Armageddon, die Suche nach Eden
Band 11
Exodus
© 2013 Begedia Verlag
© 2013 Ben B. Black
ISBN: 978-3-95777-023-3 (epub)
Idee und Exposé: D. J. Franzen
Umschlagbild: Lothar Bauer
Layout und Satz: Begedia Verlag
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Nachdem die Pilger die Suite 12/26 erfolgreich evakuieren konnten, trennen sich ihre Wege. Ein Teil der Gruppe unter Sandra will den Major und seine Armee unter Beobachtung halten. Die restlichen Pilger sollen sich mit dieser Rückendeckung nach Süden durchschlagen.
Doch die Gruppe der Pilger fährt im Kreis, da alle Straßen weitgehend blockiert sind und große Herden Stinker wie Zugvögel nach Süden wandern. Auch die Wächter müssen sich vor den immer weiter ausholenden Patroullien der Armee des Majors zurückziehen und treffen schließlich wieder auf die anderen Pilger. Da es auf Dauer zu gefährlich wäre, an einem Ort in der Nähe der Arme des Majors zu bleiben, beschließen sie erneut, einen Versuch zu wagen, um nach Süden zu gelangen. Auch wenn es keiner zugeben mag, drückt diese Entscheidung doch auf ihre Stimmung.
Denn so, wie einst das Volk Israel Ägypten verließ, machen auch sie sich auf den Weg, um eine neue Heimat zu finden.
Es ist für sie der große …
... Exodus
Neue Ziele
Das Heulen des Windes klang wie der mehrstimmige Gesang von Dämonen. Ich war mir in diesem Moment ziemlich sicher, in meinem ganzen Leben niemals etwas Schauerlicheres gehört zu haben als das. Dieser stetig auf- und abschwellende Ton zehrte an meinen Nerven.
Beinahe hätte ich trocken aufgelacht, konnte mich aber im letzten Moment gerade noch zusammenreißen. Welche Nerven denn? Besaß ich so etwas überhaupt noch? Zumindest Schmerz war für mich nicht mehr wirklich existent – dumpfe Empfindungen schon, aber eben nicht mehr. Gut, okay, da gab es noch die Nerven im übertragenen Sinne, aber auch bei denen war ich mir beileibe nicht sicher, ob ich davon noch welche besaß. Zwar spürte ich eine kalte Wut in mir, die mehr oder weniger zu meinem ständigen Begleiter geworden war, aber so richtig aus der Fassung bringen konnte mich nichts mehr.
Zum Glück bot mein untoter Körper mir auch ein paar Vorteile, sonst hätte ich inzwischen vermutlich längst alles darangesetzt, mich vollends vom Leben zum Tod zu befördern. Unter anderem machte mir die Kälte nichts aus, die meine Begleiter schlottern ließ. Und er machte mich nahezu unsterblich – zumindest solange keine essenziellen Teile davon beschädigt wurden.
Mist, da war es wieder! In welchen Bahnen dachte ich denn inzwischen? »beschädigt«, was für ein Wort im Zusammenhang mit etwas, das eigentlich ein Mensch hätte sein sollen! Wäre »verletzt« in dem Fall nicht deutlich angebrachter? Nein, vermutlich nicht, denn Verletzungen konnten heilen, Beschädigungen mussten hingegen repariert werden.
»Ich gehe mich mal draußen umsehen«, erklärte ich. »Vielleicht kann ich abschätzen, bis wann der Schneesturm, der uns hier festnagelt, endlich nachlässt.«
Ich wartete erst gar nicht auf eine Antwort, sondern ging bereits bei den letzten Worten auf die klapprige Tür zu, die unseren Unterschlupf mit dem derzeit so ungastlichen Draußen verband. Ich musste einfach für ein paar Minuten aus dieser Enge heraus, die mir plötzlich den Atem zu rauben drohte, den ich ohnehin nicht mehr wirklich brauchte. Vielleicht würde ich ein paar klare Gedanken fassen können, wenn mir der Sturm ordentlich um die Nase wehte, sozusagen das Gehirn frei pustete. Einen Versuch war es zumindest wert.
