XIAO WEI: (selbstironisch)
Ja, logisch, ich bin ja völlig blind. Was geschah dann?
AUGENBRAUE: Dann bin ich in die Froschzuchtfirma arbeiten gegangen.
XIAO WEI: Ich habe von dieser Firma gehört. Sie ist sehr bekannt. Ich hörte, dass sie aus der Froschhaut hochwertige Schutzstoffe extrahieren. Wenn sie damit erfolgreich sind, können sie ein internationales Patent anmelden.
AUGENBRAUE: Genau die will ich anzeigen.
XIAO WEI: Erzähl!
AUGENBRAUE: Die Froschzucht ist bei denen nur ein Vorwand, um anderes zu kaschieren. Ihr eigentliches Geschäft sind Babys.
XIAO WEI: Was für Babys?
AUGENBRAUE: Sie haben einige Mädchen fest eingestellt, die für die Reichen als Leihmütter Babys bekommen.
XIAO WEI: So etwas gibt es?
AUGENBRAUE: Die Firma hat zwanzig Geheimzimmer, zu denen Außenstehende keinen Zutritt haben; dort gibt es Frauen, die schon mal verheiratet waren oder auch nicht, hässliche, wunderschöne, welche für Schwangerschaften mit Sex und welche für Schwangerschaften ohne Sex.
XIAO WEI: Was? Ich kapier das nicht. Was heißt mit oder ohne Sex?
AUGENBRAUE: Stell dich nicht dumm! Das musst du doch wissen, was das bedeutet? Bist du noch Jungfrau?
XIAO WEI: Ich begreife das wirklich nicht.
AUGENBRAUE: Für Schwangerschaften mit Sex muss die Frau mit dem Mann schlafen, als wären sie ein Paar, sie müssen solange zusammen wohnen, bis die Schwangerschaft eingetreten ist. Bei denen ohne Sex kommen die Spermien in ein Reagenzglas und werden in die Gebärmutter der Frau hineingespritzt. Bist du noch Jungfrau?
XIAO WEI: Und was ist mit dir?
AUGENBRAUE: Natürlich bin ich Jungfrau.
XIAO WEI: Aber du hast doch gerade noch gesagt, dass du ein Kind bekommen hast.
AUGENBRAUE: Ich habe ein Baby geboren, aber ich bin Jungfrau. Sie haben ihre dicke Krankenschwester damit betraut, die Spermien aus dem Reagenzglas in meine Gebärmutter zu spritzen. Deswegen bin ich zwar schwanger geworden und habe auch das Baby geboren, aber ich habe niemals mit einem Mann geschlafen. Insofern bin ich unberührt und eine Jungfrau.
XIAO WEI: Wer sind diese Leute, von denen du sprichst?
AUGENBRAUE: Das kann ich nicht sagen. Wenn ich das sage, dann ermorden sie mein Kind.
XIAO WEI: Ist das der Dicke von der Froschzuchtfirma? Wie heißt er gleich? ... Yuan Backe!
AUGENBRAUE: Wo ist Backe? Den suche ich nämlich! Dieses Vieh! Der hat mich betrogen! Die ganze Bande macht gemeinsame Sache und hat mich betrogen! Die haben behauptet, mein Kind wäre gleich nach der Geburt gestorben. Die haben eine tote Katze genommen, der sie das Fell über die Ohren gezogen hatten, und sie für mein Baby ausgegeben. Die haben mir Theater vorgespielt, die moderne Version von Den Himmelssohn gegen eine Schleichkatze eingetauscht. Die haben das als Vorwand genommen, um mir mein Geld vorzuenthalten. Damit ich mein Kind nicht suche. Das Geld will ich nicht. Ich hänge nicht am Geld. Sonst hätte ich damals in Kanton eingewilligt, als ein taiwanesischer Geschäftsführer mir eine Million Yuan geboten hat, wenn er mich drei Jahre lang besitzen könnte.
Ich will das Kind. Mein Kind ist das allerfeinste auf der ganzen Welt. Richter Bao! Eure Magd bittet Euch untertänigst, sich für sie einzusetzen.
XIAO WEI: Haben sie einen Vertrag mit dir geschlossen, den ihr gemeinsam unterschrieben habt, bevor die künstliche Befruchtung bei dir durchgeführt wurde?
AUGENBRAUE: Haben sie. Nach Vertragsabschluss haben sie auch ein Drittel der Leihmutterpauschale bezahlt. Nach der Geburt des Kindes sollte die zweite Rate und nach der erfolgten Übergabe des Kindes der Rest bezahlt werden.
XIAO WEI: Das könnte zum Problem werden. Aber egal. Richter Bao Qingtian wird den Fall schon richtig analysieren. Fahr bitte fort.
