Wenn im Wald der Tiger fehlt, wird der Affe König. Eigeburt starb, so erst kam es, dass es an dir war, dich mit Tusche und Pinsel zu versuchen.
KAULQUAPPE: (in grenzenloser Bewunderung)
Gugu, du sprichst mal wieder druckreif. Du bist nicht nur eine hervorragende Frauenärztin, sondern auch eine exzellente Stückeschreiberin! Deine beiläufig ausgespuckten Reden sind stets ausgezeichnete Bühnendialoge!
GUGU: Was heißt hier beiläufig ausgespuckte Reden? Darüber habe ich lange Zeit gewissenhaft nachgedacht.
(zeigt auf den Stapel Manuskriptpapier in Kaulquappes Hand)
Ist dies das von dir verfasste Theaterstück?
KAULQUAPPE: (höflich und bescheiden)
Ja.
GUGU: Wie ist der Titel des Stücks?
KAULQUAPPE: Frösche 蛙
GUGU: Ist es das 娃 »Wa« von Baby wie im Wort Niwawa oder das 蛙 »Wa« von Frosch wie im Wort Qingwa?
KAULQUAPPE: Vorläufig ist es noch das Wa der Frösche, aber natürlich können wir es auch in das Wa von Baby wie im Wort Niwawa oder in das Wa von Nüwa, der Urahnin der Menschheit, ändern. Nüwa erschuf die Menschen, und die Frösche sind bei uns das Symbol für Kinderreichtum, sie sind unsere Totemtiere hier in Nordost-Gaomi; in unserer Lehmkunst, in unseren Neujahrsbildern, überall finden sich viele Beispiele, wie wir die Frösche vergöttern.
GUGU: Aber dir war doch bewusst, dass ich entsetzliche Angst vor Fröschen habe?
KAULQUAPPE: Mein Stück analysiert deine Froschphobie. Wenn du mein Stück zu Ende gelesen hast, sollte der Knoten geplatzt sein, und dann hast du vielleicht nie wieder Angst vor Fröschen.
GUGU: ( streckt die Hand aus )
Dann gib mir mal dein Manuskript.
(Kaulquappe reicht ihr respektvoll das Theaterstück)
GUGU: (zu Qin Strom und Hao Große Hand gewandt)
Hört zu, ihr beiden: Wer von euch wirft dieses dumme Geschreibsel ins Feuer?
KAULQUAPPE: Gugu, zehn Jahre meines Lebens und mein Herzblut stecken darin!
GUGU: (hebt die Hand mit dem Stapel Papier und wirft ihn schwungvoll zu Boden, wobei die Blätter völlig durcheinander geraten)
Ich muss das nicht erst lesen. Ich brauche nur daran zu riechen und bin im Bilde, von was für Blähungen du dich da befreit hast. Und deine kleine Buchgelehrsamkeit soll dich in die Lage versetzt haben, den Grund für meine Angst vor Fröschen zu analysieren?
Kaulquappe, Qin Strom und Hao Große Hand kriechen auf dem Bühnenboden herum, um die Manuskriptseiten aufzuklauben.
GUGU: (besessen davon, sich ganz genau zu erinnern) An dem Vormittag, als du geboren wurdest, habe ich mir die Hände im Fluss gewaschen, und da habe ich ganze Trauben von Kaulquappen gesehen, das Wasser war über und über voll davon. In jenem Jahr hat eine große Trockenheit geherrscht; deshalb hat es ausgesehen, als wären es mehr Kaulquappen als Wasser. Bei diesem Anblick dachte ich: Wahrscheinlich wird nicht mal ein Zehntausendstel davon zu Fröschen, die meisten werden im Schlamm vertrocknen. Sie waren den männlichen Samenfäden sehr ähnlich. Samenfäden gibt es massenweise, aber mit der Eizelle verschmelzen und zu einem Baby werden kann wohl höchstens einer von zehn Millionen. Damals spürte ich, dass zwischen der Fruchtbarkeit der Frösche und der Menschen ein geheimnisvolles Band besteht.
Als deine Mutter mich um einen Namen für dich bat, sagte ich intuitiv: Kaulquappe. Deine Mutter sagte: Ein vortrefflicher Name! Kaulquappe, mit einem so erbärmlichen Namen ist das Kind geschützt, dann kriegen wir es leichter groß. Kaulquappe, dein Name ist königlich.
Kaulquappe, Qin Strom und Hao Große Hand halten jeder ein paar Seiten des Manuskripts in der Hand und hören still zu .
KAULQUAPPE: Danke, Gugu!
GUGU: Dann stand in der Volkszeitung ein Bericht über eine Verhütungsmethode namens Kaulquappenmethode . Die Frauen mussten, wenn der Eisprung nahte, vor dem Geschlechtsverkehr vierzehn lebendige Kaulquappen schlucken. Das sollte die Befruchtung verhindern. Die Frauen, die diese Methode anwandten, gebaren aber kleine Frösche.
