»Der ist's«, flüsterte Muckerle; »es ist der Pfeifer von Hardt, ich hab ihn gleich erkannt.«
Der Oberst und die Hauptleute hatten sich von ihrem Erstaunen noch nicht ganz erholt. Sie sahen den Mann, von welchem der Ruf so wunderbare Dinge erzählte, halb ängstlich, halb neugierig an. Er selbst hatte ein zu wohlgeübtes Ohr, als daß er nicht verstanden hätte, was diese Leute unter sich flüsterten; aber er tat, als bemerke er ihr Staunen und Verstummen nicht; er beschäftigte sich ruhig mit seiner Zither. Endlich faßte sich der lange Peter, wohlbestallter Oberst dieses Heeres ein Herz, zwirbelte den Bart einigemal, zog dann den ungeheuern Hut vom Kopf und sprach: »Verzeihet doch, lieber Gezelle, wertgeschätzter Pfeifer, daß wir zo ohne alle Umstände mit Euch verfahren zind; konnten wir denn wissen, wen wir da neben unz haben? Zeit vielmal gegrüßet, hab schon oft, Gott straf mein Zeel, gedacht, möchte nur einmal den fürtrefflichen Kerl zehen, den Pfeifer von Hardt, der in Ulm am hellen Tag alz Spatz auzgeflogen.«
»Ist schon gut«, unterbrach ihn der Spielmann unmutig; »lasset die alten Geschichten ruhen. Nun, von wegen des Herzogs kam mir die Nachricht zu, ich soll euch Herren auf den heutigen Tag aufsuchen, und wenn ihr noch geneigt wäret, mit ihm zu ziehen, so wolle er gerne zahlen, was ihr ihm vorgeschlagen.«
»Canto cacramento! daz ist ein frommer Herr! ein Goldgülden dez Monats und täglich vier Maaz Wein! Er zoll leben!«
»Und wann wird er kommen?« fragte der Hauptmann Löffler; »wo werden wir zu ihm stoßen?«
»Wenn kein Unglück geschehen ist, heute noch. Heute ist er auf Heimsheim losgebrochen, die Besatzung ist schwach, wenn er sie überwältigt hat, rückt er heute noch weiter.«
»Schaut! reitet dort unten nicht ein Geharnischter? Sieht aus wie ein Ritter!« Die Männer sahen aufmerksam nach dem Ende des Tales; dort sah man einen Helm und Harnisch in der Sonne blinken, auch ein Pferd wurde hie und da sichtbar. Der Pfeifer von Hardt sprang auf und klimmte auf die Eiche hinan; von diesem hohen Standpunkt konnte er das Tal besser übersehen; noch war der Reiter zu fern, als daß er seine Züge hätte unterscheiden können, aber er glaubte seine Feldbinde zu erkennen, er glaubte den Mann zu erkennen, den er in dieser Stunde erwartete.
»Was siehst du?« riefen die Hauptleute, »ist es einer, der zufällig durchs Tal reitet, oder glaubst du, er kommt vom Herzog?«
»Richtig, weiß und blau ist die Schärpe«, sprach der Pfeifer; »das ist sein langes Haar, so sitzt er zu Pferd, ei du Goldjunge, willkommen in Württemberg! Jetzt sieht er eure Wachen, jetzt reitet er auf sie zu, schau wie die Bursche ihre Lanzen vorstrecken und die Beine ausspreizen!«
»Ja, was Landsknechte sind, die verstehen den Kriegsbrauch; darf keiner vorbei, wo die Hauptleute liegen, ohne daß er Rede steht.«
»Halt! jetzt rufen sie ihn an; er spricht mit ihnen, sie deuten hieher; er kommt!« Der Pfeifer von Hardt stieg mit freudeglühendem Gesicht vom Baum herab.
»Diavolo maledetto! bassa marendete! Zie werden ihn doch nicht allein reiten lassen? ez wird doch einer zein Roß am Zügel führen nach Kriegesbrauch! Wie? ist ez ein Ritter, der kommt?«
»Ein Edelmann so gut wie einer im Reich«, antwortete der Pfeifer; »und der Herzog ist ihm sehr gewogen.« Bei dieser Nachricht standen die Hauptleute auf, denn, ob sie sich gleich nicht wenig einbildeten, Hauptleute zu heißen, so wußten sie doch, daß sie eigentlich nur Landsknechte und dem Ritter jedes Zeichen von Ehrerbietung schuldig seien. Der Oberst aber setzte sich gravitätisch am Fuß der Eiche nieder, strich den Bart, daß er hell glänzte, setzte den großen Hut mit der Hahnenfeder zurecht, stützte sich auf seinen großen Hieber und erwartete so den Ritter.
