Kropp und Tjaden halten uns für eine Fata Morgana*. Dann knirschen ihre Gebisse. Tjaden hat einen Flügel mit beiden Händen wie eine Mundharmonika im Munde und kaut. Er säuft das Fett aus dem Topf und schmatzt: »Das vergesse ich euch nie!«
Wir gehen zu unserer Baracke. Da ist der hohe Himmel wieder mit den Sternen und der beginnenden Dämmerung, und ich gehe darunter hin, ein Soldat mit großen Stiefeln und vollem Magen, ein kleiner Soldat in der Frühe – aber neben mir, gebeugt und eckig, geht Kat, mein Kamerad.
Die Umrisse der Baracke kommen in der Dämmerung auf uns zu wie ein schwarzer, guter Schlaf.
1. Welches Gerücht ist Wahrheit geworden?
2. Warum nennen die Freunde den Krieg „verdammten Lausekrieg”?
3. Wovon träumen die Jungen?
4. Warum hat Tjaden 3 Tage Arrest gekriegt?
5. Wie verstehen Sie Alberts Gedanken: „Der Krieg hat uns für alles verdorben”? Hat er recht?
6. Erläutern Sie die Herkunft der Aufschrift „Ruhe sanft im Trommelfeuer!”
7. Wie glauben Sie, warum gebraucht der Autor das Wort „Kamerad” statt des Wortes „Freund”, wenn er die Beziehungen der Jungen beschreibt: „ … aber neben mir, gebeugt und eckig, geht Kat, mein Kamerad”?
Laus, die– ein kleines Insekt, das vom Blut von Menschen und Tieren oder vom Saft von Pflanzen lebt
Thourhout– eine Stadt in Westflandern
das Genick jemandem brechen– jemanden / jemandes Karriere ruinieren
Tribut, der– eine Art Steuer, die der Besiegte nach einem Krieg dem Sieger zahlen musste
nach Muttern– nach Hause
requierieren– beschlagnehmen, besorgen (für Truppen)
Feger, die– die Straßendirne
Kinners– (niederdeutsch) Kinder
einen Vogel haben– ( gespr. , pej .) seltsame, verrückte Ideen haben
Landjäger, der– Polizist auf dem Lande, Gendarm
traktieren– bewirten
erbost– wütend, ärgerlich
wortkarg– so, dass er wenig spricht
oldenburgisch– zu Oldenburg: Verwaltungsbezirk im Westen des Landes Niedersachsen
schleifen– Soldaten (besonders Rekruten) sehr hart und lange üben lassen
Mistköter, der– verwendet als Schimpfwort für jemanden, auf den man wütend ist
Torfdeubel, der– (Schimpfwort) ein schmutziger Mensch
Reglement, das– die Regeln und Vorschriften
Folge leisten– einen Befehl, einen Rat akzeptieren und befolgen
Kehrseite, die– der Rücken oder das Gesäß
Kinnlade, die– Unterkiefer
Dicke, Kahn, der– der strenge Arrest
Sonntagskind, das– am Sonntag geborener Mensch und daher (nach dem Volksglauben) besonders vom Schicksal begüngstigter Mensch
Irrenanstalt, die– Nervenklinik
Wilhelm Tell– sagenhafter Nationalheld der Schweiz; Schillers Drama
Göttinger Hainbund– Freundeskreis patriotisch gesinnter, dichtender Studenten in G öttingen (gegründet 1772)
Karl der Kühne(1433–1477) – Herzog von Burgund, der zu seinen Erblanden Elsaß, Breisgau und Geldern gewann
Schlacht bei Zama– fand 202 statt, Krieg der R ömer gegen die Karthager um die Vorherrschaft im westlichen Mittelmeer; Zama – antike Stadt in Nordafrika
Lykurgus– Staatsmann und Redner in Athen
„Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt”.– Schlussworte der berühmten Friedensrede Bismarcks im Reichstag am 6. Februar 1888
Melbourne– Haupstadt des südaustralischen Staates Victoria
Kohäsion– der auf molekularen Anziehungskräften beruhende Zusammenhalt der Moleküle eines Stoffes
büffeln– sehr intensiv lernen; pauken
Stutzer, der– ein übertrieben eleganter, eitler Mann
