Ben B. Black - Herbst

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In Bonn herrscht das absolute Chaos. Die Zombies dringen in die Stadt ein, die Sirenen singen und Gabriel genießt die Kakophonie aus Leid, Schmerz und Tod. Der Untergang der Stadt ist nur noch eine Frage der Zeit. Die Pilger sind voneinander getrennt, jeder kämpft um das nackte Überleben. Eine Flucht aus der sterbenden Stadt wäre möglich, doch wohin sollen sich die Überlebenden wenden?
Auf den Frühling, mit dem das Grauen über der Menschheit erwachte, folgte ein Sommer des Todes. Und jetzt, wo die die Pilger nach Eden in höchster Gefahr sind, ist der Winter schon nah, denn es ist.
. Herbst

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Armageddon, die Suche nach Eden

Band 5

Herbst

© 2012 Begedia Verlag

© 2012 Ben B. Black

ISBN: 978-3-943795-30-1 (epub)

Idee und Exposé: D. J. Franzen

Umschlagbild: Lothar Bauer

Layout und Satz: Begedia Verlag

Kapitel I

Perspektiven

Das Wetter war herrlich. Martin fläzte sich auf eine Wiese und genoss die wärmenden Strahlen der Sonne auf seinem freien Oberkörper. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah auf einem Grashalm kauend den Schäfchenwolken beim Vorbeitreiben zu.

In den nahen Bäumen sangen Vögel, und eine sanfte Brise ließ die Blätter leise rascheln. Am Ufer des nicht weit entfernten Sees flanierten Menschen, die sich angeregt miteinander unterhielten. Immer wieder war fröhliches Lachen zu hören, und die Geräusche spielender Kinder ritten auf dem leichten Wind vom nahegelegenen Spielplatz zu Martin herüber.

Plötzlich wurde er von etwas angestupst. Martin hob den Kopf und sah, dass ein Ball gegen seine Seite gerollt war, und zwei Mädchen, die vielleicht sechs oder sieben Jahre alt sein mochten, auf ihn zuliefen.

»Na, ihre beiden?« Martin grinste. »Wer von euch hat denn den Ball nicht fangen können, hm?«

Die Mädchen blieben vor ihm stehen und begannen zu kichern.

»Das war Susi«, erklärte eines von ihnen schließlich und zeigte dabei auf seine Spielkameradin. »Vielleicht habe ich aber auch ein wenig zu fest geworfen.«

»Das wird schon noch mit dem Werfen und Fangen.« Martins Gesicht nahm einen zuversichtlichen Ausdruck an. »Als ich so alt war wie ihr, musste ich das auch noch üben.«

»Bekommen wir jetzt unseren Ball bitte wieder?«, fragte Susi schüchtern. »Wir versprechen auch, künftig besser aufzupassen.«

»Kein Problem, es ist ja nichts passiert«, erwiderte Martin, während er dem Mädchen den Ball zurollte. »Ich finde es schön, wenn ihr miteinander spielt.«

»Danke«, sagten Susi und das andere Mädchen gleichzeitig, dann sausten sie auch schon wieder davon.

Martin sah ihnen hinterher, bis seine Aufmerksamkeit von einer Passantin in der Nähe des Seeufers auf sich gezogen wurde. Unwillkürlich richtete er sich auf. Konnte das sein?

Die Passantin schien ihn jetzt ebenfalls entdeckt zu haben und kam auf ihn zu.

»Sie ist es«, murmelte Martin. »Sie ist es tatsächlich!«

Er erhob sich und winkte der jungen Frau zu. »Karin! Wie ich mich freue, dich zu sehen. Wie lange ist es her?«

Etwas durchzuckte Martins Geist. Karin? War die nicht …? Er schüttelte sich, um diesen merkwürdigen und unangenehmen Gedanken, der da eben in ihm aufgeblitzt war, wieder zu vertreiben.

Die junge Frau öffnete den Mund und bewegte ihn, als würde sie sprechen, aber es kam kein einziger Ton daraus hervor.

»Ha, ha, sehr witzig, Schatz.« Martin feixte. »Ich habe doch gar keine Ohrhörer auf. Du kannst also ruhig normal mit mir reden.«

Doch Karin reagierte anders, als er es erwartet hatte. Statt mit ihm gemeinsam über den kleinen Spaß zu lachen, schien sie ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Ihre Augen bekamen einen ängstlichen, fast panischen Ausdruck, und sie begann zu gestikulieren.

»Was ist denn los, Karin? Was willst du mir sagen? Also wenn du mir Angst machen willst, dann hast du es fast geschafft.«

Noch einmal gab sich die junge Frau alle Mühe, sich Martin verständlich zu machen, doch als es gerade den Anschein hatte, es würde ihr gelingen, fiel ein Schatten auf das bis dahin friedliche und sonnendurchflutete Land.

