»Stammen Sie aus South Carolina, Mr. –?«
»Powell. Lamar Hugh Augustus Powell. Lamar für meine Freunde. Ich komme nicht aus Ihrem Staat, aber ganz aus der Nähe. Die Leute meiner Mutter stammen aus Georgia. Die Familie hat viel mit Baumwolle zu tun, nahe bei Valdosta. Mein Vater war Engländer. Nahm meine Mutter als Braut mit nach Nassau, wo ich aufwuchs. Er war als Rechtsanwalt tätig, bis er vor einigen Jahren starb.«
»Die Bahamas. Das ist eine Erklärung.« Huntoons Versuch zu lächeln und sich einzuschmeicheln kam Powell geschmacklos und komisch vor. Dieser kleine Dreckskerl würde kein Problem darstellen. Aber wo –?
Ah. Ohne sich umzudrehen, entdeckte Powell einen sich nähernden Schatten. »Eine Erklärung wofür, Sir?«
»Für Ihre Sprache. Ich dachte, ich hätte Charleston herausgehört – und doch nicht ganz.« Für ein paar Augenblicke fiel Huntoon keine weitere Bemerkung ein. Verzweifelt sagte er: »Großartige Party – «
»Ich habe Sie nicht angesprochen, um über die Party zu reden.« Huntoons Grinsen verzerrte sich unter der Zurückweisung. »Um offen zu sein, ich organisiere eine kleine Gruppe zur Finanzierung eines vertraulichen Unternehmens, das sich als unglaublich lukrativ erweisen könnte.«
Huntoon blinzelte. »Sie sprechen von einer Investition?«
»Einer maritimen Investition. Diese verdammte Blockade schafft phantastische Möglichkeiten für Männer, die den Willen und die nötigen Geldmittel haben, sie zu nutzen.« Er beugte sich vor.
Nach all den entmutigenden Wendungen, die der Abend genommen hatte, fühlte sich Ashton zumindest ein bißchen durch den Anblick des attraktiven Fremden entschädigt, der mit ihrem Mann sprach. Wie jämmerlich James neben ihm aussah. War der Mann so wohlhabend, wie seine äußere Erscheinung andeutete? Und so männlich?
Sie eilte auf die beiden Männer zu. Nachdem er sie gestraft hatte, war James nun bereit, höflich zu sein.
»Meine Liebe, darf ich dir Mr. Lamar Powell aus Valdosta und den Bahamas vorstellen? Mr. Powell, meine Gattin Ashton.«
Mit dieser Vorstellung beging er einen der schlimmsten Fehler seines Lebens.
20
Charles band Ambrose Pells Braunen an die oberste Stange des Zauns. Leichter Regen fiel auf ihn, den Farmer mit der Glatze, und das enttäuschende Pferd, das zu sehen er zwölf Meilen geritten war. Die fernen Blue-Ridge-Berge verloren sich im Nebel, so trübe wie seine Stimmung.
»Ein Grauer?« fragte Charles. »Nur die Musiker reiten Graue.«
»Vermutlich hab ich ihn deswegen noch«, erwiderte der Farmer. »Alle anderen hab’ ich schnell verkauft – obwohl, wenn Sie’s interessiert: Ich mach’ nicht gern Geschäfte mit euch Buttermilchkavalleristen. Paar von denen sind erst letzte Woche hier durchgeritten, mit Papieren, auf denen stand, sie seien Männer von der Verpflegungsabteilung.«
»Wie viele Hühner haben sie Ihnen gestohlen?«
»Ah, Sie kennen die Jungs?«
»Nicht persönlich, aber ich weiß, wie einige von ihnen vorgehen.« Diese Diebstähle, offiziell ›Fourage‹ genannt, trugen zu dem schlechten Ruf bei, den sich die Kavallerie bereits erworben hatte, ebenso wie der weitverbreitete Glaube, berittene Soldaten würden ihre Pferde lediglich dazu benützen, sich möglichst schnell vom Schlachtfeld zu entfernen.
»Das Pferd – «
»Preis hab’ ich Ihnen bereits gesagt.«
»Der ist zu hoch. Aber ich zahle ihn, wenn der Graue was taugt.«
Was Charles bezweifelte. Der zweijährige Wallach war ein schlichtes, unauffälliges Tier; klein – ungefähr vierzehn Hand hoch – und bestimmt nicht mehr als tausend Pfund schwer. Er besaß die Schultern und die langen, abfallenden Fesseln eines guten Renners. Aber man begegnete selten einem grauen Sattelpferd. Was mochte mit diesem hier nicht stimmen?
»Sie lassen euch Jungs nicht reiten, wenn ihr nicht mit eigenen Pferden ankommt, so ist’s doch, oder?« fragte der Farmer.
