Oskar
Ich spür das an ihrem Atem.
Martin
So feinfühlig plötzlich. Mein kleiner Mamabär.
Oskar
Ich bin kein Mamabär.
Martin
Ich bin kein Mamabär.
Oskar
Ich bin ein Mann.
Martin
Du bist eine Schwuchtel.
Oskar
Ich liebe dich.
Miranda
Ich nehm sie mal wieder.
Miranda steht auf, der Boden ist weicher geworden nach dem dritten Becher Wein. Sie lässt sich das Baby geben, trägt es zum Bus auf routinierten Armen, legt es in einen Aufsatz, den Aufsatz eines Kinderwagens auf dem Rücksitz. Das Baby wird schlafen, es hat einen guten Schlaf, von Anfang an, ist durch nichts so leicht aus der Ruhe zu bringen. Eine Vorstellung leuchtet auf, die Vorstellung, ihr zu begegnen, Gloria, zwanzig Jahre später, ihr Blick wär ruhig, ihre Gesten fließend, die Vorstellung, sie wäre ein Mensch, dem man gern begegnet wäre, eine seltene Freude. Miranda zieht ihr die Jacke aus, gibt ihr ein Tier in die Hand, öffnet ein Fenster. Sie bleibt eine Weile bei ihr.
Martin
Sie sieht gut aus.
Paul
Was.
Martin
Miranda. Sie sieht sehr gut aus.
Oskar
Ja. Mir gefällt sie auch.
Martin
Bisschen zugelegt halt.
Paul
Was.
Martin
Na hör mal. Sie war mal fünfzehn Kilo leichter.
Paul
Sie war schwanger.
Jennifer
Ich find. Das steht ihr gut.
Paul
Was.
Jennifer
Das Mollige.
Martin
Und danach. Nach dem Kind. Was soll danach sein.
Ich mein. Es gibt Modells die sind mit fünfunddreißig noch im Geschäft.
Sogar Mütter.
Oskar
Ich find sie sieht gut aus.
Paul
Sie ist nicht mollig.
Jennifer
Sie ist mollig und das sieht richtig gut aus.
Paul
Sie wird schon wieder ins Geschäft kommen.
Martin
Sie ist raus.
Du kannst dich nicht so gehen lassen und denken die Branche verzeiht dir das.
Jennifer
Sie kann doch was anderes machen.
Martin
Aha. Und was.
Jennifer
Euch wird schon was einfallen.
Oskar
Vielleicht noch ein Kind.
Sie kommt zurück, die Mutter, sanft und leicht, mit einem Lächeln im Gesicht.
Miranda
Wie habt ihr euch kennen gelernt.
Jennifer
Wer. Wir.
Miranda
Ja. Flynn und du.
Jennifer
Was willst du hören.
Miranda
Was wohl. Die Always on my Mind Geschichte.
Jennifer
Was.
Miranda
Na Elvis und Halssehen und so.
Jennifer
Wisst ihr eigentlich dass das verboten ist. Was wir hier tun.
Martin sorgt für Licht, zwei Öllampen. Gesichter, die gelb werden und weich. Das Essen geht weiter, immer weiter.
Miranda
Dreizehn.
Martin
Was.
Miranda
Es sind dreizehn Kilo nicht fünfzehn.
Martin
Du siehst gut aus sehr gut wirklich.
Miranda
Ich hab mich gegen die Brust entschieden.
Martin
Was.
Miranda
Ich still sie nicht.
Martin
Guck mich an. Ich bin auch in die Breite gegangen.
Miranda
Ich hab sie nie gestillt also kann ich jetzt Wein trinken und rauchen statt essen und meine Brüste sehen wie vorher aus. Wie immer. Gut. Willst du sie sehen.
Willst du sie sehen.
Ein halbes Jahr noch und ich bin wieder die Alte.
Ich lass mich nicht gehen. Klar.
Ich mach mir auch meine Gedanken.
Oskar
Ich glaub du machst da von Anfang an was kaputt in Gloria.
Kohlen glühen gelb, rot und weiß, Feuerzeuge, Zigaretten glimmen, Fett glänzt auf Lippen, einzelne Salatblätter vermischt mit Balsamico und Astwerk auf dem Boden. Auf dem Grill leuchten die letzten Kartoffeln in silbernem Aluminium.
Jennifer
Reich mir den Cognac mein Maler des Leuchtens.
Miranda
Was.
Oskar
Du säufst zu viel Schwester.
Paul
Was.
Martin
Es gab einen Artikel.
