Er zog den Computer vor sich und begann zu schreiben, und schloss mich aus seiner Welt aus. Ich nahm meine Arbeit wieder auf, obwohl mein Herz aufs Heftigste flatterte. Mich in Sebastian Mc Laine zu verlieben glich einem Selbstmord. Und ich hatte keine Ambitionen ein Selbstmordattentäter zu werden. Richtig? Ich war ein Mädchen mit gesundem Menschenverstand, praktisch, vernünftig, das nicht in der Lage war, zu träumen. Nicht einmal mit offenen Augen. Oder zumindest war es bisher so gewesen, musste ich mich selbst korrigieren.
„Melisande?“
„Ja, Sir?“ Ich drehte mich zu ihm, und war darüber erstaunt, dass er mit mir gesprochen hatte. Wenn er mit dem Schreiben begann, vergaß er alles und alle um sich herum.
„Ich habe Lust auf Rosen“, sagte er und deutete auf die leere Vase auf dem Schreibtisch. Bitten Sie bitte Millicent sie zu füllen.“
„Natürlich, Sir.“ Ich packte die Keramikvase mit beiden Händen. Ich wusste, wie schwer sie war.
„Rote Rosen“ präzisierte er. „Wie dein Haar.“
Ich wurde rot, auch wenn nichts Romantisches in dem war, was er gesagt hatte.
„Wie Sie wünschen, Sir.“
Ich konnte fühlen, wie sein Blick meinen Rücken durchdrang während ich vorsichtig die Tür vorsichtig öffnet und in den Flur trat. Ich ging ins Erdgeschoss hinunter mit der Vase fest in den Händen.
„Mrs. Mc Millian? Hallo?“ Es war keine Spur von der älteren Haushälterin zu finden und dann erinnerte ich mich entfernt an etwas, aber es war zu schwach, um es greifen zu können. Die Gouvernante hatte mir beim Frühstück etwas gesagt… über ihren freien Tag ... Hatte sie sich auf heute bezogen? Schwer zu sagen. Die Mc Millian war eine Quelle von verwirrenden Informationen, und nur selten gelang es mir, ihr von Anfang bis zum Ende zuzuhören. Auch in der Küche war kein Zeichen von ihr. Untröstlich stellte ich die Vase auf den Tisch neben eine Schale mit frischem Obst.
Wundervoll. Ich stellte fest, dass nun ich diejenige sei, die die Rosen im Garten auszuwählen hatte. Eine Aufgabe, die jenseits meiner Fähigkeiten lag. Es wäre einfacher, eine Wolke zu ergreifen und mit ihr Walzer zu tanzen.
Mit einem eindringlichen Brummen in den Ohren, und dem Gefühl einer bevorstehenden Katastrophe, ging ich hinaus. Der Rosengarten lag vor mir, brennend wie ein Feuer aus Blütenblättern. Rot, gelb, rosa, weiß, sogar blau. Schade, dass ich in schwarz und weiß lebte, in einer Welt, wo alles nur Schatten war. In einer Welt, wo Licht etwas Unerklärliches war, etwas Unbestimmtes, etwas Verbotenes. Ich konnte nicht einmal davon träumen, Farben zu unterscheiden, weil ich nicht wusste, was sie eigentlich waren. Und das von Geburt an.
Ich tat einen unsicheren Schritt in Richtung Rosengarten, meine Wangen glühten. Ich musste eine Ausrede erfinden, um meine Rückkehr nach oben ohne Blumen zu rechtfertigen. Es war eine Sache zwischen zwei Schachteln auszuwählen, aber eine andere gleichfarbige Rose zu schneiden. Rot. Wie ist rot? Wie sollte man sich etwas vorstellen, das man noch nie, nicht einmal in einem Buch, gesehen hatte?
Ich trat auf eine abgebrochene Rose. Ich beugte, um sie aufzuheben, sie war welk, schlaff in ihrem Pflanzentod, aber sie dufteten noch immer.
„Was machst du hier?“
Ich schob die Haare wirsch aus der Stirn, und bedauerte zutiefst, dass ich sie nicht in den üblichen Dutt gebunden hatte. Sie waren lange im Nacken und bereits schweißgetränkt.
„Ich soll Rosen für Mr. Mc Laine pflücken“, antwortete ich lakonisch.
Kyle lächelte mich mit dem gewohnt irritierenden süffisanten Lächeln an. „Brauchst du Hilfe?“
Mit diesen einfach so dahingesagten leeren und scheinheiligen Worten tat sich für mich ein Fluchtweg auf, eine unerwartete Lösung des Problems, die es sogleich festzuhalten galt.
„Eigentlich solltest du das tun, aber du warst ja nirgendwo zu finden. Wie üblich“, sagte ich bissig.
