Und Addi: Sag mir mal, was der bei uns will?
Der will doch bloß auf unsere Knochen Geld verdienen, einwandfrei. Die Flasche, die.
Und Zaremba machte: No… Flasche?!
Ich sagte wohl schon, daß Zaremba aus Böhmen war. Deswegen wohl dieses »no«. Er brachte es in jedem Satz mindestens dreimal unter. Der Mann konnte mit diesem »no« mehr sagen als andere in ganzen Romanen. Sagte er: No? und legte dabei den Kopf schräg, hieß das: Darüber denk noch mal nach, Kollege! Machte er: No?! und zog dabei seine Filzbrauen hoch, hieß das: Das sag nicht noch mal, Kumpel! Kniff er dabei seine Schweinsritzen zu, wußten alle, jetzt bringt er gleich den Glöckner von Notre-Dame. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Irgendeiner hatte mir erzählt, Zaremba soll gleich nach fünfundvierzig für drei Wochen Oberster Richter oder so von Berlin gewesen sein. Er soll ganz ulkige und ganz scharfe Urteile gefällt haben.
No? Herr Angeklagter, Sie waren also schon immer ein großer Freund der Kommunisten, herich?! In dem Stil. »Herich«, das war auch so ein Wort von ihm. Ich brauchte ewig, bis ich kapiert hatte, daß »herich« »hör ich« heißt. Zaremba war schon ein Vieh.
Ich weiß nicht, ob er genug vom Singen hatte oder ob er einsah, daß ich und Addi nicht zurechtkamen. Jedenfalls fing er an, mir die Aufträge zu geben. Das erste war, daß ich in irgendeinem ollen Klo das Paneel oder vielmehr das, was über dem Paneel kommt, tünchen sollte und die Decke. Er ließ mich allein dabei, und ich mixte mir die schönste blaue Soße und fing an, mit der Rolle die Wände und die Decke zu verzieren, und zwar auf diese Pop-art. Am Ende sah das aus wie eine Serie von Entwürfen für Autobahnschleifen. Und das alles schön blau. Ich war noch gar nicht ganz fertig, da stand Zaremba da und der Rest der Truppe hinter ihm. Sie waren wahrscheinlich höllisch gespannt, was er jetzt mit mir anstellen würde, vor allem Addi. Aber er machte bloß: No?!
Das war wohl das längste »no«, was ich je von ihm gehört habe. Außerdem legte er dabei noch den Kopf schräg, zog die Filzbrauen hoch und kniff seine Schweinsritzen zu. Ich hätte mich beölen können. Ich bin heute noch stolz auf diese neue »no«-Variante.
»Klar, er benahm sich komisch. Einwandfrei. Aber ebendas hätte uns stutzig machen müssen, vor allem mich. Statt dessen jagte ich ihn weg, daran konnte auch Zaremba nichts ändern. Zaremba war vielleicht der einzige von uns, der ahnte, was in Edgar steckte. Aber ich war wie vernagelt. Es ging um unser NFG, nebelloses Farbspritzgerät. Wir hatten schon mehrere Sachen gebaut, aber das sollte unsere größte werden. Ein Gerät, das Farben jeder Art versprüht, ohne daß dieser unverträgliche Farbnebel entsteht, der bis jetzt noch bei jedem Gerät dieser Art auftritt. Das wäre eine einmalige Sache gewesen, sogar auf dem Weltmarkt. Leider waren wir damals ins Stocken gekommen damit. Nicht mal Experten, die wir schließlich ranholten, kamen damit weiter. Und in dieser Situation stellte sich Edgar hin und machte Bemerkungen. Da platzte mir leider der Kragen. Ich will mich nicht entschuldigen. Ich war einfach nicht voll da.«
Jetzt tu mir einen Gefallen, Addi, und halt endlich die Luft an damit. Was in mir steckte, kann ich dir genau sagen: nichts. Und in Sachen NFG überhaupt nichts. Deine Idee mit der Druckluft und der Hohldüse war nichts, und meine Idee mit der Hydraulik war auch nichts. Also wozu das Geplärre. Ich gebe zu, daß ich mir von der Hydraulik allerhand versprochen hatte, eigentlich von Anfang an, kaum daß ich das Ding gesehen hatte. Es lag da unter unserem Salonwagen rum. Ich war schon mindestens dreimal darüber gestolpert und hatte es auch schon beschnarcht. Aber ich hätte mir doch lieber sonstwas abgebissen, als einen danach zu fragen, was das für ein Apparat war und so. Schon gar nicht Addi. Bis dann eines Tages Zaremba selber den Mund aufmachte. Ich glaube, dieser Hund sah durch mich durch wie durch Glas.
