«Großartig! Wir werden schon durchhalten, bis die Flüsse wieder eisfrei werden. Sag mal, Kid, die Hunde, die wir da gekriegt haben, sind nicht ohne, weißt du! Ein Hundehändler hat mir schon zweihundert Dollar das Stück geboten — er wollte fünf haben. Aber ich habe flott abgelehnt. Sie haben sich ja auch fein herausgemacht, als wir sie mit dem Elchfleisch fütterten. Es ist freilich schon eine tolle Sache, Hunde mit Lebensmitteln zu füttern, die zweieinhalb Dollar das Pfund kosten. Komm, nimm noch ein Glas! Wir müssen wirklich unsere achtzehn Pfund Zucker feiern und einen heben!«
Als er einige Minuten später Goldstaub für die Getränke abwog, fiel ihm etwas ein.
«Donnerwetter, da hatte ich fast vergessen, daß ich noch einen Mann im "Tivoli" treffen soll. Er hat etwas verdorbenen Speck, den er uns für anderthalb Dollar das Pfund ablassen will. Den können wir den Hunden zu fressen geben und damit einen ganzen Dollar pro Tag und Stück sparen.«
«Auf Wiedersehen also«, sagte Kid.»Ich geh' nach Haus und leg' mich schlafen.«
Kaum hatte Kurz das Zimmer verlassen, als ein pelzbekleideter Mann durch die doppelte Tür und den Windschutz hereinschlüpfte. Sein Gesicht erhellte sich sichtlich, als er Kid sah. Der erkannte sofort Breck, den Mann, dessen Boot er und Kurz durch den» Büchsen-Cañon «und das» Weiße Roß«gefahren hatten.
«Ich hab' gehört, daß Sie in der Stadt sind«, sagte Breck hastig, während sie sich die Hände schüttelten.»Ich suche Sie schon eine halbe Stunde. Kommen Sie mit hinaus. Ich möchte gern mit Ihnen sprechen.«
Kid warf dem summenden, rotglühenden Ofen einen sehnsüchtigen Blick zu.
«Geht's nicht hier?«
«Unmöglich. Ist viel zu wichtig. Kommen Sie mit hinaus.«
Draußen zog Kid sich einen Handschuh aus, zündete ein Streichholz an und sah nach dem Thermometer, das neben der Tür hing. Die Hand schmerzte in der schneidenden Kälte, und er zog den Handschuh schnell wieder an. Über ihren Häuptern stand der flammende Bogen des Nordlichts. Ganz Dawson hallte wider von dem melancholischen Geheul der vielen Tausende von Wolfshunden.
«Wie stand es?«fragte Breck.
«Unter sechzig. «Kid spie versuchsweise aus, und der Speichel knisterte in der eisigen Luft.»Und ich glaube, es wird noch mehr fallen, es fällt ja unaufhörlich. Vor einer Stunde stand es erst auf zweiundfünfzig. Jetzt dürfen Sie mir aber nichts von einem neuen Goldfund erzählen.«
«Aber das ist es ja eben«, flüsterte Breck vorsichtig. Er warf ängstliche Blicke nach allen Seiten, aus Furcht, daß jemand in der Nähe war und lauschte.»Sie kennen doch den Squawbach, nicht wahr? Er mündet drüben in den Yukon, dreißig Meilen weiter aufwärts.«
«Da ist nichts zu machen«, sagte Kid.»Den hat man schon vor vielen Jahren untersucht.«
«Das hat man auch mit all den andern reichen Bächen gemacht. Hören Sie jetzt mal her! Es ist eine Menge Gold da. Und es sind nur zweiundzwanzig Fuß bis zum Felsgrund. Es wird kein Claim geben, das nicht mindestens eine halbe Million wert ist. Es ist noch ein großes Geheimnis. Zwei oder drei von meinen intimsten Freunden haben mich eingeweiht. Ich sagte gleich zu meiner Frau, daß ich Sie aufsuchen wollte, bevor ich losging. Also, bis auf dahin! — Mein Gepäck liegt am Ufer versteckt. Die es mir erzählt haben, nahmen mir das Versprechen ab, erst gegen Abend loszugehen, wenn ganz Dawson schläft. Sie wissen ja selbst, was es heißt, wenn man Sie mit der ganzen Goldgräberausrüstung unterwegs sieht. Holen Sie jetzt Ihren Kameraden und kommen Sie mir nach! Sie werden sicher das vierte oder fünfte Claim neben dem des Finders kriegen können. Vergessen Sie nicht: am Squawbach! Es ist das dritte, wenn Sie am Schwedenbach vorbei sind.«
Als Kid die kleine Hütte auf der Anhöhe hinter Dawson betrat, hörte er das vertraute Schnarchen seines Kameraden.
«Ach, geh zu Bett«, murmelte Kurz, als Kid ihn an der Schulter rüttelte.
