Opa war inzwischen zum zweiten Mal aus seiner Kammer gekommen und schlug unsere Mutter zusammen. Meine Schwester riss sich los und wollte ihre Mama retten. Sie schrie so furchtbar laut.
Ich stürzte eine Treppe tiefer und sperrte mich in der Toilette ein. Aus all meinen Körperöffnungen entleerte ich mich. Dann weiß ich nichts mehr, bis mein Vater klopfte und sagte: „Es ist gut, komm doch raus!“
Tage- beziehungsweise wochenlang trug meine Mutter eine Brille, ihr Gesicht war nicht wiederzuerkennen.
Ich musste anschließend an diese Szene die Erfahrung machen: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe! Aus meiner heutigen Sicht weiß ich, bei Mama und diesem Mann war es die große Liebe. Später haben sie sogar geheiratet und noch später waren sie wieder geschieden. Selbst heute können sie nicht voneinander lassen, 50 Jahre später!
Sie wollte immer vorbildlich und angepasst sein, ebenso wie ihre Eltern in ihrer neuen Heimat.
Nur für wen? Status, Geld, Urlaub, Haus oder Auto? Ja, das besaßen wir alles. Meine Freundinnen beneideten mich um meine tollen Klamotten. Immer das Neueste und Schönste! Für wen?
Ich begann, meine Hosen zu zerschneiden und die viel zu großen Hemden meines Vaters zu tragen. Meine Freundinnen freuten sich darüber, denn sie zogen von da an meine Sachen an. Natürlich flog es auf und wir wurden bestraft. Hausarrest für mich, Hausverbot für meine Freundinnen. Manchmal wurde zwei oder drei Tage gar nicht mit mir geredet. Gut für meine Schwester, denn dann hatte sie ihre Mama ganz für sich. Sie nähten gemeinsam Sachen und standen vor dem Spiegel.
*
Nach der Achten, ich war 14 Jahre alt, wurde unsere Klasse aufgelöst und die Entscheidung ‒ Sportschule oder eine normale Klasse ‒ war angesagt. Ich hatte ohnehin schon genug vom System und ich glaubte, mich keinem Drill und keinen Wettkämpfen mehr unterwerfen zu wollen.
An jedem Montagnachmittag lief das Schulfernsehen und ich legte großen Wert darauf, dies nicht zu verpassen. Die Aussichten, an ein Buch oder sonstige Medien zu gelangen, waren sowieso sehr begrenzt. Kabale und Liebe, Nackt unter Wölfen, Das Tagebuch der Anne Frank und Der Untertan wurden gezeigt.
Meine Literaturmappen wurden öfter mal in unserer Schulaula ausgestellt und ich war sehr stolz darauf. Doch damit blieb ich alleine, da es sonst keinen in meinem Umfeld interessierte.
Wenn Mama nachmittags um etwa 15 Uhr von der Arbeit kam, hatte ich den Haushalt bereits fertig gemacht und war beim Bäcker gewesen. Das hieß manchmal auch, eine Stunde umsonst anzustehen. Ich deckte den Tisch für uns und versuchte so, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Darauf allein konnte ich mich aber nicht verlassen, deshalb schaute ich, kurz bevor sie eintreffen sollte, immer aus dem Fenster und konnte schon an ihrem Gang und Blick erkennen, wie ich mich zu verhalten hatte. Meine Schwester hingegen hatte andere Methoden, mit unserer Mutter umzugehen.
Ich fand in meiner neuen Klasse eine Freundin, die schon Erfahrungen mit Jungs hatte und in die Disco ging. Irgendwann schlug meine Mutter vor, ich solle mal mit ihr mitgehen. Sie wolle mich nicht als Jungfrau zu Hause behalten. Also wurde mein Gesicht geschminkt und sogar die Augenwimpern mit einer Wimpernzange umgebogen, was furchtbar war. Hübsch angezogen wurde ich außerdem.
Ich habe geweint, weil ich das alles nicht wollte, aber es half nichts. Es war einfach grauenvoll für mich. Meine Schwester musste ich mitnehmen und darauf achten, dass wir pünktlich wieder zu Hause waren. Mir war regelrecht übel.
