Matthias Merdan - 5 Prozent

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Die vor Jahren aus der linksautonomen Szene konvertierte, nun erfolgreiche Bankerin Fiona «Rosi» Rosenwiler treibt mit einem ausgeklügelten Anschlagskonzept ein Spiel mit Zürich, das der Stadt mittelfristig 20 Milliarden Schweizer Franken wirtschaftlichen Schaden bescheren würde.
Für 5% davon bietet sie Nachsicht an. Ein Wettlauf zwischen der nach Gerechtigkeit strebenden Justiz, den Wirtschaftsmächtigen der Stadt, die auf eine zügige Bezahlung drängen, und der nach Eau d'Hadrien duftenden Terroristin beginnt.

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Alle Rechte vorbehalten 2020 Friedrich Reinhardt Verlag Basel - фото 1

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel

Projektleitung: Jeannine Wanner

Korrektorat: Dominique Thommen

Gestaltung: Fabienne Steiger

eISBN 978-3-7245-2437-3

ISBN der Printausgabe 978-3-7245-2412-0

Der Friedrich Reinhardt Verlag wird vom

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für die Jahre 2016–2020 unterstützt.

www.reinhardt.ch

Für Reto, meinen Kreativitätsaufrechterhalter .

Inhalt

Prolog Prolog Und zu den Jüngern sprach er: Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter. Der wurde bei ihm verklagt, er verschleudere sein Vermögen. Da rief er ihn zu sich und sagte: Was höre ich da über dich? Leg die Schlussabrechnung vor, denn du kannst nicht länger Verwalter sein! Der Verwalter aber sagte sich: Was soll ich tun, da mein Herr mir die Verwaltung wegnimmt? Zu graben bin ich nicht stark genug, und zu betteln schäme ich mich. Ich weiss, was ich tun werde, damit sie mich, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin, in ihre Häuser aufnehmen. Und er rief die Schuldner seines Herrn, einen nach dem andern, zu sich und sagte zum ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der sprach: Hundert Fass Öl. Er aber sagte zu ihm: Da, nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib schnell fünfzig! Darauf sagte er zum zweiten: Und du, wie viel bist du schuldig? Der sagte: Hundert Sack Weizen. Er sagte zu ihm: Da, nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Ja, die Söhne dieser Welt sind im Verkehr mit ihresgleichen klüger als die Söhne des Lichts! Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit man euch, wenn er ausgeht, aufnimmt in die ewigen Wohnungen. Die Bibel (Zürcher Bibelübersetzung), Evangelium nach Lukas, Kapitel 16, Verse 1 bis 9.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

EPILOG

Dank

Autor

Quellen

Prolog

Und zu den Jüngern sprach er: Es war einmal ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter. Der wurde bei ihm verklagt, er verschleudere sein Vermögen.

Da rief er ihn zu sich und sagte: Was höre ich da über dich? Leg die Schlussabrechnung vor, denn du kannst nicht länger Verwalter sein!

Der Verwalter aber sagte sich: Was soll ich tun, da mein Herr mir die Verwaltung wegnimmt? Zu graben bin ich nicht stark genug, und zu betteln schäme ich mich. Ich weiss, was ich tun werde, damit sie mich, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin, in ihre Häuser aufnehmen.

Und er rief die Schuldner seines Herrn, einen nach dem andern, zu sich und sagte zum ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?

Der sprach: Hundert Fass Öl.

Er aber sagte zu ihm: Da, nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib schnell fünfzig!

Darauf sagte er zum zweiten: Und du, wie viel bist du schuldig?

Der sagte: Hundert Sack Weizen.

Er sagte zu ihm: Da, nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.

Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Ja, die Söhne dieser Welt sind im Verkehr mit ihresgleichen klüger als die Söhne des Lichts! Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit man euch, wenn er ausgeht, aufnimmt in die ewigen Wohnungen.

Die Bibel (Zürcher Bibelübersetzung), Evangelium nach Lukas, Kapitel 16, Verse 1 bis 9.

