis. Und sie könnte sofort anfangen.«
»Deine Mutter?«
»Ja, gute Idee, oder?«
»Ja, toll.«
Ein Blick auf Carolins Gesicht, und ich weiß, dass sie das genaue Gegenteil denkt. Ein Wunder, dass Marc das nicht merkt. Männer und Frauen. Richtig gut passen sie nicht zusammen.
Von außen betrachtet wirkt der heutige Tag völlig unspektakulär. Draußen nieselt es, im Wartezimmer der Praxis sitzt nur ein einziger Herr mit seiner Katze, und Marcs Mutter sortiert am Tresen einen Papierstapel von links nach rechts. Sie kommt nun jeden Tag, um Marc zu helfen, und was auch immer Carolin befürchtet hatte – bisher ist noch nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil, meist kocht Oma Wagner nach Ende der Sprechstunde noch etwas Schönes für die ganze Familie und denkt dabei auch an mich. Wenn ich also mit Carolin aus der Werkstatt komme, freue ich mich schon richtig auf das Abendessen.
Heute allerdings bin ich gleich zu Hause geblieben, denn in Wirklichkeit ist dieser Tag doch spektakulär: Ich werde mit Marc Schloss Eschersbach besuchen! Offenbar soll an einem der nächsten Wochenenden die Ponyüberraschungsparty für Luisa steigen. Jedenfalls wenn alles so klappt, wie Carolin sich das vorstellt. Es wird also höchste Zeit, dass Marc sein Versprechen einlöst und den alten von Eschersbach endlich nach seinen Pferden fragt.
Jetzt nur noch der Typ mit der Katze – dann kann es losgehen. Marc schaut aus dem Behandlungszimmer.
»So, Herr Weiler, dann lassen Sie uns mal nachsehen, was Lucy haben könnte. Kommen Sie bitte?«
Und zwar ein bisschen dalli, möchte ich hinzufügen, wenn ich mir ansehe, mit welchem Schneckentempo dieser Herr Weiler in Marcs Richtung schleicht. Wir haben schließlich noch etwas Besseres vor!
Ich lege mich vor die Tür des Behandlungszimmers. Nicht, dass sich hier noch irgendein Notfall reinmogelt. Nach der Katze ist Schluss, basta!
»Na, Herkules, brauchst du auch einen Arzt?« Marcs Mutter hockt sich neben mich und krault mich unter dem Kinn. »Oder willst du noch ein kleines Fresschen, bevor ihr losfahrt?«
»Mutter, hör bitte auf, den Hund zu mästen. Der braucht weder drei Mahlzeiten am Tag noch zwei Kilo mehr auf den Rippen. Und dann bring mir doch bitte mal die Patientenakte von Lucy Weiler, hier liegt leider die falsche.« Marc steckt den Kopf durch die Tür des Behandlungszimmers.
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