AUGENBRAUE: Sie sagten mir, die Spermien seien von einem hohen Tier. Der habe gute Gene, er sei ein Genie. Sie sagten, dass er, um ein gesundes Baby zu bekommen, ein halbes Jahr lang mit dem Rauchen aufgehört habe, mit dem Schnapstrinken sowieso, und jeden Tag eine Abalone-Schnecke und zwei Seegurken verspeist habe.
XIAO WEI: (höhnisch)
Der muss es ja richtig dicke haben.
AUGENBRAUE: Eine gesunde Nachkommenschaft zu zeugen ist eine große, langfristige Aufgabe, für die kein Einsatz zu hoch ist. Man sagte mir, der Kader habe Fotos von mir aus der Zeit vor meiner Brandverletzung gesehen, und er fände, ich sei eine wunderschöne gemischtrassige Frau.
XIAO WEI: Wenn du für Geld nicht empfänglich bist, warum arbeitest du dann als Leihmutter?
AUGENBRAUE: Habe ich gesagt, dass ich kein Geld mag?
XIAO WEI: Das hast du gerade wörtlich gesagt.
AUGENBRAUE: (erinnert sich)
Mir fällt es jetzt wieder ein. Weil mein Vater einen Verkehrsunfall hatte und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, deswegen habe ich eingewilligt, eine Leihmutterschaft zu übernehmen, damit ich seine Krankenhauskosten bezahlen konnte.
XIAO WEI: Du besitzt wahrlich Kindespietät. Und das bei solch einem Vater. Ob er tot oder lebendig ist, spielt doch eigentlich gar keine Rolle.
AUGENBRAUE: Darüber habe ich natürlich auch nachgedacht. Aber er ist schließlich doch mein Vater.
XIAO WEI: Deswegen sage ich ja, du besitzt eine beispielhafte Kindespietät.
AUGENBRAUE: Ich bin mir sicher, dass mein Kind lebt. Weil ich seinen ersten Lebensschrei gehört habe. Horch mal! Es weint schon wieder.
Ach, mein liebes Kind, nicht einen einzigen Schluck Milch durftest du bei deiner Mutter trinken. Mein armes, armes Kind.
(der Revierführer kommt zur Tür herein)
REVIERFÜHRER: Was ist das hier für ein Gejaule? Wenn’s was zu sagen gibt, dann bitte vernünftig, Wort für Wort!
AUGENBRAUE: (am Boden kniend)
Weiser Richter Bao, wollen Richter Bao sich für Eure Magd einsetzen und den Prozess führen?
REVIERFÜHRER: Was ist hier los? Der reinste Hühnerhof!
XIAO WEI: (mit gedämpfter Stimme)
Revierführer, das hier ist sehr wahrscheinlich ein erschütternder Fall von größerer Bedeutung!
(händigt dem Revierführer das Protokoll aus, der schaut einmal kurz darüber)
Es handelt sich offensichtlich um organisiertes Verbrechen auf den Gebieten Prostitution und Menschenhandel mit Säuglingen.
AUGENBRAUE: Weiser Richter Bao, ich flehe Euch an, rettet bitte mein Kind!
REVIERFÜHRER: Ist gut, Bürgerin Chen Augenbraue. Wir haben den von dir geschilderten Fall aufgenommen. Wir werden Richter Bao bestimmt davon in Kenntnis setzen. Du kannst jetzt gehen und unsere Nachricht abwarten.
(Augenbraue verlässt die Bühne)
XIAO WEI: Revierführer!
REVIERFÜHRER: Du bist neu hier und kennst dich mit den hiesigen Gepflogenheiten nicht aus. Diese Frau ist eins der Schwerbrandopfer der Dongli-Plüschtierfabrik. Sie ist geistig verwirrt. Man sollte Mitleid mit ihr haben, aber wir können ihr nicht helfen, selbst wenn wir es möchten.
XIAO WEI: Revierführer, ich habe gesehen ...
REVIERFÜHRER: Was hast du gesehen?
XIAO WEI: (geniert sich)
Aus ihren Brüsten tropft Milch.
REVIERFÜHRER: Das wird Schweiß gewesen sein. Xiao Wei, du bist neu im Revier, frisch im Beruf. Wenn man unseren Job machen will, muss man immer wachsam sein und niemals sensibel. Die Nerven dürfen nicht verrücktspielen.
Ende des dritten Aufzugs
Vierter Aufzug
Gleiches Bühnenbild wie zweiter Aufzug.
Hao Große Hand und Qin Strom formen Tonkinder, jeder vor seiner eigenen Werkbank.
Ein Mann mittleren Alters, gekleidet in einen zerknitterten grauen Anzug, mit einer roten Krawatte um den Hals, in der Brusttasche einen Füllfederhalter und eine Aktentasche unter den Arm geklemmt, betritt leise, verstohlen die Bühne.
Читать дальше