Die arabische Bevölkerung Palästinas hatte sich mit der Rückkehr der Juden seit langem vertraut gemacht und war bereit, mit ihnen in Frieden zu leben und an dem Fortschritt teilzuhaben, der nach einem Jahrtausend des Stillstands ins Land kam. Diese Menschen wollten nicht kämpfen. Sie wurden jedoch von Führern, die im Augenblick der Gefahr als erste die Flucht ergriffen, betrogen und irregeführt. Ihr Mut war der Fanatismus von Wahnsinnigen gewesen. Man hatte sie gegen die Juden aufgehetzt und ihnen Furcht vor einem militanten Zionismus eingejagt, den es nie gab. Die arabischen Führer hatten die Unwissenheit der breiten Massen für ihre eigenen durchsichtigen Zwecke ausgenützt.
Gewiß hatten manche der arabischen Armeen Kampfwert bewiesen. Man hatte ihnen leichte Siege, fette Beute und Frauen versprochen. Sie hatten an eine arabische Einheit geglaubt, die sich jedoch als trügerische Illusion gezeigt hatte. Ihren Führern war aber offenbar die »Sache« doch nicht so groß erschienen, als daß auch sie ihr Blut für sie zu opfern bereit gewesen wären.
An der jüdischen Bereitschaft, für Israel zu sterben, konnte es hingegen niemals Zweifel geben. Am Ende hatten die Juden unter Opfern an Blut und Eigentum das erkämpfen müssen, was ihnen schon vorher rechtmäßig gehörte und vom Gewissen der Welt gegeben worden war.
Von nun an sollte die Fahne mit dem Davidstern, der zweitausend Jahre hindurch nicht gezeigt werden konnte, wieder wehen, von Elath bis Metulla, um nie mehr herabgeholt zu werden.
Zu den Folgen des Freiheitskrieges gehörte eine der meist diskutierten und strittigsten Fragen des Jahrhunderts: das arabische Flüchtlingsproblem. Mehr als eine halbe Million der in Palästina ansässigen Araber waren in die angrenzenden arabischen Staaten geflohen. Jede sachliche Erörterung der Situation dieser Menschen ging in einem wilden Streit der Meinungen unter, in Anklagen und Diskriminierungen, in Verwirrung und Nationalismus. Die Entstellung des Sachverhalts nahm derartige Formen an, daß die Angelegenheit schließlich zu einem bedrohlichen politischen Zündstoff wurde.
Wieder einmal erging an Barak ben Kanaan die Aufforderung, seine Kräfte in den Dienst seines Landes zu stellen. Die Regierung von Israel forderte ihn auf, eine ausführliche Darstellung dieser anscheinend hoffnungslos verwickelten Situation zu geben. Er untersuchte die Sache mit größter Gründlichkeit, und sein Bericht über das Ergebnis seiner Ermittlungen füllte mehrere hundert Seiten.
FÜNFTES BUCH
MIT FLÜGELN WIE ADLER
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.
JESAJA
I.
Der gesamte Maschinenpark der Arctic Circle Airways in Nome, Alaska, bestand aus drei ausrangierten Transportmaschinen der U.S. Army, die Stretch Thompson auf Kredit gekauft hatte.
Stretch war während des Krieges als Soldat in Alaska gewesen. Er galt als ein junger Mann, dessen Phantasie unerschöpflich war, wenn es sich darum handelte, Mittel und Wege zu finden, um sich vor ehrlicher Arbeit zu drücken. Die Nächte in Alaska waren lang, und Stretch Thompson hatte viel Zeit, nachzudenken. Die meiste Zeit dachte er darüber nach, wie man den ungenutzten Reichtum von Alaska ausbeuten könne, ohne zu arbeiten. Je länger die Nächte wurden, desto eifriger dachte Stretch nach. Eines Nachts hatte er es: Krebse.
An der ganzen Küste von Alaska wimmelte es von Königskrebsen, die bisher noch niemand in ihrer Ruhe gestört hatte. Es waren Tiere, die teilweise einen Durchmesser von dreißig bis vierzig Zentimetern erreichten. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn man das amerikanische Publikum mit ein bißchen Unternehmungsgeist nicht dazu bringen konnte, sich nach diesen Krebsen die Finger zu lecken. Innerhalb eines Jahres würde er daraus eine ebenso begehrte Delikatesse machen wie Hummer, Schildkröten oder Muscheln. Man konnte die riesigen Schalentiere in Eis verpackt per Flugzeug in die Vereinigten Staaten bringen. Eifrige Einzelhändler würden ihm die Ware aus den Händen reißen. Er würde reich werden, reich und berühmt: Stretch Thompson, der Königskrebsekönig.