GROSSE HAND: Gugu, bitte hör davon auf! Sonst bekommst du wieder einen Rückfall.
GUGU: Was sagst du, wer erleidet einen Rückfall? Ich habe keine Krankheit. Die Leute, die Frösche gegessen haben, sind krank. Sie stiften Frauen dazu an, dass sie den Fröschen am Fluss mit einer scharfen Schere den Kopf abschneiden und sie dann häuten, als würden sie ihnen die Hosen ausziehen. Die Schenkel der Frösche haben große Ähnlichkeit mit Frauenbeinen. Damals begann das mit meiner Froschphobie. Die Schenkel der Frösche sind wie Frauenschenkel.
QIN STROM: Leute, die Frösche essen, bekommen irgendwann ihre Strafe. Die Frösche haben bestimmte Parasiten, die auch ins Gehirn wandern. Die Leute werden also verrückt davon. Zum Schluss fällt auf, dass ihre Gesichtszüge denen von Fröschen immer ähnlicher werden.
KAULQUAPPE: Das ist eine gute Idee für mein Stück. Die Leute, die Frösche gegessen haben, werden zuletzt selber zu Fröschen. Aber Gugu ist eine die Frösche schützende Heldin.
GUGU: (erbärmlich leidend)
Das stimmt nicht, mein Körper ist bereits mit Froschblut in Kontakt gekommen. Ich wusste nichts davon, man hat mich betrogen. Ich habe Froschfleisch gegessen, aus dem man Fleischklößchen zubereitet hatte. Wie in der Sage, die dein Großonkel mir erzählt hat:
König Wenwang vom Reich der Zhou aß versehentlich das Fleisch seines eigenen Sohnes, denn man hatte davon Fleischklößchen gemacht und ihn aufgefordert, sie zu essen. Dann floh König Wen aus Zhaoge. Als er sich bückte, erbrach er die kleinen Klößchen. Sie wurden alle zu Wildkaninchen.
Als ich an jenem Tag nach Hause kam, hatte ich furchtbare Magenkrämpfe, auch ein Rumoren wie Fröschequaken konnte man hören. Es war so unangenehm, so ekelerregend. Am Flussufer hielt ich es nicht mehr aus und erbrach kleine grüne Klößchen. Als sie ins Wasser plumpsten, wurden sie zu Fröschen.
Das Grüne Kind mit dem grünen Lätzchen führt die Schar schwerbehinderter Frösche aus der Berghöhle heraus und schreit mit hohem Stimmchen.
GRÜNES KIND: Wir kommen die Schulden eintreiben! Wir kommen die Schulden eintreiben!
Die »Frösche« quaken erbost in voller Lautstärke »Quak! Quak! Quak!« Gugu schreit gellend auf und sinkt ohnmächtig zu Boden. Hao Große Hand hält Gugu umfasst und zupft ihr am Philtrum, damit sie wieder zu sich kommt. Qin Strom vertreibt das Kleinkind mit dem grünen Lätzchen und die von ihm angeführte Froschschar. Kaulquappe hebt sein Manuskript Blatt für Blatt auf.
KAULQUAPPE: (holt eine leuchtend rote Einladungskarte hervor)
Gugu, ich kenne den ursächlichen Grund für deine Froschphobie. Ich weiß auch, dass du in den letzten Jahren angefangen hast, auf verschiedene Art und Weise das zu sühnen, was du für dein Verbrechen hältst. Aber eigentlich hast du nichts Böses getan, denn die zerstückelten Frösche sind nur Chimären, die deinen Geist belagert haben. Gugu, mit deiner Hilfe wurde mein Sohn geboren. Zu seiner Geburt richte ich ein großes Fest aus. Ich möchte dich dazu einladen, Gugu.
(zu Große Hand und Qin Strom gewandt)
Euch beide lade ich auch ein, kommt vorbei.
Ende des vierten Aufzugs
Fünfter Aufzug
Nachts zu später Stunde. Das Licht fällt schräg auf die Bühne, die golden leuchtet.
An einer Ecke des Niangniang-Tempels, am Fuße einer mächtigen Säule, sieht man Chen Nase zusammengekrümmt mit seinem Hund sitzen (den Hund kann ein Mensch spielen). Vor Nase steht ein verbeulter Blechnapf, in dem sich ein paar Geldscheine und einige Münzen befinden. Nases Krücken stehen neben ihm.
Chen Augenbraue trägt den üblichen langen schwarzen Mantel, ihr Gesicht ist schwarz verhüllt, wie ein Spukgespenst erscheint sie auf der Bühne.
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