Bei einer Verwahrung dagegen steht die Sicherheit im Vordergrund. Hier wird die Strafe nicht aufgeschoben, sondern der verurteilte Täter muss sie vorweg absitzen. Vor Antritt der Verwahrung muss mittels eines psychiatrischen Gutachtens zuerst geprüft werden, ob die Voraussetzungen dafür immer noch gegeben sind. Der Verurteilte kann bedingt frühzeitig aus der Verwahrung entlassen werden, wenn zu erwarten ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. Dies muss das Gericht überprüfen, welches die Verwahrung ausgesprochen hat.
Robert Frommherz hätte nicht sterben müssen, wenn die drei Kollegen von Reza sich nicht feige vom Tatort davongeschlichen, sondern die Rettungskräfte alarmiert hätten. Pedro und seinen beiden Mittätern musste klar gewesen sein, dass Frommherz im Sterben lag, als sie die Fotos und das Video auf dem Handy angeschaut hatten. Ansonsten hätten sie Reza nicht unzählige Male gefragt, ob er davon ausgehe, dass der Hanfpapst wieder aufstehe. «Wäre der Rettungsdienst frühzeitig gerufen worden, wäre der tödliche Verlauf des Sturzes mit grosser Wahrscheinlichkeit abwendbar gewesen», heisst es im Obduktionsgutachten. Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte Pedro wegen unterlassener Nothilfe und weiteren Delikten zu einer vergleichsweise glimpflichen bedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten. «Es wäre zumutbar gewesen, anonym die Polizei oder die Sanität anzurufen», sagte der Richter und sprach von einem Paradebeispiel von unterlassener Nothilfe. Den zwei minderjährigen Kollegen wurde der Prozess vom Jugendgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht.
Frommherz ist nicht an den Gesichtsverletzungen, sondern an den Folgen des Sturzes mit Schädelbruch und anschliessender Hirnblutung gestorben. Seine Freunde verabschiedeten ihn mit einer Todesanzeige in den Zeitungen mit folgenden Worten: «Es gibt keinen perfekten Menschen, nur perfekte Absichten.»
Wie entsteht ein Urteil? Bei der Festsetzung einer Strafe ist das Gericht an die Vorgaben des Strafgesetzbuches gebunden. Jede Straftat hat ihren eigenen Strafrahmen – bei einer vorsätzlichen Tötung beispielsweise liegt die Strafe im Normalfall zwischen fünf und zwanzig Jahren. In diesem Bereich hat das Gericht einen grossen Ermessensspielraum. Entscheidend ist dabei das Verschulden des Täters. Dabei berücksichtigen die Richter neben dem Verschulden auch das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse. Unterschieden wird zwischen der Tat- und der Täterkomponente .
Bei der Tatkomponente werden das Ausmass des verschuldeten «Erfolges» (z. Bsp. die Höhe der Beute), die Art und Weise des Vorgehens (Einsatz von Waffen? etc.), aber auch die Rolle des Täters (Chef? Gehilfe?) beurteilt. Zudem wird neben dem Tatmotiv geschaut, ob der Täter mit direkten Vorsatz gehandelt hat oder seine Tat bloss inkaufgenommen hat .
Bei der Täterkomponente beachtet das Gericht das Vorleben des Täters, seine persönlichen Verhältnisse sowie das Verhalten nach der Tat. Allfällige Vorstrafen wirken sich auf die Strafe ebenso aus, wie – unter umgekehrten Vorzeichen – echte Einsicht und Reue .
Ausgehend von der objektiven Tatschwere bewertet der Richter die subjektive Tatschwere. Aus der Gesamteinschätzung des Tatverschuldens legt das Gericht eine sogenannte hypothetische Einsatzstrafe fest. Diese kann aufgrund erschwerender oder mildernder Umstände erhöht oder reduziert werden. Einsicht, Reue oder eine verminderte Schuldfähigkeit wirken sich strafreduzierend aus. Mehrere Straftaten oder (einschlägige) Vorstrafen sowie Delinquieren während der Probezeit wirken sich dagegen straferhöhend aus .
Die Strafe ist grundsätzlich innerhalb des vom Gesetz definierten Strafrahmens festzulegen. Liegen aussergewöhnliche Umstände vor, kann das Gericht den Strafrahmen verlassen – nach oben um maximal die Hälfte des angedrohten Strafmasses, nach unten praktisch unbeschränkt .
Das nach geheimer Beratung gefällte Urteil mit einer kurzen mündlichen Begründung wird dem Täter in der Regel noch am Tage des Prozesses mitgeteilt. Manchmal wird es den Parteien auch schriftlich zugestellt .