1

SCHEISSEN IST ARBEIT. Diese Weisheit war in weissen altdeutschen Lettern auf der Front seines schwarzen Kapuzenshirts gedruckt. Die Mischung aus Linksautonomen und Künstler fiel durch laschen Gang und nicht vorhandene Körperspannung auf. Das müde oder zugekiffte und gealterte Mitglied der unteren Gesellschaftsschicht betrat Tram Nummer 4 an der Station Helmhaus, setzte sich mit einem kraftlosen Plumpsen vis-à-vis vor sie und sortierte seine zerschlissenen Dockers zwischen ihre modischen High Heels aus glänzendem Leder. Das Bouquet aus billigem Feldschlösschen-Bier mit der strengen Note unvollständiger Körperhygiene überwältigte ihr Parfüm und breitete sich nicht nur bis zu ihrer Nase aus, sondern bohrte sich direkt in ihr Erinnerungszentrum. Dort wirkte es auf die schmucke Frau im Businessdress und mit soeben frisch frisierten Haaren aufregend.

Eine mit verkratzten Nieten besetzte Kunstlederjacke, die er über seinem Shirt trug und zusammen mit allen anderen Kleidungsstücken und Accessoires den Zeitstrahl seines Niedergangs präsentierte, war von durch Schmutz verfärbte Aufnäher übersäht. WIDERSTAND HEISST LEBEN, war eine der Weisheiten und weckte Erinnerungen an ihr eigenes, erstes Leben, als sie Zürich noch als «Scheissdorf» und «nach Putzmittel stinkende Bankendeponie» bezeichnete, «die durch Reichtum und Dekadenz total verblödet ist».

Ein Grinsen überkam ihr Gesicht, denn auf Höhe der linken Brust des Mannes prangte ein weiteres Stoffkunstwerk; es zeigte Polizisten, wie diese auf der Flucht vor Autonomen übereinander stürzten. Darauf war zu lesen: FESTE FEIERN, WENN SIE FALLEN.

Fionas gekitzeltes Erinnerungszentrum liess jetzt einen bissigen Flashback von der Kette. Sie blickte nach rechts aus dem Fenster, um ihrem Kurzzeitgedächtnis freien Lauf einzuräumen. Ein Comedian, der es vor wenigen Tagen in einer Sendung des Schweizer Fernsehens genau auf solche Typen abgesehen hatte:

«Von keinem seiner Eidgenossen hat der Schweizer ein so klares Bild wie von den Linksautonomen. Er pflegt angeblich die freie Liebe, obwohl doch im Hauptberuf schwuler Künstler und einsamer Strassenmusiker. Vom Morgen an kippt er sich Dosenbier in den Rachen, liegt den ganzen Tag zugekifft im Park, bevor er – nach der Mittagspause von 11 bis 18 Uhr – zum Abendessen eine Packung selbstgedrehte Zigaretten raucht. Gearbeitet wird gar nicht, dafür demonstriert, gesprayt und dann wieder Bier getrunken.

Nachts wird das linke Subjekt dann aktiv, weil tagsüber ausgeruht, und versucht so, eine nächtliche Parallelkultur in den illegal besetzten Häusern Zürichs zu etablieren. Lichtscheu und feige ist er. Er weigert sich, nationalen Heiligtümern, wie dem Opernhaus, zu huldigen, und verachtet sakrale Räume, wie neonlichtdurchflutete, klimatisierte Grossraumbüros. Eine Schande.

Trotzdem erfüllt auch diese Spezies einen wichtigen Zweck, nämlich die Aufwertung schrottreifer Wohnquartiere. Wenn der Stadtrat irgendein Quartier von vergammelten Industriebauten befreit hat und dort wieder Homo sapiens ansiedeln möchte, pflanzt er zunächst linkes Milieu und Künstler an. Die machen aus dem Schandfleck urplötzlich ein schickes aufstrebendes Künstlerquartier. So verbessert sich der Ruf des vormaligen Slums. Es hypt – die Mieten steigen. Juhu! Das Milieu verbessert sich nun von Unterschicht mit Schäferhund zur Mittelschicht mit lauten Kindern, hin zu Doppelverdienenden-Paaren-ohne-Kinder-Oberschicht. Und wenn die Herde dummer Künstler sich die Wohnungen nicht mehr leisten kann, hat sie ihren Zweck erfüllt. Zürich sagt seinen Linken danke. Ethnische Säuberung …»

Der Vortrag ihres Flashback-Comedians endete abrupt, als Fiona den sich im Fenster spiegelnden, quadratischen Aufnäher am rechten Ärmel des Seniorrebellen entdeckte. Ein Walt-Disney-Schneewittchen, bewaffnet mit einem halbautomatischen Maschinengewehr; FIGHT LOOKISM wurde Schneewittchen in den Mund gelegt.

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