Paul
Einen Artikel.
Oskar
Einen Zeitungsartikel. Muss das jetzt sein.
Miranda
Einen Artikel. Toll. Erzähl mal.
Jennifer
Er schämt sich.
Martin
Oskar hat einen Plan. Einen Plan für den Ruhm.
Der Plan heißt. Es ist ihm egal.
Jennifer
Weil. Es geht ihm um die Sache.
Martin
Die Kunst.
Oskar
Es geht mir darum. Eure Fressen ins Feuer zu drücken.
Jennifer
Genau.
Es geht nicht darum. Guten Eindruck zu machen.
Martin
Schon gar nicht bei der Presse.
Miranda
Kann ich verstehen.
Martin
Und der Artikel war gut.
Jennifer
Hymnisch.
Miranda
Biste oben wirste fallen.
Paul
Was lachst du.
Flynn
---
Paul
Was lacht der. Dein Freund.
Jennifer
Frag mich was Leichteres.
Oskar
Warum hast du damit angefangen.
Jennifer
Weil ich stolz bin auf dich.
Oskar
Auf den Artikel.
Jennifer
Auf dich.
Oskar
Dann hör auf.
Miranda
Wie lang geht denn die Ausstellung.
Martin
Bis zum dritten.
Jennifer
Ich hab Papa den Artikel gezeigt.
Miranda
Bis zum dritten. Das schaff ich glaub ich nicht.
Paul
Nicht. Warum nicht.
Miranda
Ich weiß nicht mal sehen.
Oskar
Papa.
Jennifer
Ja.
Oskar
Du bist so ein Arschloch.
Martin
Ich war bei der Eröffnung. Ich war. Was soll ich sagen.
Man fühlt sich wie ein Ei in einem Phosphorstrudel.
Flynn
Wie fühlt sich das an.
Martin
---
Miranda
Aber ich werd s versuchen. Auf jeden Fall.
Flynn
Traurig.
Martin
Ja.
Flynn
Zu Tode geleuchtet.
Oskar
Und.
Jennifer
Was. Und.
Oskar
Was hat er gesagt.
Jennifer
Papa.
Oskar
Ja.
Jennifer
Ist doch egal.
Oskar
Ja. Genau. Egal. Du bist so ein Arschloch.
Jennifer
Er hat gesagt. Maler des Leuchtens.
Scheiße in einer Schüssel leuchtet heller als deine Kunst.
Oskar
Nein.
Jennifer
Nein. Er hat gesagt. Ich bin sehr stolz auf ihn.
Oskar
---
Jennifer
Er hat gesagt. Geh weg damit. Das ist mir zu klein geschrieben.
Oskar spürt unter seiner Hand die Erde, die kühler geworden ist. Dann sieht er die Hand seiner Schwester, die näher kommt. Bevor sie bei ihm ist, zieht er einen Grashalm aus dem Boden. Jennifer sieht ihn an. Ihre Nase hat dieselbe Form, dieselbe Neigung, eine Erhöhung auf Augenhöhe. Sie würde ihn gern im Gesicht berühren, ihren Bruder. Sie zündet sich eine Zigarette an.
Paul
Ich hab aufgehört.
Martin
Seit wann.
Paul
Seit drei Wochen.
Oskar
Warum.
Paul
Warum.
Oskar
Ja. Warum hast du aufgehört.
Paul
Warum warum.
Weil ich zweiundvierzig bin und noch nicht sterben will.
Weil ich noch nicht genug hab davon.
Oskar
Vom wundervollen Leben.
Paul
Ja. Das reicht mir noch nicht. Ich will noch mehr davon.
Seht euch doch um. Bäume Sterne Fleisch zwischen den Zähnen.
Alkohol.
Eure Gesichter.
Das alles würd ich so vermissen.
Ich will noch ein zwei Häuser bauen noch mal nach Afrika in diesem Leben.
Ich will Sex haben.
Und Artikel in Zeitungen.
Ich will meinen Arsch spüren. Wie jetzt. Auf diesem Grasteppich.
Jennifer
Sex.
Paul
Ja.
Miranda
Und Gloria.
Paul
Ja.
Miranda
Vergiss Gloria nicht bei deinem Fest auf der Welt.
Paul
Nein. Natürlich nicht.
Jennifer
Ich weiß nicht wie die Welt das sieht.
Aber ich dachte immer Sex wär dir egal.
Oskar
Für mich spielt der Zeitpunkt keine Rolle.
Wann und wo egal.
Martin
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