Sir Johns Banner war jetzt auf der rechten Seite zu sehen, und ganz in der Nähe flatterten Sir William Porters drei Glocken. Hook rief seinen Männern zu, dass sie ihm folgen sollten, und rannte zum Wassergraben. Als er hineinstieg, trat er als Erstes auf die Leiche eines Mannes in Plattenrüstung. Ein Armbrustbolzen hatte die Kettenhaube des Mannes durchbohrt und ein blutiges Loch in seine Kehle gerissen. Irgendwer hatte dem Toten schon das Schwert und den Helm genommen. Hook überwand die schwankenden Holzbündel und zog sich auf der anderen Seite, über der dichter Rauch lag, aus dem Wassergraben. Er schoss drei Pfeile ab, dann legte er seinen letzten über den Bogenschaft. Die Flammen loderten nun hoch aus den zerborstenen Balken der Barbakane, und diese Feuer, deren Rauch den Verteidigern die Sicht hatte rauben sollen, wurde nun zu einem Hindernis für die Angreifer. Pfeile zischten über Hooks Kopf, was bedeutete, dass die Knappen endlich neue Vorräte herbeigeschafft hatten, doch Hook wollte nur noch vorrücken, deshalb ging er nicht zurück, um seine Pfeiltasche aufzufüllen. Er hastete nach rechts, lief um Leichen herum und achtete nicht auf die Armbrustbolzen, die um ihn herum niedergingen. Er sah Sir John schwankend oben auf einem der eisenbeschlagenen Balken hocken, von wo er zu den französischen Männern hinaufstarrte, die Schmähungen zu den Angreifern hinunterriefen. Einer der Verteidiger tauchte kurz hinter der Brustwehr auf und wuchtete einen Steinbrocken über seinen Kopf, um ihn auf Sir John zu schleudern. Hook hielt inne, spannte die Sehne, gab sie frei, und sein Pfeil traf den Mann in die Achselhöhle, sodass er sich langsam um sich selbst drehte und dann rücklings außer Sicht kippte.
Eine Bö von Osten vertrieb den Rauch von der rechten Seite der Barbakane. Hook entdeckte eine Öffnung. Es war eine kleine Aushöhlung in dem halb zusammengerutschten Turm, der die seewärts gerichtete Seite verteidigt hatte. Er hängte sich den Bogen über den Rücken und nahm die Kampfaxt aus dem Riemen. Während er rannte, schrie er Unzusammenhängendes und sprang an der Vorderseite der Barbakane hoch. Mit dem Fuß suchte er Halt zwischen steil aufragenden Balkentrümmern und rieselndem Erdwerk. Von der rechten Seite des Vorwerks aus konnte er den südlichen Teil von Harfleur mit dem Hafen sehen. Die Verteidiger auf der Stadtmauer konnten ihn ebenso gut sehen, doch als ihre Armbrustbolzen in die Barbakane einschlugen, hatte sich Hook schon in die Aushöhlung gerollt, die nur ein Sims aus Erdwerk war, das von zerborstenen Balken geschützt wurde. Hook konnte sich kaum um sich selbst drehen, denn er hatte kaum mehr Platz als ein wilder Hund in seinem Unterschlupf. Die Armbrustbolzen jagten zischend vor seiner engen Zuflucht vorbei. Er hörte die Schreie von Männern, und es erschien ihm so, als seien die Schreie der Franzosen lauter, und das war ein Hinweis darauf, dass sie den Kampf zu gewinnen glaubten. Er beugte sich leicht vor, um festzustellen, wo Sir John war, doch im selben Moment trieb der Wind eine dicke Wolke heran, die Hooks Adlerhorst einhüllte.
Was er dennoch erkennen konnte, waren rechts von ihm, in Richtung der Vorderseite der Barbakane, drei der Metallreifen, mit denen die gewaltigen Baumstämme zusammengehalten wurden. Diese Reifen, so fand er, lagen wie Leiterstufen übereinander. Der Rauch verhüllte ihn gnädig, und so sprang er mit einem Satz hinüber und hielt sich mit der Linken an dem Stamm fest, während er mit dem Fuß einen schmalen Halt auf einem der Eisenringe fand. Dann hob er die Kampfaxt über den Kopf, hakte sie im nächsten Ring ein und zog sich daran hinauf und noch weiter hinauf, und schon war er beinahe ganz oben, und die Franzosen hatten ihn nicht entdeckt, wegen des Rauchs und weil sie die johlende Masse von Engländern beobachteten, die an der weniger abschüssigen Mitte der Barbakane emporzuklettern versuchten. Bolzen, Steine und Balkenstücke regneten auf sie hinunter, während zur Antwort englische Pfeile durch den Rauch sirrten.
«Hook!», brüllte eine Stimme hinter ihm. «Hook, du Bastard! Zieh mich hoch!»