«Ich habe keine Nachtwache heute«, knurrte er weiter, als die Hand ihn immer kräftiger schüttelte.»Vertrau deine Sorgen dem Barmixer an.«
«Zieh dich schnell an«, sagte Kid,»wir müssen ein paar Claims abstecken.«
Kurz setzte sich im Bett auf und wollte einige energische Ausdrücke vom Stapel lassen, als ihm Kid die Hand vor den Mund hielt.
«Pst!«warnte Kid.»Es ist eine ganz große Sache. Weck nicht die Nachbarschaft. Dawson schläft noch.«
«Nanu, das wirst du mir erst beweisen müssen. Selbstverständlich erzählt keiner einem was von einem großen Goldfund! Oh, sie machen immer alle ein furchtbares Geheimnis daraus, aber eben deshalb ist es verblüffend, daß sie alle hinlaufen.«
«Es handelt sich um den Squawbach«, flüsterte Kid.»Es ist alles in Ordnung: Breck hat mir den Tip gegeben. Der Bach ist ganz seicht. Von den Graswurzeln abwärts ist alles Gold. Komm jetzt. Wir machen uns ein paar ganz leichte Pakete und türmen dann sofort.«
Kurz schloß wieder die Augen und legte sich ruhig ins Bett zurück. Im nächsten Augenblick hatte Kid ihm die Decken weggerissen.
«Wenn du das Gold nicht haben willst, dann will ich es«, erklärte Kid entrüstet.
Kurz stand auf und begann sich anzuziehen.
«Wollen wir die Hunde mitnehmen?«fragte er.
«Nein, am Bach gibt es sicher keinen festgetretenen Weg, und wir kommen deshalb schneller ohne sie hin.«
«Dann will ich ihnen was zu fressen geben, damit sie nicht hungern, während wir weg sind. Vergiß nicht, etwas Birkenrinde und ein Licht mitzunehmen.«
Kurz öffnete die Tür, spürte die beißende Kälte und zog sich schnell wieder zurück, um die Ohrenklappen festzubinden und die Fäustlinge anzuziehen.
Fünf Minuten später kam er wieder. Er rieb sich mit großer Energie die Nase.
«Du, Kid, ich bin sehr gegen dieses Wettrennen. Es ist kälter heute als die Türangeln der Hölle vor tausend Jahren, ehe das erste Feuer angezündet wurde. Außerdem ist heute Freitag, der Dreizehnte, und wir werden nur Pech haben, so sicher, wie Funken nach oben fliegen.«
Mit kleinen Goldgräberbündeln auf dem Rücken schlossen sie die Tür hinter sich und rutschten den Hügel hinab. Die strahlende Pracht des Nordlichts war schon erloschen — nur die Sterne zitterten in der eisigen Kälte am Himmel, und ihr unsicherer Schein stellte den Füßen der Wanderer Fallen.
Bei einer Wegbiegung strauchelte Kurz in dem tiefen Schnee, und das gab ihm Anlaß, seine Stimme zu erheben und den Tag samt Woche, Monat und Jahr in gutgewählten Worten zu segnen.
«Kannst du denn nicht den Mund halten?«zischelte Kid.»Laß doch den Kalender in Ruhe. Du weckst ja ganz Dawson, so daß sie alle hinter uns herkommen.«
«So, das meinst du? Siehst du das Licht in der Hütte dort? Und in der andern da drüben? Und hörst du die Tür dort knallen? Oh, ganz Dawson schläft, da ist gar kein Zweifel möglich! Die Lichter da? Alles natürlich nur Leute, die ihre toten Tanten begraben! Nichts liegt ihnen ferner, als auf die Goldsuche zu gehen. Ich wette mein Leben, daß sie gar nicht daran denken.«
Als sie den Fuß des Hügels erreichten und mitten in Dawson waren, blitzte Licht in allen Hütten auf, Türen wurden zugeworfen, und hinter sich hörten sie das schlurfende Geräusch vieler Mokassins auf dem hartgetretenen Schnee.
Kurz gab gleich seine Meinung zum besten.
«Aber der Teufel mag wissen, wo plötzlich all die trauernden Verwandten herkommen!«
Sie gingen an einem Mann vorbei, der am Wege stand und mit leiser Stimme vorsichtig rief:»Charley, Charley, mach ein bißchen dalli.«
«Siehst du das Bündel auf seinem Rücken, Kid? Der Friedhof muß verflucht weit weg liegen, daß die Trauernden ihre Bettdecke mitschleppen müssen.«
Als sie die Hauptstraße erreichten, waren mindestens hundert Mann in einer langen Reihe hinter ihnen her, und als sie in dem trügerischen Sternenlicht den Weg zum Fluß hinab suchten, hörten sie, daß noch mehr Leute sich hinten anschlossen. Kurz glitt aus und rutschte den dreißig Fuß hohen Abhang durch den tiefen Schnee hinunter.
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