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Ной Гордон: Der Schamane

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Ной Гордон Der Schamane

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Originaltitel: Shaman Aus dem Amerikanische übersetzt Von Klaus Berr

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»Ich fahre nach Westen! Nach Westen!« rief der Vertreter. »Sie auch?« Rob J. nickte. »Wie weit fahren Sie?«

»Bis zur Staatsgrenze. Nach Pittsfield. Und Sie, Sir?« Die Antwort bereitete Rob J. eine außerordentliche Befriedigung, ein solches Vergnügen, dass er übers ganze Gesicht lachte und sich beherrschen musste, dass er sie nicht laut herausschrie, denn die Worte hatten ihre eigene Melodie und warfen ein verklärend-romantisches Licht in jeden Winkel des schaukelnden Waggons. »Ins Indianerland«, sagte er.

Musik

Massachusetts und den Staat New York durchquerte er auf mehreren kurzen Eisenbahnstrecken, die durch Postkutschenlinien miteinander verbunden waren. Der Winter machte das Reisen beschwerlich. Manchmal mussten die Postkutschen warten, bis nicht weniger als zwölf Ochsen die Schneeverwehungen mit Pflügen weggeräumt oder die weiße Pracht mit großen hölzernen Rollen platt gewalzt hatten. Gasthöfe und Wirtshäuser waren teuer. Er befand sich gerade in den Wäldern des Allegheny Reservoirs, als ihm das Geld ausging, und war froh, in Jacob Starrs Holzfällerlager Arbeit als Arzt zu finden. Wenn ein Unfall passierte, war das meistens nichts Harmloses, doch zwischendurch hatte er kaum etwas zu tun. Er suchte sich deshalb eine Beschäftigung und half den Männern beim Fällen der bis zweihundertfünfzig Jahre alten Mastbaumkiefern und Hemlocktannen.

Normalerweise übernahm er ein Ende der Elendsschaukel, wie die Zweimannsäge genannt wurde. Sein Körper gewann an Kraft und Zähigkeit. Die meisten dieser Lager hatten keinen Arzt, und die Holzfäller wussten, wie wertvoll er für sie war. Sie gaben deshalb gut auf ihn acht, wenn er ihnen bei der gefährlichen Arbeit half. Sie brachten ihm bei, seine blutenden Handflächen in Salzwasser zu tauchen, damit sich schneller eine Hornhaut bildete. An den Abenden jonglierte er in der Schlafbaracke, um seine Finger gelenkig zu halten für Operationen, und für die Männer spielte er Gambe, wobei er sie abwechselnd zu ihren heiseren Liedern begleitete und Stücke von Johann Sebastian Bach und Marin Marais spielte, denen sie verzückt lauschten.

Den ganzen Winter über lagerten sie die riesigen Stämme am Ufer eines kleinen Flusses. Auf der Stumpfseite der einschneidigen Äxte des Lagers befand sich ein großer, erhabener fünfzackiger Stern. War ein Baum gefällt und zugerichtet, drehten die Männer die Axt um und trieben den stählernen Stern in die frische Schnittfläche, zum Zeichen, dass der Baum Jacob Starr gehörte. Als im Frühling das Schmelzwasser kam, stieg der Fluss um drei Meter und trug die Stämme bis zum Clarion. Die Holzfäller bauten riesige Flöße und errichteten auf ihnen Schlaf- und Kochbaracken sowie Vorratsschuppen. Rob fuhr mit diesen Flößen den Fluss hinunter wie ein Prinz; es war eine langsame, verträumte Reise, die nur unterbrochen wurde, wenn die Stämme sich verkeilten und von den geschickt arbeitenden Männern wieder gelöst werden mussten. Er sah die verschiedensten Vögel und eine Vielzahl anderer Tiere, während er den gewundenen Clarion bis zu dessen Mündung in den Allegheny und dann den Allegheny bis ganz hinunter nach Pittsburgh entlangtrieb.

In Pittsburgh verabschiedete er sich von Starr und dessen Holzfällern. In einem Saloon ließ er sich als Arzt für einen Schienentrupp der Washington & Ohio anheuern, einer Eisenbahnlinie, die den beiden vielbefahrenen Kanälen des Staates Konkurrenz machen wollte. Zusammen mit den Arbeitern brachte man ihn nach Ohio, an den Rand einer weiten, von einem glänzenden Schienenstrang unterteilten Ebene. In einem der vier Waggons, in denen die Vorarbeiter wohnten, wurde ihm ein Quartier zugewiesen. Der Frühling in der Ebene war wunderschön, doch die Welt der W & O Railroad war hässlich. Die Schienenleger, Planierer und Fuhrmänner waren fast durchwegs irische und deutsche Einwanderer, deren Leben als billige Ware betrachtet wurde. Robs Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass auch noch das letzte Quentchen ihrer Kraft der Firma zur Verfügung stand. Er war froh über das Geld, doch seine Arbeit war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, denn der Oberaufseher, ein dunkelgesichtiger Mann namens Gotting, war ein widerliches Scheusal, das kein Geld für Lebensmittel ausgeben wollte. Die Firma beschäftigte zwar Jäger, die jede Menge Wildbret schossen, und es gab eine Zichorienbrühe, die man Kaffee nannte, doch es mangelte an Gemüse - außer an dem Tisch, an dem Rob, Gotting und die Vorarbeiter saßen. Weder Kohl noch Karotten, noch Kartoffeln versorgten die Arbeiter mit Ascorbinsäure, und nur höchst selten gab es als Leckerbissen einen Topf Bohnen. Die Männer hatten Skorbut.