»Ja. Mir fehlt ein Pferd, seit zwei Wochen bin ich hinter einem Ersatz her. Gegenwärtig bin ich in Kompanie Q, wenn die Gerüchte stimmen.«
»Geben sie euch was zur Versorgung eurer eigenen Pferde?«
»Vierzig Cents pro Tag, Futter, Hufeisen und die Dienste eines Hufschmieds, wenn man einen finden kann, der nüchtern ist.« Es war eine dümmliche Regelung, zweifellos von irgendeinem Regierungsangestellten erfunden, der höchstens mal in Kindertagen auf einem Steckenpferd gesessen hatte. Je mehr Charles vom Armeeleben mitbekam, desto weniger konnte er entscheiden, ob die Konföderierten-Armee nun komisch oder tragisch war. Wahrscheinlich tragikomisch.
»Wie ist Ihr Pferd gestorben?«
Neugieriger alter Querkopf, was? »Drusenkrankheit.« Er hätte Dasher erschießen müssen, aber er hatte es nicht gekonnt. Er hatte sie sterben lassen und hinterher vor Kummer und Erleichterung geweint, ganz allein für sich.
»Hu«, sagte der Farmer schaudernd. »Die Druse ist ein schlimmes Ende für ein gutes Tier.«
»Ich möchte lieber nicht drüber sprechen.« Charles mochte den Farmer nicht, und der Mann hatte eine Abneigung gegen ihn gefaßt. Er wollte das Geschäft hinter sich bringen. »Warum haben Sie den Grauen nicht verkauft? Zu teuer?«
»Nee, der andere Grund. Wie Sie sagen – nur die Jungs von der Musik wollen Graue.«
»Hören Sie, in der Ecke von Virginia stehen nicht mehr viel Pferde zum Verkauf. Also, was stimmt mit ihm nicht? Eingeritten ist er, oder?«
»Oh, klar doch, mein Cousin hat ihn einwandfrei eingeritten. Da hab’ ich ihn her – von meinem Cousin. Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Soldat – «
»Captain.«
Das gefiel dem Farmer nicht. »Er ist ein guter, schneller kleiner Kerl, aber er hat was an sich, was vielen nicht gefällt. Zwei andere Jungs haben ihn angesehen und fanden ihn ein bißchen simpel und, na ja, irgendwie unangenehm. Vielleicht ist das Floridablut.«
Augenblicklich wurde Charles aufmerksam. »Ist er zum Teil Chickasaw?«
»Gibt keinen Beweis dafür, aber mein Cousin behauptet es.«
Dann könnte der Graue eine Entdeckung sein. Die besten Carolina-Rennpferde entstammten einer Kombination von englischem Vollblut und dem spanischen Pony aus Florida.
»Läßt er sich schwer reiten?«
»Einige waren der Meinung, jawohl, Sir.« Der Farmer bekam die Fragerei langsam satt. Charles mußte sich schnell entscheiden.
»Hat er einen Namen?«
»Cousin nannte ihn Sport. Wollen Sie ihn nun oder nicht?«
»Legen Sie ihm das Halfter an, und bringen Sie ihn rüber«, erwiderte Charles und schnallte seine Sporen ab. Der Farmer ging auf die Weide, und Charles beobachtete, daß Sport seinen Besitzer zweimal zu beißen versuchte, während ihm dieser das Halfter anlegte. Aber dann folgte der Graue gehorsam, als ihn der Mann zum Zaun führte.
Charles ging zu Ambrose Pells Braunem und zog seine Schrotflinte aus dem Futteral. Schnell überprüfte er die Waffe. Aufgeschreckt sagte der Farmer: »Was zum Teufel haben Sie vor?«
»Ihn ein bißchen zu reiten.«
»Kein Sattel? Keine Decke? Wo haben Sie das gelernt?«
»Texas.« Der alte Mann hing ihm zum Hals raus, und Charles schenkte ihm ein bösartiges Grinsen. »Wenn ich beim Comanchen-Killen mal Pause machte.«
»Killen? Verstehe. In Ordnung. Aber die Schrotflinte – «
»Wenn er den Krach nicht verträgt, dann taugt er für mich nichts. Bringen Sie ihn dichter an den Zaun.«
Er bellte es wie einen Befehl; der Farmer wurde sofort weniger lästig. Charles kletterte auf den Zaun und glitt so sanft wie möglich auf den Wallach. Er wickelte das Seil um seine rechte Hand, spürte bereits den mutwilligen Widerstand des Grauen. Er richtete die Schrotflinte nach oben und feuerte beide Läufe ab. Der Graue bockte nicht, sondern raste los – schnurstracks auf den Zaun am anderen Ende der Weide zu.
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