Es war Sir John Cornewaille. Hook streckte ihm die Kampfaxt entgegen, sodass er sich an ihrem Kopf festhalten konnte, und zog ihn dann auf die Balken.
«Du rückst nicht schneller vor als ich, Hook», knurrte Sir John. «Und außerdem, was hast du überhaupt hier verloren? Du solltest die Bastarde mit deinen Pfeilen aufspießen!»
«Ich wollte wissen, wie es auf der anderen Seite dieser Ruine aussieht», sagte Hook. Flammen leckten an den Balken empor und hatten schon fast Sir Johns Füße erreicht.
«Du wolltest wissen ...», fing Sir John an und lachte dann laut auf. «Ich werde hier geröstet, verdammt. Zieh mich höher rauf.»Hook zog Sir John mit der Kampfaxt bis ganz oben auf die Balken. Die beiden saßen wie Fliegen auf einer angebrochenen, brennenden Säule, sie hockten inzwischen direkt unter der eilig instandgesetzten Brustwehr der Barbakane, waren aber von den Verteidigern noch nicht entdeckt worden. «Beim Allmächtigen und all seinen pissesaufenden Heiligen, das wäre nicht der schlechteste Ort zum Sterben», sagte Sir John und zog seine Kampfaxt an ihrer Lederschlaufe von der Schulter. «Und was ist mit dir? Wirst du mit mir sterben, Hook?»
«Sieht ganz danach aus, Sir John.»
«Guter Mann. Schieb mich zuerst hoch, dann kommst du nach, lass uns gut sterben, Hook, lass uns sehr gut sterben.»
Hook packte Sir John hinten am Schwertgürtel, und nach einem bestätigenden Nicken begann er zu schieben. Sir John verschwand nach oben, stolperte über die Brustwehr und stieß seinen Kampfruf aus. «Harry und Sankt Georg!»Und Hook folgte für Harry, Sankt Georg und Sankt Crispinian.
Und schrie.
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Du wirst hier nicht sterben», sagte Sankt Crispinian. Hook konnte die Stimme kaum hören, denn er brüllte teils aus Angst und teils in einem überwältigenden Rausch einen ohrenbetäubenden Kriegsruf.
Hook und Sir John hatten die Plattform auf der Spitze der Barbakane erreicht. Die englischen Kanonensteine hatten die Vorderseite der Bastion schwer beschädigt, sodass Erdwerk und Geröll abgerutscht waren, und was einmal die Kampfplattform gewesen war, bestand nun lediglich aus einer grob geglätteten Fläche. Die rückwärtige Seite der Barbakane, die zum Leure-Tor hin ausgerichtet war, hatte wesentlich geringere Schäden davongetragen, und die hoch aufragenden Balken wirkten wie ein Schild, der den Verteidigern auf der Stadtmauer von Harfleur die Sicht auf die Geschehnisse im Bereich der Plattform nahm. Überall lagen Erdhaufen, Steine und brennende Balken, um die sich Armbrustschützen und Feldkämpfer drängten. Hook und Sir John waren von ihrer linken Flanke gekommen, und nun griff Sir John an wie ein Racheengel.
Er war schnell. Deshalb war er auch der gefürchtetste Turnierkämpfer der Christenheit. In der Zeit, die ein Mann brauchte, um einen Hieb niederfahren zu lassen, führte Sir John zwei aus. Hook bemerkte das, weil sich für ihn die Zeit verlangsamt zu haben schien. Er bewegte sich an Sir Johns rechte Seite, und dabei ging ihm plötzlich auf, dass Sankt Crispinian sein Schweigen gebrochen hatte, und eine Welle der Erleichterung überflutete ihn. Sankt Crispinian war immer noch sein Schutzpatron! Hook stieß mit der Spitze seiner Kampfaxt zu, während Sir John seine zweischneidige Axt zu kurzen, schnell ausgeführten Hieben einsetzte. Der erste zerschmetterte den metallenen Knieschutz eines Feldkämpfers, der zweite, ein Rundumhieb, riss einem Armbrustschützen den Bauch auf, und der dritte fällte den Mann, dessen Knie er zuvor gebrochen hatte. Ein anderer Feldkämpfer wollte Sir John mit dem Schwert angreifen, doch Hooks Kampfaxt bohrte sich in seine Seite, durchstieß den Rand seines Brustpanzers und ließ ihn auf den Mann taumeln, der hinter ihm stand. Hook stemmte sich weiter gegen die Kampfaxt, trieb den Mann noch weiter zurück, bis er ihn und seinen Kampfgefährten zu Fall gebracht hatte, und Sir John machte ein jauchzendes Geräusch, ein Ausdruck reiner Freude. Hook brüllte, auch wenn er sich dessen nicht bewusst war, und setzte seine gewaltigen Bogenschützenkräfte ein, um den Feind zurückzudrängen, während Sir John ihre Verwirrung ausnutzte, um auf sie einzuhacken, sie zu verwunden und sie zu töten.
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