Die Wut und das Erstaunen des Herzogs lassen sich kaum denken; man müßte ihn denn mit einem Falken vergleichen, dem eine Taube ihre Flügel zum Kampfe entgegenspreizt.»Wird die heilige Frau Euch ohne alles Besitztum aufnehmen?«fragte er mit zorniger Stimme. — »Wenn sie ihr Kloster auch anfangs dadurch in Schaden setzt, «entgegnete die Gräfin Isabelle,»so versehe ich mich doch der Milde der edlen Freunde unseres Hauses, die eine Waise des Hauses Croye nicht hilflos lassen werden.«—»Das ist falsch!«sagte der Herzog,»ist bloß ein elender Vorwand, irgend eine geheime, unwürdige Leidenschaft zu verbergen. Herr Herzog von Orleans, sie soll die Eurige werden, und müßte ich sie mit eigenen Händen zum Altare schleppen!«
Die Gräfin von Crevecoeur, eine Frau von hohem Geist, die volles Vertrauen auf ihres Gemahls Verdienste und Gunst setzte, konnte nicht länger schweigen.»Gnädigster Herr, «sprach sie,»Eure Leidenschaften reißen Euch zu einer höchst unwürdigen Sprache hin. Keines edelgeborenen Weibes Hand kann mit Gewalt vergeben werden.«—»Und es streitet gegen die Pflicht eines christlichen Fürsten, «fiel die Aebtissin ein,»den Wünschen einer frommen Seele zu widerstreben, die, der Sorgen und Verfolgungen der Welt müde, eine Braut des Himmels werden will.«—»Auch kann mein Vetter Orleans, «sprach Dunois,»keinen Vorschlag annehmen, gegen den die Dame sich so öffentlich erklärt hat.«—»Wäre mir vergönnt, «fiel Orleans ein, auf den die Schönheit Isabellens einen tiefen Eindruck gemacht hatte,»eine Zeitlang zu versuchen, meine Bewerbungen vor der Gräfin in einem günstigeren Lichte zu zeigen, so — «
«Herr Herzog von Orleans, «versetzte Isabelle, deren Festigkeit nun durch die Ermunterung verstärkt wurde, die sie von allen Seiten erhielt,»das würde Euch nichts helfen, denn ich bin fest entschlossen, diese Verbindung abzulehnen, wie weit sie auch über mein Verdienst geht.«—»Auch ich hab' nicht Zeit, «sprach Herzog Karl,»zu warten, bis diese Grillen sich mit dem Mondwechsel geändert haben werden, — Orleans, sie soll in dieser Stunde lernen, wie notwendig es für sie ist, Gehorsam zu lernen.«—»Aber nicht meinetwegen, Sire, «antwortete der Prinz, der wohl fühlte, daß er von dem Eigensinne des Herzogs nicht mit Ehren Vorteil ziehen konnte,»einmal offen und bestimmt abgewiesen zu werden, ist genug für einen Sohn Frankreichs. Er kann seine Bewerbung nicht weiter fortsetzen. «Der Herzog warf einen wütenden Blick auf Orleans, einen anderen auf Ludwig; und als er in dem Gesichte des letzteren trotz aller Anstrengung, seine Gefühle zu verbergen, einen Ausdruck geheimen Triumphes las, geriet er vor Wut außer sich.»Schreibt, «sagte er zu seinem Sekretär,»unser Urteil gegen dieses ungehorsame, freche Geschöpf nieder! Sie soll ins Zuchthaus zu den gemeinen Kreaturen, mit denen sie an Frechheit wetteifert.«
Da erhob sich ein allgemeines Murren.
«Herr Herzog, «sprach Graf Crevecoeur, indem er für die übrigen das Wort ergriff,»das muß reiflich bedacht werden. Wir, Eure getreuen Vasallen, können nicht zugeben, daß dem Adel und der Ritterschaft Burgunds solcher Schimpf angetan werde. Hat die Gräfin unrecht gehandelt, so mag sie bestraft werden, — aber auf eine Weise, die sich für ihren Rang und den unsrigen geziemt, die wir mit ihrem Hause durch Bande des Blutes und der Verwandtschaft verbunden sind.«
Der Herzog hielt einen Augenblick inne und sah seinem Ratgeber mit dem Blicke eines Stiers in das Gesicht, der, wenn ihn der Hirt von dem Wege treibt, den er gehen will, überlegt, ob er gehorchen oder auf den Hirten losstürmen und ihn in die Luft schleudern soll. Die Klugheit trug indessen über die Wut den Sieg davon. Er sah, daß die Stimmung in seinem Rate allgemein gegen ihn war, und fürchtete die Vorteile, die Ludwig daraus ziehen möchte, wenn er Uneinigkeit unter seinen Vasallen bemerkte; und wahrscheinlich, — denn er war eher von roher und heftiger denn von bösartiger Gemütsart, — schämte er sich selbst seines unehrenhaften Vorhabens.