Ein Schauer huschte über sein Gesicht. „Ich bin kein Gärtner. Ich arbeite eh schon zu viel.“
Bei dieser Erklärung konnte ich ein Lachen nicht verhindern. Ich hielt eine Hand vor den Mund, so als ob ich die Heiterkeit abschwächen wollte.
Er starrte mich wütend an. „Das ist die Wahrheit. Wer hilft ihm sich zu waschen, anzuziehen, zu bewegen?“
Der Gedanke an einen nackten Sebastian Mc Laine rief fast einen Kurzschluss in mir hervor. Ihn waschen, anziehen ... das waren Aufgaben, die ich sehr gerne übernommen hätte. Der folgende Gedanke, dass dies nie meine Angelegenheit sein würde, ließ mich säuerlich antworten.
„Aber für die meiste Zeit des Tages hast du frei. Natürlich, du stehst zur Verfügung, wirst aber selten gestört“, legte ich noch oben drauf. „Komm schon und hilf mir.“
Er entschloss sich mir zu helfen, auch wenn er noch verärgert war. Ich drückte ihm die Schere in die Hand und sagte lächelnd. „Rote Rosen.“
„Wie Sie wünschen“, grummelte er und machte sich an die Arbeit.
Als endlich der Strauß fertig war, begleitete ich ihn in die Küche, wo wir die Vase holten. Es schien mir praktischer und einfacher zu sein, die Aufgabe unter uns aufzuteilen. Er würde den Keramiktopf tragen und ich die Blumen.
Mc Laine schrieb noch mit ganzem Eifer. Er hielt erst inne, als er uns zusammen eintreten sah.
„Jetzt verstehe ich, warum du so lange gebraucht hast“, zischte er mich an.
Kyle verabschiedete sich schnell, nachdem er die Vase ungelenk auf dem Schreibtisch platziert hatte. Einen Moment lang befürchtete ich, dass sie umkippen würde. Er war schon weg, als ich mich daran machte die Rosen in der Vase anzuordnen.
„War das eine so schwierige Aufgabe, dass du jemand um Hilfe bitten musstest?“ fragte er, und seine Augen funkelten vor unkontrollierter Wut.
Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch, der dummerweise den Köder angebissen hatte. „Die Vase war ziemlich schwer“, entschuldigte ich mich. „Das nächste Mal nehme ich sie nicht mit.“
„Sehr weise.“ Seine sanfte Stimme war trügerisch. In Wahrheit glich er mit seinem Gesicht, das von einem Zweitagebart überschattet war, einem bösen Dämon, der aus der Unterwelt aufgestiegen war, um mich zu schikanieren.
„Ich habe Mrs. Mc Millian nicht gefunden“, beharrte ich. Ein Fisch, der sich noch immer an den Köder klammerte und nicht verstanden hatte, dass er am Haken hing.
„Ah, stimmt, es ist ihr freier Tag“, gab er zu. Aber dann kehrte seine vorübergehend abgeflachte Wut wieder zurück. „Ich dulde keine Liebesbeziehungen zwischen meinen Mitarbeitern.“
„Das würde mir nie in den Sinn kommen!“, war meine impulsive Antwort, die ich mit einer solchen Aufrichtigkeit vorbrachte, dass ich mir ein zustimmendes Lächeln von seiner Seite verdiente.
„Das freut mich.“ Seine Augen waren kalt trotz des Lächelns. „Das gilt natürlich nicht für mich. Ich habe überhaupt nichts dagegen eine Beziehung mit den Mitarbeitern zu haben, ich.“ Er betonte diese Worte um so die Verhöhnung auch noch zu verstärken.
Zum ersten Mal hatte ich große Lust ihm einen Faustschlag zu verpassen und ich erkannte, dass es bestimmt nicht das letzte Mal sein würde. Da ich mich nicht an demjenigen abreagieren konnte, der es meiner Meinung nach verdient hätte, presste ich meine Hände um den Blumenstrauß, wobei ich nicht an die Dornen gedacht hatte. Der Schmerz ereilte mich plötzlich, so als ob ich gegen Dornen immun wäre, da ich damit beschäftigt war, anderen Stacheln entgegenzuwirken.
„Autsch!“ Ich zog meine Hand schnell zurück.
„Hast du dich gestochen?“
Mein Blick sagte mehr als tausend Worte. Er streckte seine Hand aus, um die meine zu ergreifen.
„Zeig‘ mir.“
Ich streckte sie ihm wie ein Roboter entgegen. Der Tropfen Blut hob sich deutlich von der weißen Haut ab. Dunkel, schwarz für meine abnormalen Augen. Rotkarmin für seine normalen Augen.
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