Rentier, das– ein großer Hirsch, der in den kalten Ländern im Norden (z.B. in Skandinavien) lebt
etatsmäßig– planmäßig
Spieß, der– der Feldwebel (meist ein Hauptfeldwebel) in einer Kompanie, der viele organisatorische Aufgaben hat
Kielwasser, das– die (Fahr)Spur, die sich hinter einem fahrenden Schiff auf dem Wasser bildet
Oberst, der– ein hoher Offizier (mit einem Rang zwischen Oberstleutnant und Brigadegeneral). Ein Oberst ist meist der Chef einer Kaserne
aus allen Wolken fallen– wegen einer unerwarteten Nachricht sehr überrascht sein
rebellieren– versuchen, bestehende Zustände mit Gewalt zu ändern
Luder, das– verwendet als Schimpfwort für eine Frau
Pflock, der– ein meist rundes, dickes Stück Holz, das man in die Erde schlägt, um etwas daran zu befestigen
Schmiere stehen– bei einem Einbruch draußen bleiben, um die anderen warnen zu k önnen, wenn jemand kommt
Schuppen, der– eine Art kleines Haus meist aus Holz, in dem man Geräte, Fahrzeuge aufbewahrt
rupfen– die Federn eines toten Vogels herausreißen, bevor man ihn kocht
Maschinengewehr, das– ein Gewehr, das ohne Unterbrechung schießt, solange man den Abzug drückt
Fata Morgana– durch Luftspiegelung vorgetäuschtes Bild
Es wird von einer Offensive* gemunkelt*. Wir gehen zwei Tage früher als sonst an die Front. Auf dem Wege passieren wir eine zerschossene Schule. An ihrer Längsseite aufgestapelt steht eine doppelte, hohe Mauer von ganz neuen, hellen, unpolierten Särgen. Sie riechen noch nach Harz und Kiefern und Wald. Es sind mindestens hundert.
»Da ist ja gut vorgesorgt zur Offensive«, sagt Müller erstaunt.
»Die sind für uns«, knurrt Detering.
»Quatsch nicht!« fährt Kat ihn an.
»Sei froh, wenn du noch einen Sarg kriegst«, grinst Tjaden, »dir verpassen sie doch nur eine Zeltbahn* für deine Schießbudenfigur, pass auf!«
Auch die andern machen Witze, unbehagliche Witze, was sollen wir sonst tun. – Die Särge sind ja tatsächlich für uns. In solchen Dingen klappt die Organisation.
Überall vorn brodelt es. In der ersten Nacht versuchen wir uns zu orientieren. Da es ziemlich still ist, können wir hören, wie die Transporte hinter der gegnerischen Front rollen, unausgesetzt, bis in die Dämmerung hinein. Kat sagt, dass sie nicht abrollen, sondern Truppen bringen, Truppen, Munition, Geschütze.
Die englische Artillerie ist verstärkt, das hören wir sofort. Es stehen rechts mindestens vier Batterien 20,5 mehr, und hinter dem Pappelstumpf sind Minenwerfer eingebaut. Außerdem ist eine Anzahl dieser kleinen französischen Biester mit Aufschlagzündern* hinzugekommen.
Wir sind in gedrückter Stimmung. Zwei Stunden nachdem wir in den Unterständen* stecken, schießt uns die eigene Artillerie in den Graben. Es ist das drittemal in vier Wochen. Wenn es noch Zielfehler wären, würde keiner was sagen, aber es liegt daran, dass die Rohre zu ausgeleiert* sind; sie streuen bis in unsern Abschnitt, so unsicher werden die Schüsse oft. In dieser Nacht haben wir dadurch zwei Verwundete.
* * *
Die Front ist ein Käfig, in dem man nervös warten muss auf das, was geschehen wird. Wir liegen unter dem Gitter der Granatenbogen und leben in der Spannung des Ungewissen. Über uns schwebt der Zufall. Wenn ein Geschoss kommt, kann ich mich ducken, das ist alles; wohin es schlägt, kann ich weder genau wissen noch beeinflussen.
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