***
»Was will sie draußen?«, fragte Mareike leise, nachdem sich die Tür der kleinen Hütte hinter Sandra geschlossen hatte. »Sie wirkte irgendwie – wie soll ich sagen? - deprimiert.«
»Ich habe keine Ahnung«, gab Thilo ebenso leise zurück. »Vermutlich möchte sie einfach eine Weile alleine sein, denn dass sie nach dem Wetter sehen will, halte ich für einen vorgeschobenen Grund.«
»Du hast es also auch gesehen?«
»Was meinst du?«
»Na, diesen merkwürdigen Blick in ihren Augen. Denkst du, sie tut sich etwas an?«
»Nein, das glaube ich nicht.« Thilo schüttelte entschieden den Kopf. »Sandra ist stark, auch wenn sie immer wieder an sich zweifelt. Vermutlich ist sie sogar deutlich stärker als sie selbst glaubt. Und sie hat geschworen, die Pilger sicher nach Eden zu bringen.«
»So wird es wohl sein.« Mareike zwang sich zu einem Lächeln. »Und auch nach diesem Sturm wird irgendwann wieder die Sonne scheinen, so war es bisher jedenfalls immer.«
Sie blickte sich in der Hütte um, obwohl es eigentlich nichts zu sehen gab. Neben ihr und Thilo hielten sich hier noch Erich, Marion, Lemmy, Belinda, und Bernhard auf, alle, so gut es ging, in Decken gehüllt, um der Kälte zu trotzen.
Nachdem der neuerliche Sturm eingesetzt hatte, waren sie mehr durch Zufall über diese Hütte gestolpert, die wohl zu früheren Zeiten Waldarbeitern als Unterschlupf gedient hatte, wenn diese von schlechtem Wetter überrascht wurden. Hier drin gab es nichts außer ein paar roh gezimmerter Bänke. Selbst das Schloss, dass die Tür gesichert hatte, war primitiv und für Bernhards Fähigkeiten noch nicht einmal ansatzweise eine Herausforderung gewesen.
Aber gut, sie wollten sich hier ja auch nicht häuslich niederlassen, sondern nur das Ende des Sturms abwarten, um dann weiter Richtung Süden zu gehen, nach Eden, ihrem eigentlichen Ziel.
»Hey, nicht einschlafen!« Thilo rüttelte Mareike sanft an der Schulter. »Wenn du einschläfst, besteht die Gefahr, dass du erfrierst, und das willst du mir wohl nicht antun, oder? Außerdem wird das Heulen des Windes leiser, ich denke, wir haben es bald überstanden.«
In diesem Moment flog die Tür der Hütte krachend auf, und Sandra stürmte herein. »Nicht mehr lange, dann können wir endlich wieder aufbrechen. Allerdings gibt es eine kleine Planänderung!«
***
Vielleicht hätte ich doch nicht ganz so brachial in die Hütte zurückkehren sollen, denn in den Gesichtern, die sich mir bei meinem Eintreten ruckartig zuwandten, spiegelte sich Erschrecken und teilweise auch ein kleines bisschen Angst wider. Aber der Gedanke, der mir draußen gekommen war, hatte mich dermaßen überwältigt, dass ich für einen Moment nicht mehr daran gedacht hatte, die Kräfte meines untoten Körpers zu zügeln.
»Nun schaut nicht so.« Ich versuchte ein Grinsen, was mir aber den Reaktionen der anderen zufolge nicht sonderlich überzeugend gelang. »Es ist doch eine gute Nachricht, dass wir bald weiter können, oder nicht?«
»Was für eine Planänderung?«, brummte Lemmy, und es klang nicht eben begeistert. »Paar Details musste uns schon verraten tun, sonst is’ nix mit Freudentanz und so.«
»Wir haben einen großen Fehler begangen«, eröffnete ich.
»Welchen von den vielen Fehlern der letzten Zeit meinst du?« Marion sah mich mit einem schwer zu deutenden Blick an. »Von denen hatte doch jeder für sich ein besonderes Format. War da tatsächlich einer darunter, der noch größer als seine Kollegen war?«
»Wo’se recht hat, hat’se recht«, knurrte Lemmy. »Verdammpt viele Haufen Scheiße, was’wa die letzten Wochen und Monate erlebt haben. Kann mich nich’ erinnern, dass einer davon deutlich mehr gestunken hätte als die anderen, war ja auch irgendwie kaum möglich …«
Zorn wallte in mir hoch. Konnten oder wollten sie mich nicht verstehen? Ihre ablehnende Art, für die ich ja noch ein Stück weit Verständnis aufbringen konnte, gepaart mit einer gewissen Lethargie und Gleichgültigkeit machte mich rasend.
Nur mit Mühe brachte ich meine Gefühle wieder unter Kontrolle. So ruhig und sachlich, wie es mir in diesem Moment möglich war, fuhr ich schließlich fort: »Ich weiß zwar nicht, was ihr alles als Fehler anseht, mir geht es jedenfalls um die Tatsache, dass wir uns zu weit von der Armee des Majors entfernt haben. Wie Hühner auf der Flucht haben wir die Beine in die Hand genommen und sind aufs Geratewohl in Richtung Eden losgetappt. Das war ein Riesenfehler.«
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