Der Herzog ist gekommen,
Er liegt nicht weit im Feld;
Er hat's dem Feind genommen,
Er bringt 'nen Sack mit Geld.
G. Schwab
Dem Platze, wo die Hauptleute und der lange Peter, ihr Oberst, versammelt waren, nahte sich jetzt ein geharnischter Reiter, dessen Pferd von zwei Landsknechten geführt wurde. Der Ritter hatte das Visier seines blanken Helmes herabgeschlagen, die breiten Schultern und die kräftigen Lenden und Beine waren mit Platten und Schienen von Stahl verhüllt, aber die wallenden Federn seines Helmbusches und die wohlbekannten Farben einer Schärpe, die über den Panzer herablief, die Haltung und das edle, kräftige Wesen des Nahenden hatten dem Pfeifer von Hardt längst gesagt, wen er zu erwarten habe. Und er betrog sich nicht, denn einer der Knechte trat jetzt vor den Oberst und berichtete, daß der »Edle von Sturmfeder« mit den Anführern der gesamten Landsknechte etwas zu sprechen habe.
Der lange Peter antwortete im Namen der übrigen: »Zag ihm, er ist willkommen, Peter Hunzinger der Oberst, Ztaberl von Wien, Kunrad der Magdeburger, Balthasar Löffler und der tapfere Muckerle, wohlbestallte Hauptleute erwarten ihn zum Gespräch. – Gott straf mein Zeel, er hat einen schönen Harnisch und einen Helm wie der König Franz; aber zein Gaul dürfte besser zein, Mordblei! er ist an allen vieren steif!«
»Dos ist holt, sog ich, weil er den gonzen Sommer g'stonden ist in Mömpelgard beim Herzog.«
Die Männer belächelten den Witz des Wieners, doch hüteten sie sich, ihre Freude laut werden zu lassen, denn der Ritter hielt nicht allzu ferne. Noch immer machte er aber keine Miene, abzusteigen und sich ihnen zu nahen; er sprach mit dem Knecht, schlug dann das Visier auf und zeigte ein schönes freundliches Gesicht. »Steht dort nicht Hanns der Spielmann?« rief er mir lauter Stimme. »Erlaubet, daß er ein wenig zu mir trete.«
Der Oberst nickte dem Pfeifer zu, er ging und der Junker schwang sich vom Pferde. »Willkommen in Württemberg, edler Herr«, rief der Mann von Hardt, indem er den Handschlag des Junkers treuherzig erwiderte. »Bringt Ihr gute Botschaft? ich seh's Euch an den Augen an, es steht gut mit dem Herzog.«
»Komm! tritt hier ein wenig auf die Seite«, sagte Georg von Sturmfeder mit freudiger Hast. »Wie steht es auf Lichtenstein? denkt sie an mich? hast du einen Brief, ein paar Zeilen? o gib schnell! was läßt sie mir sagen, guter Hanns?«
Der Pfeifer lächelte schlau über die Ungeduld des liebenden Jünglings »Einen Brief hab ich nicht; keine Zeile. Sie ist gesund und der alte Herr auch; das ist alles was ich weiß.«
»Wie!« unterbrach ihn Georg; »keinen Gruß? keine Botschaft? So hat sie dich gewiß nicht ziehen lassen!«
»Als ich vorgestern Abschied nahm, sagte das Fräulein: › Sag ihm, er soll sich sputen, daß er einziehet in Stuttgart, ‹ sie wurde geradeso rot wie Ihr jetzt, als sie dies sprach.«
Der junge Mann errötete voll freudiger Gefühle, sein Auge glänzte und ein freundliches Lächeln zeigte, daß er den Sinn dieser Worte verstanden habe.
»Bald, bald werden wir einziehen, so Gott will«, sagte er. »Aber wie lebten sie diesen langen Sommer; nur dreimal kam uns Botschaft von ihnen zu! Warst du oft auf Lichtenstein, Hanns? War sie traurig? was sprach sie?«
»Lieber Herr«, antwortete der Mann von Hardt, »geduldet Euch noch, auf dem Marsch will ich Euch ein langes und breites erzählen, für jetzt nur so viel: sobald der Alte hört, daß Ihr auf Stuttgart ziehet, will er von Lichtenstein aufbrechen und Euch die Braut zuführen. Denn er zweifelt nicht, daß Ihr die Stadt überwältiget. Habt Ihr Heimsheim?«
»Wir haben es; ich jagte mit zwölf Reitern in die Tore, ehe sie sich's versahen. Die Besatzung war zwar etwas stärker, als wir, aber mutlos und unzufrieden. Ich handelte mit ihnen in des Herzogs Namen, da glaubten sie, er liege mit vielen Truppen noch im Hinterhalt und ergaben sich. So weit wären wir nun in Württemberg, aber wie ist der Weg weiterhin?«
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