Trotz ihrer Blutarmut hatten sie keine Lust am Essen. Ihre Gelenke schmerzten, ihr Zahnfleisch blutete, die Zähne fielen ihnen aus, und ihre Wunden verheilten nicht. Unterernährung und Schwerstarbeit kamen einem Mord an ihnen gleich. Schließlich brach Rob in den verschlossenen Proviantwaggon ein und verteilte Kisten mit Kohl und Kartoffeln, bis von den Vorräten der Vorgesetzten nichts übrig war. Glücklicherweise wusste Gotting nicht, dass der junge Arzt Gewaltlosigkeit geschworen hatte. Robs Körpergröße und die kalte Verachtung in seinem Blick legten es dem Oberaufseher nahe, ihn auszuzahlen und ziehen zu lassen, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden.

Rob J. hatte bei der Eisenbahn gerade genug verdient, um sich eine langsame alte Stute, einen zwölfkalibrigen Vorderlader, eine kleinere, leichtere Flinte für die Jagd auf Niederwild, Nadeln und Faden, eine Angelrute mit Haken, eine verrostete eiserne Bratpfanne und einen Hirschfänger zu kaufen. Er taufte das Pferd Monica Grenville, zu Ehren einer hübschen, nicht mehr jungen Frau, einer Freundin seiner Mutter, die er in den fiebrigfeuchten Träumen seiner Knabenzeit bestiegen hatte. Dank der Stute konnte er seine Reise in den Westen so fortsetzen, wie er es sich vorgestellt hatte. Nachdem er bemerkt hatte, dass die Flinte nach rechts zog, schoss er mühelos Wild, er angelte, wo sich Gelegenheit bot, und verdiente sich Geld oder Essen, wo immer er zu Leuten kam, die einen Arzt brauchten.

Die Weite des Landes mit den Bergen, Tälern und Ebenen verblüffte ihn. Nach ein paar Wochen war er überzeugt, dass er ewig auf seiner gemächlich trottenden Monica Grenville in den Sonnenuntergang hinein weiterziehen konnte.

Die Arzneimittel gingen ihm aus. Es war ohnedies schwierig, ohne die wenigen unzureichenden Linderungsmittel, die es damals gab, zu operieren, aber er hatte weder Laudanum noch Morphium, noch ein anderes Medikament und musste sich auf die Schnelligkeit seiner Chirurgenhände und den billigen Fusel, den er unterwegs kaufen konnte, verlassen. Fergusson hatte ihm einige hilfreiche Kniffe beigebracht, an die er sich jetzt erinnerte. Da er keine Nikotintinktur hatte, die bei Hämorrhoidenoperationen oral verabreicht wurde, um den Schließmuskel zu entspannen, kaufte er die stärksten Zigarren, die er bekommen konnte, und steckte sie bei Bedarf dem Patienten in den After, bis das Gewebe das Nikotin des Tabaks absorbiert hatte und die Muskelerschlaffung eintrat. In Titusville passierte es, dass ein älterer Herr dazukam, als er eben einen Patienten versorgte, der über eine Wagendeichsel gebeugt und mit einer Zigarre im Hintern dastand. »Haben Sie Streichhölzer, Sir?« fragte ihn Rob J. Später in der Gemischtwarenhandlung hörte er dann, wie der Mann seinen Freunden mit ernster Miene berichtete: »Ihr glaubt nicht, wie die die Zigarren geraucht haben.«

In einem Wirtshaus in Zanesville sah er seinen ersten Indianer. Eine herbe Enttäuschung. Ganz im Gegensatz zu James Fenimore Coopers großartigen Wilden bettelte hier ein schwabbeliger, grämlicher Säufer mit Rotz im Gesicht um Getränke und ließ sich beschimpfen. »Vermutlich Delaware«, sagte der Wirt, als Rob ihn nach dem Stamm des Indianers fragte. »Oder vielleicht Miami. Oder Shawnee.« Er zuckte verächtlich mit den Achseln.

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