Meine Freundin zeigte mir die Jungs, unter anderem einen, der äußerst begehrt war. Er wurde mein Verlobter und meine Freundin wurde neidisch. Ständig kam die Frage: „Na, hattet ihr schon Sex?“
*
Es begann für mich die Zeit, da sich eine andere Zimmertür öffnete. Keine Ahnung, einen Namen bekommt dieses Zimmer nicht von mir ... Doch! Ich nenne es Fremdenzimmer.
Noch heute trage ich dieses Fremdenzimmer in mir und spüre, dass es sich in meinem Haus befindet. Ich kann von außen nicht hinein und bin gleichzeitig von innen eingesperrt. Ich sitze fest mit Jungen und Mädchen, mit meiner Periode, mit fremden Lippen und dem anderen Geschlecht, das sogar seine Größe verändern kann. Und mit Aussagen wie: „Wenn du nicht mitmachst, suche ich mir eine andere!“
„Genau wie bei meinen Eltern“, dachte ich stets im Stillen. Es war mir so zuwider!
Irgendwann einmal schlief ich bei meiner Freundin und meiner Idee davon, was sie alle suchten, sollte ich dadurch einen Schritt näher kommen. Wir erkundeten unsere Körper, es war sehr erstaunlich für mich, wie angenehm, ruhig und sanft Menschen miteinander umgehen können. Es war einmalig. Ich sprach mit niemandem darüber und ging wieder zur Tagesordnung über.
Es war Silvester und ich war 15 Jahre alt, als ich meinen Verlobten mit meiner Freundin beim Küssen erwischte. Für mich brach eine Welt zusammen. Nicht unbedingt, weil er es tat, nein, er machte es heimlich, genauso wie meine Eltern.
Ich ging zu ihm und holte aus, meine ganze Wut und Enttäuschung entluden sich in meinem Schlag auf sein Ohr, aufgrund dessen ihm das Trommelfell platzte. Vorher hatte er noch gesagt, es wäre nicht so, wie es aussehe. Toll!
Ich lief schreiend nach Hause, traurig und erfüllt von dem Gefühl, rauszuwollen aus diesem Fremdenzimmer. Den Schlüssel suchte ich bei meinen Eltern, die gerade dabei waren, sich für ihre Silvesterparty zu verkleiden.
Meine Mutter sagte zu meinem Vater: „Was machen wir denn jetzt mit ihr?“
Er antwortete: „Gib ihr eine Flasche Rotwein, dann beruhigt sie sich schon wieder.“
Ich trank den Wein und tatsächlich ... es wurde still in meinem Fremdenzimmer. Nun endlich wusste ich, wie ich es aushalten konnte in diesem Raum.
Papa hatte bestimmt ebenfalls einen solchen Raum, deshalb trank er ständig Bier. So wird das Zimmer schöner, und wenn man ganz viel trinkt, ist es sogar ganz weg!
Ich verstaute alles in diesem Raum. Beispielsweise die Erinnerung, als Mama in den Russischunterricht kam, ich war in der zehnten Klasse, und allen erzählte, dass ich ins Bett machte. Ebenfalls in diesem Raum verborgen ist das erste Mal Sex mit meinem Freund, mit dem ich mich wieder vertragen habe, nachdem er mir gesagt hatte: „Ich liebe nur dich, aber du hast ja nicht mitgemacht!“ Es war ekelig, geblutet habe ich auch, doch ich wurde geliebt und hatte mein Fremdenzimmer ... Mit mir hatte das alles nichts zu tun! Bevor dies geschah, war ich eineinhalb Jahre mit ihm befreundet gewesen und war gut drumrum gekommen. Jungfrau bleiben, vielleicht war das eine Idee von mir, aber meine Mutter musste mich unbedingt zum Frauenarzt schleppen, wo es ohnehin schon so schwer für mich war. Sie zwang mich auf diesen Stuhl, während ich schrie und mich natürlich sofort wieder mal entleerte. Sie brüllte mich wütend an: „Gleich gebe ich dir einen Grund zum Heulen!“ Und das hieß für mich, dass es nur schlimmer werden konnte. Ich weiß nur noch, dass der Mann feststellte: „Ihre Tochter ist noch Jungfrau!“ Aber genau das hatte ich doch gesagt!
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