Ein Callgirl-Mörder, der im August 2008 in der Ostschweiz eine 30-jährige Thailänderin aus dem Zürcher Rotlichtmilieu ersticht, wird rechtskräftig lebenslänglich verwahrt: Es ist der erste und bisher einzige Fall nach dem Ja zur Verwahrungs-Initiative 2004.
«Ladarat, ein Kunde für dich.» Ein Freier aus dem Kanton Thurgau hat bei einem Escort-Service im Zürcher Rotlichtquartier angerufen und die zierliche Thailänderin für eine Nacht gebucht. Ladarat ist schon lange im Geschäft. Sie weiss, Männerwünsche zu erfüllen und ist entsprechend begehrt. Die 30-Jährige hat erreicht, wovon die meisten Prostituierten nur träumen können. Sie kassiert als Escort-Callgirl pro Nacht 2200 Franken. Ladarat schminkt sich, zieht Jeans und Bluse an, nimmt ihre braune Handtasche und lässt sich zum Freier nach Märstetten, einer kleine Gemeinde im Thurgau fahren. Während der Fahrt fragt sie sich, wie ihre siebenjährige Tochter und ihr Schweizer Ehemann wohl den Tag in Zürich verbracht haben und freut sich auf das freie Wochenende. Kurz nach Mitternacht erreichen sie das kleine Dorf und Ladarat steigt an der vereinbarten Strassenkreuzung aus. Der Kunde wartet bereits an einer Strassenlaterne auf sie, eine furchteinflössende Gestalt. Der bullig wirkende Schweizer hat tiefe Augenringe, ein vernarbtes Gesicht, einen zerzausten Bart und wallendes Haar. «Bist du sicher, dass du mit ihm gehen willst?», fragt sie der Chauffeur besorgt. «Keine Angst», erwidert Ladarat, «ich kenne ihn.» Sie steigt aus und instruiert den Fahrer nochmals, wo und wann er sie am nächsten Morgen abholen soll. Dann hakt sie beim Freier ein und zusammen verschwinden die Beiden in seine Wohnung in einem nahen Mehrfamilienhaus.
Obwohl Ladarat den arbeitslosen Lageristen bereits von einem früheren Sextreffen kennt, weiss das Escortgirl nicht, dass Mike A. eine dunkle Seite hat: er ist ein Sadist. Was in der folgenden Nacht geschah, kann nur der 41-jährige Mike A. sagen. Dazu schweigt er aber beharrlich. Sicher ist, Ladarat hatte Sex mit ihm, dies ergab später die Obduktion. Ob er das Callgirl während oder nach dem Geschlechtsverkehr mit zwei Messerstichen in die Brust tötete, ist unbekannt. Das Messer durchsticht Herz und Lunge. Ladarat muss noch in der Wohnung gestorben sein. Nach der Tat, packte Mike A. die nackte Leiche in einen Lederkoffer. Diesen schleifte er durchs Treppenhaus hinunter zur Garage, wo sein Puch-Maxi-Mofa stand. Dort befestigte er den Koffer auf dem Gepäckträger und fuhr davon. In einem Waldstück ausserhalb des Dorfes warf er den Koffer mit der Toten eine Böschung hinunter. Dann kehrte er zurück, duschte, reinigte Wohnung und Treppenhaus von Blutspuren sowie seine Kleider in der Waschmaschine.
Der Chauffeur des Begleitservices hatte ein ungutes Gefühl, als am nächsten Morgen Ladarat nicht wie vereinbart an der Strassenkreuzung in Märstetten wartete. Dies passte überhaupt nicht zur zuverlässigen Thailänderin, die an diesem Morgen auch sämtliche Handyanrufe unbeantwortet liess. Der Chauffeur ahnte Schlimmes und alarmierte die Polizei, die noch am gleichen Abend Mike A. verhaftete. Doch der gab sich ahnungslos, wollte nicht wissen, wo Ladarat war. Zuvor hatte die Polizei einen anderen Mann festgenommen: Den Vormieter von Mike A., unter dessen Namen der Lagerist die Prostituierte zu sich bestellt hatte. Die Polizei startete eine grosse Suchaktion nach dem spurlos vermissten Callgirl. Sie setzte Hunde, Helikopter und Taucher ein – ergebnislos. Ladarat blieb spurlos verschwunden. Sogar der Abfall der Thurgauer Gemeinde wurde beschlagnahmt, und Polizisten durchwühlten insgesamt neun Tonnen Haushaltkehricht nach Spuren der Frau.
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