Hast du noch nicht gesehen, no? Kannst du auch nicht. Ist einmalig. Diese Farbspritze versprüht Farben jeder Art auf der Erde, im Wasser und in der Luft, schafft wie drei Maler am Tag in drei Stunden, no, arbeitet ohne diesen Farbnebel und ist damit allen vergleichbaren Sachen auf dem Weltmarkt überlegen, selbst amerikanischen, herich. — Wenn sie erst funktioniert, verstehst, no?
Anschließend wischte er ein bißchen Staub auf dem Ding und seufzte eine Weile rum. Dann sagte er noch: Es ist nicht unsere erste Erfindung, aber unsere beste, no.
Es sah so aus, als wollte er damit Addi und die Truppe anpieken, die natürlich längst dastanden. Das Ding lag wohl schon eine Weile rum. Es funktionierte nämlich keineswegs, es nebelte und nebelte, weiter nichts.
Ich sagte: Die Maschine wird ihn nie ersetzen.
Dabei hielt ich meinen Pinsel hoch. Ich durfte gerade mal wieder vorstreichen.
Sofort ging Addi los: Hör mal zu, mein Freund. Alles schön und gut. Ich weiß nicht, was du fürn Spleen hast, aber irgendeinen hast du. Einwandfrei. Interessiert mich nicht. Aber wir sind hier eine Truppe und keine ganz schlechte, und du gehörst nun mal dazu, und es wird dir auf die Dauer nicht viel übrigbleiben, als dich einzufügen und mitzuziehen. Und glaub nicht, du wärst unser erster Fall. Wir haben schon ganz andere hingebogen. Frag Jonas. — Jedenfalls, der muß erst noch kommen, der uns auf den Durchschnitt zieht.
Das war's mal wieder. Er machte auf den Hakken kehrt und zog ab, die anderen ihm nach. Ich verstand bloß die Hälfte. Der Spruch mit der Maschine war schließlich ziemlich harmlos. Ich hatte noch ganz andere Sachen auf der Pfanne. Old Werther zum Beispiel. Ich analysierte kurz die Lage und stellte fest, daß ich Addis schwächsten Punkt erwischt hatte mit der Spritze.
Zaremba sagte denn auch: Mußt ihn verstehen, no. Ist sein Einfall, die Spritze. Jesus, nicht dran rühren. Entweder es wird der Knüller oder der Reinfall, no? — Sein erster!
Und ich:
Er ist der pünktlichste Narr, den es nur geben kann; Schritt vor Schritt und umständlich wie eine Base, ein Mensch, der nie mit sich selbst zufrieden ist und dem es daher niemand zu Danke machen kann.
Das war endlich mal wieder Old Werther. Zaremba riß seine Schweinsritzen auf und knurrte: No! Das sag du nicht!
Er war der erste, den dieses Althochdeutsch nicht aus dem Sattel warf. Es hätte mir auch leid getan. Ich gebe allerdings zu, ich hatte für ihn eine ziemlich normale Stelle ausgesucht. Ich weiß nicht, ob das einer versteht, Leute. Ein paar Tage später kam es dann zum Treffen. Addi und die Truppe baute die Spritze auf dem Hof von einem dieser ollen Häuser auf und schloß sie an. Zwei Experten waren aus irgendeiner Spezialbude gekommen mit einem ganzen Kasten voller Düsen, jede anders. Die sollten nun durchprobiert werden. Große Show. Alles mögliche Volk robbte an. Die ganzen Töpfer und Maurer und was sonst noch in den Häusern rumkroch. Es klappte mit keiner Düse. Entweder es kam ein armdicker Strahl raus, oder es nebelte wie ein Rasensprenger. Die Experten waren von vornherein nicht besonders optimistisch, rückten aber jede Düse raus. Addi ließ einfach nicht locker. Er war ein Steher. Bis er dann zum kleinsten Kaliber griff, und dafür war dann einfach der Druck zu groß. Der olle Schlauch platzte, und wer im Umkreis von zehn Metern stand, war gelb wie ein Chinese oder was. Vor allem Addi. Der Heiterkeitserfolg war einmalig bei dem ganzen Volk.
Die Experten meinten: Laßt man. Uns ist das nicht besser gegangen, und wir haben alles! Nichts zu machen! Technisch nicht lösbar, jedenfalls heute noch nicht. Das liegt nicht an den Düsen.
Und dann kam ich und zückte meine Werther-Pistole:
Es ist ein einförmiges Ding um das Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den größten Teil der Zeit, um zu leben, und das bißchen, das ihnen von Freiheit übrigbleibt, ängstigt sie so, daß sie alle Mittel aufsuchen, um es loszuwerden.
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