Martin sah erschrocken auf, und der Schatten biss sich in das zarte Fleisch seiner Seele, riss gierig große Stücke aus dem hellen und freundlichen Licht über dem Land heraus. Überall dort, wo die Dunkelheit sich breitmachte, verdorrte das Grün, zerfielen die Menschen zu Staub, und das Dunkel ließ nur Hoffnungslosigkeit, Angst und Verzweiflung zurück.

Martin wollte fliehen, doch etwas hielt ihn auf der Stelle fest, zwang ihn, den Untergang des Friedens mit anzusehen. Mehr und mehr wurden die freundlichen Bilder durch solche des Schreckens und des Todes abgelöst.

Flüssiges Eis schien durch Martins Adern zu rinnen, als er erkannte, jetzt Zeuge davon zu sein, wie Bonn von einer Armee des Grauens eingenommen wurde, deren Soldaten keine Gnade kannten, sondern nur die Gier nach warmem, lebendem Fleisch.

***

Stephan rappelte sich hoch. Der Schrei Starks, den dieser ausgestoßen hatte, als die anrückenden Zombies über den Geistlichen hergefallen waren, hallte immer noch in Stephans Ohren nach. Kurz kämpfte er mit der aufkommenden Übelkeit, dann hatte er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle und sah zu, dass er sich weiter Richtung Stadtmitte zurückzog. Sein Auftrag war noch nicht erledigt, dies war erst der Anfang, und er wollte eigentlich gar nicht so genau wissen, was noch alles folgen würde.

»Gottverdammte Freaks!«, fluchte Stephan. »Ich hätte gute Lust, euch allen höchstpersönlich eure hässlichen Schädel einzuschlagen, würde ich euch nicht noch brauchen.«

Ihm war klar, dass er sich mit diesen markigen Worten nur selbst Mut machte, denn zum einen hatte er seinen Baseballschläger nicht bei sich, zum anderen würde er von der schieren Masse der Untoten im Zweifelsfall einfach erdrückt werden, selbst wenn er zuvor noch so vielen von ihnen die stinkende, schleimige Hirnmasse aus den Köpfen drosch.

Nach etwa fünfzig Metern hielt er keuchend in einem Hauseingange inne. Die Zombies rückten nur langsam nach. Stephan war versucht, sie durch Winken und Rufen auf sich aufmerksam zu machen, als eine Gruppe Soldaten aus der nächsten Querstraße kam und ohne Vorwarnung das Feuer auf die Untoten eröffnete.

»Verdammte Scheiße!« Stephan zog erschrocken den Kopf ein, als ein Querschläger um Haaresbreite an seinem Ohr vorbeisirrte. »Das nennt man wohl ›friendly fire‹, aber darauf habe ich keinen Bock. Die Arschlöcher sollten besser aufpassen, wo sie hinzielen!«

Doch die »Arschlöcher« hatten ganz andere Sorgen, denn der Strom der Untoten hatte wieder Fahrt aufgenommen und bewegte sich, so schnell es die angefaulten Beine vermochten, auf sie zu. Das ständige Schmatzen, Kreischen, Röhren, Klappern und Grunzen, das dabei zu hören war, raubte Stephan beinahe den letzten Nerv, und er musste erneut darum kämpfen, seinen rebellierenden Magen unter Kontrolle zu halten.

»Verdammt, was ist mit mir los?« Keuchend stützte er sich an der Haustür ab. »Sonst bin ich doch auch nicht so zimperlich. Das liegt bestimmt am ›Transport‹ hierher. Martin, du Arsch, du wirst dir was anhören müssen, wenn ich wieder bei dir bin.«

Dann hatten die Zombies die Soldaten erreicht. Denen war es zwischenzeitlich zwar gelungen, mindestens eine dreistellige Zahl der Untoten endgültig vom Nicht-Leben zum Tod zu befördern, aber der Zustrom neuer gieriger Mäuler schien kein Ende zu kennen.

Dem ersten der Soldaten wurde das leergeschossene Gewehr aus den Händen gerungen, während sich bereits mehrere faulige Kiefer in dessen Arme und Beine verbissen. Fast im selben Moment starben zwei seiner Kameraden unter entsetzlichen Schreien, von denen einer noch versucht hatte, ein hölzernes Kreuz hervorzuholen und es den Zombies entgegenzurecken.

»Das sind keine Vampire, du Idi«, kommentierte Stephan die Szene, dann machte er sich daran, sich unbemerkt weiter Richtung Stadtmitte abzusetzen.

***

Martins materieller Körper warf sich schweißgebadet auf seiner Lagerstatt hin und her. Immer wieder ging ein Beben durch seine Glieder, und seine Gesichtszüge verkrampften sich zu Fratzen der Abscheu. Er biss die Zähne aufeinander, bis sie knirschten. Ein klägliches Wimmern entschlüpfte seiner Kehle und wand sich zwischen den zusammengepressten Kiefern hervor.

Noch einmal ging ein Ruck durch den ausgemergelten Leib, dann lag er still. Rasselnde Atemzüge sogen gierig die muffige Luft der Gefängniszelle in die Lungen. Langsam beruhigte sich auch der Herzschlag, der bis eben ein wahres Trommelfeuer gewesen war.

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