Die Sache klappte nicht ganz so, wie Stretch sie sich gedacht hatte. Offenbar war die menschliche Rasse noch nicht genügend entwickelt, um den richtigen Sinn für seine Krebse zu haben. Die Kosten für ein Flugzeug, das Benzin und den Piloten schienen immer etwas mehr auszumachen als das, was er an den Krebsen verdiente. Aber Stretch war kein Mann, der die Flinte ins Korn warf. Mit geschickter Buchführung und kesser Schnauze verstand er es, sich seine Gläubiger vom Halse zu halten. Er war nun einmal Inhaber einer Airline, und er blieb es auch. Irgendwie gelang es ihm, die drei Maschinen der Arctic Circle in Gang zu halten. Jedesmal, wenn ihm das Wasser bis an den Hals stieg, kam irgendeine gutbezahlte Fracht, die ihn über die Runden brachte.
Der einzige dauerhafte Aktivposten in Stretch Thompsons Rechnung war sein erster und gelegentlich einziger Pilot, Fester J. MacWilliams, genannt »Tex« — weil er aus Texas war. Foster J. war, wie Stretch es ausdrückte, »der verdammt beste Chefpilot, den irgendeine verdammte Fluglinie jemals gehabt hatte«. Der Ruf, der Foster J. MacWilliams vorausging, war ungewöhnlich. Niemand in Nome hatte Lust, mit ihm darüber zu wetten, daß er mit einer C-47 im dicksten Schneesturm auf dem schmalen Ende eines Eisberges nicht landen könne, dazu in betrunkenem Zustand. Tatsächlich hatte Stretch mehrmals versucht, genügend Leute zusammenzubekommen, die dagegen hielten, damit sich die Sache auch lohne; aber irgendwie kam immer irgend etwas dazwischen — entweder ließ der Schneesturm nach, oder es gelang Foster nicht, richtig besoffen zu werden.
MacWilliams war ein Vagabund. Und er war ein begeisterter Flieger. Er hatte nichts für zahme Sachen übrig, etwa mit erstklassigen Maschinen nach festem Fahrplan bestimmte Strecken abzufliegen. Viel zu langweilig. Ihm machte es nur Spaß, wenn ein Risiko dabei war, und in diesem Punkt kam er bei der Arctic Circle auf seine Kosten.
Eines Tages kam er in die Bretterbude am Ende der Rollbahn, die gleichzeitig das Büro, die Flugleitung und die Wohnung von Stretch Thompson darstellte.
»Tag, Stretch«, sagte er. »Eine Saukälte heute mal wieder.«
Stretch saß da und machte ein Gesicht wie eine Katze, die eben den Kanarienvogel der Familie gefressen hat. »Hättest du nicht Lust, Foster«, sagte er, »deine Tätigkeit in ein wärmeres Klima zu verlegen und deine gesamte Löhnung auf einmal ausgezahlt zu bekommen?«
»Laß deine unangebrachten Witze.«
»Nein, Tex, ganz im Ernst. Du ahnst es nicht —.«
»Was denn?«
»Rate mal.«
Foster zuckte die Schultern. »Du hast den Laden verkauft.«
»So ist es.«
Bester blieb der Mund offenstehen. »Und wem hast du die Klamotten angedreht?«
»Ich habe die Leute nicht nach ihrem Lebenslauf gefragt. Ich stellte fest, ihr Geld war gut — und das genügte mir, sagte das Mädchen.« »Ich werd' verrückt. Aber das ist prima, Stretch, denn die Sache hier oben wurde mir allmählich sowieso langweilig. Was meinst du denn, wieviel du mir schuldest?«
»Mit der Zulage, die ich dir gebe, ungefähr viertausend.«
Fester J. MacWilliams stieß einen leisen Pfiff aus. »Das reicht für eine Menge Schnaps, genug, um auf der ganzen Reise bis nach Südamerika nicht einmal nüchtern zu werden. Das ist nämlich meine nächste Station, Stretch. Ich will bei einer von diesen südamerikanischen Firmen anheuern. Wie ich höre, bezahlen die einem schweres bares Geld, wenn man Dynamit über die Anden schaukelt.«
»Die Sache hat allerdings einen Haken«, sagte Stretch.
»Hatte ich mir beinah schon gedacht.«
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