»Das kam zur Sprache … Aber setz dich doch, mein lieber Julian. Es ermüdet mich, wenn du ständig hin und her läufst.«
Widerstrebend nahm Julian am Ende der Liege Platz und saß auf der Kante wie eine sprungbereite Katze.
»Und? Was hat er gesagt?«
Eutherius zögerte, antwortete dann aber mit einer müden Geste: »Der Kaiser sagte, er sei des Themas überdrüssig.«
Julian starrte ihn zornig an. Es kam selten vor, dass er seine Wut zeigte; stets bemühte er sich um Beherrschung, da er bei einem Mann, der Tugendhaftigkeit anstrebte, alles andere für unpassend hielt. Aber jetzt rief er aus: »Was? Ich habe Gallien von den Barbaren befreit, habe den Gaukönig in Ketten zu Constantius gesandt, habe ihm ganze Horden neuer Soldaten für seine Heere geschickt, und er ist meiner Siege überdrüssig?« Er sprang auf. »Bei den Göttern, Eutherius, du weißt, ich habe ihn nicht gebeten, mich zum Cäsar zu ernennen! Und welche Wahl hat er mir gelassen? Er hat mich mit einer ungenügenden Anzahl Soldaten und mit untüchtigen Heerführern hergeschickt! Nachdem ich trotz allem Erfolg habe, ist er meiner Siege überdrüssig?«
Eutherius betrachtete ihn mit seinen dunklen, geduldigen Augen, und als Julian endlich schwieg, erwiderte er sanft: »Komm schon, wieso überrascht dich das? Du kennst den Mann so gut wie irgendwer. Ich hatte erwogen, es dir gar nicht zu erzählen. Doch es ist sicherlich besser, wenn du es weißt und zu deinem Vorteil nutzt, als dass du dich Illusionen hingibst. Ich jedenfalls würde das vorziehen.«
Als Julian an ihm vorbeiwollte, ergriff Eutherius seinen Arm und zog ihn zurück auf die Liege. »Und was geht den Oberkämmerer und sein Beamtenheer die Sicherheit der Grenzen an? Jeder ist von Ehrgeiz getrieben – ein Umzug in besseres Quartier, eine Bestellung neuer Wandteppiche und Möbel, die Bereitstellung eines zusätzlichen Hausdieners oder einer Geliebten oder einer rehäugigen Dienerin. Das sind die Interessen bei Hof. Was sind dagegen schon die Grenzen?«
Julian schluckte kopfschüttelnd und musste gegen seinen Willen lächeln. Ich hatte mich schon gefragt, ob er es bereute, mich zum Bleiben aufgefordert zu haben. Jetzt wandte er sich mir zu.
»Siehst du nun, wie das ist, Drusus? Selbst meine Siege beargwöhnt der Kaiser. Und ich dachte, wenigstens die würden ihn freuen.«
»Nun, der Hof ist der Hof«, sagte Eutherius, »und der Kaiser ist der Kaiser. Aber hör zu: In jeder Stadt, durch die ich gereist bin, warst du in aller Munde. Die Leute sind deiner Siege nicht überdrüssig, und Constantius weiß das. Verstehst du nun, warum er verärgert ist?«
»Er stellt meine Erfolge als seine hin. Ist das nicht genug?«
»Ein Mann mag andere belügen; sich selbst kann er nicht täuschen. Constantius braucht einen eigenen Sieg. Ihm ist nicht daran gelegen, wenn der Mond die Sonne überstrahlt.«
Er lehnte sich zurück und trank von seinem gewürzten Wein. »Ich habe die Gelegenheit genutzt und mit ein paar alten Freunden gesprochen. Offenbar gibt es eine neue Interessengruppe, angeführt vom Oberkämmerer. Wie immer Constantius’ Ansicht aussieht – und wer kann das sagen? –, wir können jedenfalls sicher sein, dass der Oberkämmerer die Wahrheit über deinen Erfolg kennt, und das ist viel gefährlicher für uns.«
»Habe ich nicht getan, was von mir erwartet wurde?«
»Du warst noch nie ein Politiker, mein Lieber. Der Oberkämmerer hat dich nicht hierhergeschickt, damit du Erfolg hast, sondern damit du versagst. Und nun sieht er seine Pläne durchkreuzt. Er sieht, dass du populär wirst, ein Held in den Augen des Volkes, wogegen Constantius erlahmt und nichts erreicht.«
Aus seinem Stuhl neben dem Bücherregal fragte Oribasius: »Was können wir anderes tun? Sollen wir uns dem Oberkämmerer zu Gefallen besiegen lassen?«
Eutherius machte eine wegwerfende Geste. »Da liegt ja der Widerspruch«, sagte er. »Der Oberkämmerer glaubte einen unerfahrenen Studenten in den Tod zu schicken, stattdessen findet er einen siegreichen Feldherrn wieder. Er muss schäumen vor Wut. Und was Constantius betrifft … nun, jeder weiß, dass er Helden verabscheut.«

Zu Beginn des nächsten Frühjahrs erschien ein neuer Beamter in der Zitadelle. Er hieß Gaudentius, und es wurde das Gerücht in Umlauf gebracht – von wem, wurde nie klar –, dass er zum Personal des Präfekten gehöre. Allerdings sah ihn niemand je für ihn arbeiten; stattdessen hatte er die Angewohnheit, sich an Orten herumzutreiben, wo gewöhnliche Belange niemanden hinführten.