«Ihr habt recht, Crevecoeur, «versetzte er,»ich war zu vorschnell. Ihr Schicksal soll nach den Regeln des Rittertums entschieden werden. Ihre Flucht nach Lüttich hat das Zeichen zur Ermordung des Bischofs gegeben. Wer diese Untat am ehesten rächt und uns das Haupt des wilden Ebers der Ardennen bringt, soll berechtigt sein, ihre Hand von uns zu fordern.«—»Wie?«sagte die Gräfin,»bedenkt, daß ich die Tochter des Grafen Reinhold, — Eures alten, treuen Dieners, — bin. Wollt Ihr mich als einen Preis aussetzen für den, der die beste Klinge führt?«—»Eure Ahnfrau, «entgegnete der Herzog,»ward in einem Turnier gewonnen, und um Euch soll in offener Feldschlacht gefochten werden. Nur soll, um Graf Reinholds willen, ob reich, ob arm, der Ritter, der den Preis sich holt, ein Edelmann von untadelhafter Geburt und fleckenlosem Wandel sein. Das schwöre ich bei dem heiligen Georg, bei meinem Fürstenhut und dem Orden, den ich trage!«
Die Einrede der Gräfin wurde durch den jubelnden Beifall übertäubt, der sich von allen Seiten erhob und mehr als alles dazu beitrug, das Blut des ungestümen Brausekopfes zu besänftigen.
«Sollen wir, denen das Schicksal schon Frauen gegeben hat, «sagte Crevecoeur,»müßige Zuschauer bei diesem Kampfe sein? Dies verträgt sich nicht mit meiner Ehre; denn ich habe selbst noch ein Gelübde zu lösen auf Kosten dieses Stück Viehes mit seinen Hauzähnen, des Keilers von der Mark.«—»Schlage nur immer drein, Crevecoeur!«sagte der Herzog,»gewinnst Du sie, und kannst sie nicht behalten, so gib sie, wenn Du willst — dem Grafen Stephan, Deinem Neffen.«—»Großen Dank, gnädigster Herr!«sagte Crevecoeur,»ich will mein Bestes tun, und sollte ich so glücklich sein, den Sieg davonzutragen, so mag Stephan seine Beredsamkeit gegen die Frau Aebtissin versuchen.«—»Die französische Ritterschaft, «sagte Dunois,»wird doch hoffentlich von diesem Kampfe nicht ausgeschlossen sein?«
«Behüte der Himmel, wackerer Dunois, «antwortete der Herzog,»und wäre es auch nur, um zu erproben, wie Ihr Euer Aeußerstes tun werdet. Aber, «setzte er hinzu,»obgleich ich nichts dawider habe, wenn sich die Gräfin Isabelle mit einem Franzosen vermählt, so wird es doch nötig sein, daß der künftige Graf von Croye ein burgundischer Untertan werde.«—»Genug, genug, «sagte Dunois,»ich will als Franzose leben und sterben. Aber wenn ich auch die Ländereien preisgebe, für die Dame versuche ich den Kampf.«—»Niemand denkt an mich, «sprach le Glorieux,»und doch bin ich gewiß, Euch allen den Preis vor der Nase wegzuschnappen.«—»Ganz recht, weiser Freund, «sagte Ludwig,»wo ein Weib im Spiele ist, dort ist der Narr immer am ehesten Hahn im Korbe!«
Wenige Tage waren vergangen, seit Ludwig die Nachricht erhalten hatte, sein Günstling und Ratgeber, Kardinal Balue, sitze in einem jener eisernen Käfige, die so eingerichtet waren, daß der arme Gefangene nur im Sitzen ruhen oder schlafen, sich also nicht ausstrecken konnte. Die vom Herzog verlangten Hilfstruppen waren angelangt; und ob er gleich das Unwürdige seiner Lage fühlte, daß er mit seinen edelsten Pairs unter den Fahnen seines eigenen Vasallen gegen ein Volk, dessen Sache er unterstützt hatte, ziehen sollte, ließ er sich doch durch diese Umstände vor der Hand nicht niederdrücken, in dem festen Vertrauen, daß die Zukunft ihn dafür reichlich entschädigen werde.
Mit solchen Empfindungen bestieg der König an einem schönen Tage in der letzten Hälfte des Erntemonats sein Pferd, und ohne sich darum zu kümmern, daß er eher jemand glich, der zum Triumphzuge eines Siegers gehört, als einem unabhängigen Fürsten, umgeben von seinen Garden und seiner Ritterschaft, ritt er aus dem gotischen Tore von Peronne, um zu dem burgundischen Heere zu stoßen, das zu gleicher Zeit seinen Zug gegen Lüttich begann.
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