Es dauerte nicht lange, bis alle annahmen, Gaudentius spioniere in Florentius’ Auftrag. Trotzdem fiel es schwer, ihn ernst zu nehmen. Er stammte aus Dakien oder Thrakien und hatte auch das typische rötliche Haar, das über der Stirn bürstenartig abstand. Dies – zusammen mit seinen vorstehenden hellen Augen, den dicken Lippen und der Angewohnheit, mit offenem Mund zu atmen – ließ ihn wie eine Figur aus einer Komödie erscheinen. Von Witzen abgesehen hätte ich ihm nicht viel Beachtung geschenkt, hätte er nicht angefangen, Marcellus auf Schritt und Tritt zu folgen, ihn in Gängen und Höfen abzupassen und Vorwände zu finden, um ihn anzusprechen, als wären sie alte Freunde.
Marcellus, der Hinterlist nie auf Anhieb erkannte, glaubte einen Bewunderer gefunden zu haben. Ich lächelte über seine Arglosigkeit und ermahnte ihn, in Gaudentius’ Hörweite nichts zu äußern, was der Präfekt nicht erfahren sollte.
Zuerst hielt er mich wohl für übervorsichtig. Eines Tages aber, als wir zusammen zum Stall gingen, fragte er: »Hat Gaudentius kürzlich etwas zu dir gesagt?«
»Nein, nichts.« Lachend fügte ich hinzu: »Er hat nur Augen für dich.« Das war inzwischen ein ständiger Scherz zwischen uns.
Er gab mir einen Schubs. »Drusus, ich meine es ernst.«
»Also, nein. Er hat immerhin so viel Verstand, dass er merkt, dass ich ihn nicht leiden kann, und hält sich von mir fern. Aber warum? Was ist geschehen?«
»Er hat mir wieder Fragen über Julian gestellt. Nicht zum ersten Mal.«
Was er hatte wissen wollen, erkundigte ich mich.
Marcellus zog die Brauen zusammen. »Er fragt nicht gezielt, redet nur in Andeutungen und halben Sätzen … nichts, womit man ihn festnageln kann. Heute Morgen zum Beispiel kam er, um sich meine neue Stute anzusehen, behauptete er jedenfalls. Eine Zeit lang tat er interessiert, obwohl man rasch merkt, dass er von Pferden nichts versteht. Und plötzlich, noch während seines Geplappers, schaute er sich nach allen Seiten um, ob uns niemand belauscht. Dann senkte er die Stimme und fragte, ob ich von den Tribunen schon mal Klagen über Julian gehört hätte. Er wollte sogar wissen, ob du dich hin und wieder beschwerst.«
»Was hast du ihm geantwortet?«
»Dass er die Tribunen selbst fragen soll.«
Er blickte düster zum Himmel, wo von Westen her Wolken aufzogen. Zornig fuhr er sich durchs Haar. Er verabscheute List.
»Es wird heute noch regnen«, bemerkte er geistesabwesend, um dann fortzufahren: »Ich war wohl ziemlich schroff. Jedenfalls wurde er aufbrausend und sagte, er habe mir nur einen Gefallen tun wollen und dass Julian seinem Untergang entgegensteuere; deshalb solle ich lieber auf Abstand bleiben, wenn ich wisse, was für mich gut sei.«
»Ich habe ja gleich gesagt, dass er Florentius’ Günstling ist. Und was der über Julian denkt, ist offensichtlich, auch ohne einen Spion auf ihn anzusetzen.«
»Ja, du hattest recht, was Gaudentius betrifft. Jedenfalls wird er mich von nun an wohl in Ruhe lassen.«
Wir sprachen nicht weiter darüber, denn in dem Augenblick tauchte der junge Rufus, der Trompeter der Schwadron, mit einer geschmeidigen braunen Stute unter dem Bogen des Stallhofes auf. Er winkte und kam zu uns, und von da an drehte sich das Gespräch nur noch um Pferde.
Читать дальше