Sibylle Narberhaus
Syltwind
Kriminalroman
Aufbrausend Mit ihren akrobatischen Sprüngen und waghalsigen Manövern ziehen die Kitesufer jedes Jahr während des Kitesurf-Cups zahlreiche Besucher auf die Insel Sylt. Doch nicht nur den Sportlern werden Höchstleistungen abverlangt, auch die Polizei ist gefordert, als die Leiche eines Mannes im Hörnumer Hafenbecken gefunden wird. Kurz darauf überschattet ein schweres Unglück das sportliche Großereignis. War es ein Unfall oder handelt es sich sogar um einen Anschlag auf den neuen Stern am Kitesurf-Himmel? Das Team um Annas Mann Nick und dessen Chef Uwe Wilmsen nimmt die polizeilichen Ermittlungen auf. Allen Warnungen ihres Mannes zum Trotz steckt Anna ihre Nase in die Ermittlungsarbeit und gerät prompt in Lebensgefahr, denn hinter den Kulissen der Sportwelt weht ein scharfer Wind.
Sibylle Narberhaus wurde in Frankfurt am Main geboren. Nach einigen Jahren in Frankfurt und Stuttgart zog sie schließlich in die Nähe von Hannover. Dort lebt sie seitdem mit ihrem Mann und ihrem Hund. Als gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und Versicherungsfachwirtin arbeitet sie bei einem großen Versicherungskonzern und widmet sich in ihrer Freizeit dem Schreiben. Schon in ihrer frühen Jugend entwickelte sich ihre Liebe zu der Insel Sylt. So oft es die Zeit zulässt, stattet sie diesem herrlichen Fleckchen Erde einen Besuch ab. Dabei entstehen immer wieder Ideen für neue Geschichten rund um die Insel.
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt
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Alle Rechte vorbehalten
3. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © YesPhotographers / shutterstock.com
ISBN 978-3-8392-6604-5
Er torkelte durch die Kneipentür hinaus in die Fußgängerzone, in der zu dieser Zeit kaum eine Menschenseele unterwegs war. Im Freien schlug ihm die würzig frische Nordseeluft entgegen und flutete seine Lungen. Für einen Moment blieb er stehen und stützte sich an einem Mauervorsprung ab, um sein Gleichgewicht wiederzuerlangen und sich zu orientieren, bevor er mitten in der Nacht den Heimweg antrat. Der Wirt wollte ihm ein Taxi bestellen, was er vehement abgelehnt hatte. Das Geld dafür hätte er ohnehin nicht mehr aufbringen können. Er wusste, dass er nicht mehr in der Lage war zu fahren, aber immerhin hätte er für die nächsten Stunden ein Dach über dem Kopf gehabt. Doch wo hatte er seinen Wagen am Abend zuvor abgestellt? Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was weniger einer schwachen Gedächtnisleistung als der Menge Alkohol zuzuschreiben war, die er in den letzten Stunden konsumiert hatte. Mit ein paar Bieren und Schnäpsen intus ließen sich die Sorgen seines jämmerlichen Daseins viel leichter ertragen, selbst wenn die Wirkung am darauffolgenden Tag verpufft war und nichts weiter als dröhnende Kopfschmerzen zurückblieben. Immer wieder aufs Neue nahm er sich vor, für alle Zeiten damit aufzuhören, doch es gelang ihm nicht. Dafür war der Schmerz einfach zu übermächtig. Da die Temperatur relativ angenehm und es trocken war, beschloss er, seinen Rausch in einem der Strandkörbe auszuschlafen, und machte sich in leichten Schlangenlinien auf den Weg zum Strand.
Als die letzten lärmenden Nachtschwärmer die Promenade und den Strand verlassen hatten, blieb nur noch das beruhigende Geräusch der stetig an den Flutsaum schwappenden Wellen. Das Meer schien sich zur Ruhe gelegt zu haben, um am nächsten Morgen die Wellen mit neu gewonnener Energie an den Strand rollen zu lassen. Selbst die Möwen, die Stunden zuvor über den rötlich gefärbten Abendhimmel geschwebt waren wie auf einer kitschig schönen Postkarte, hatten sich längst zu ihren Schlafplätzen zurückgezogen. Draußen auf dem Wasser blitzten in regelmäßigen Abständen Lichter auf, die unheimlich wirkten, jedoch zu den Seezeichen gehörten, die Schiffe davon abhalten sollten, sich zu weit dem Ufer zu nähern. Die Fahnen, die tagsüber überall an der Westerländer Promenade als fröhlich bunte Farbtupfer im Wind knatterten, hingen schlaff herunter, als schöpften sie ebenfalls Kraft für ihren nächsten Auftritt. Für einige Stunden kehrte Stille ein, bevor ein neuer Tag erwachte und das Leben auf Deutschlands beliebter Insel erneut zu pulsieren begann. Dieses Zeitfenster musste er sich zunutze machen. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die spärlichen Lichtverhältnisse. Obwohl er sicher war, dass sich außer ihm niemand in unmittelbarer Nähe befand, wagte er nicht, die mitgebrachte Taschenlampe einzuschalten. Der helle Lichtschein könnte ihn verraten, falls doch überraschend jemand auftauchen sollte, was zu dieser Uhrzeit eher unwahrscheinlich war. Aber Vorsicht war bekanntlich die Mutter der Porzellankiste, sagte er sich. Der Himmel war wolkenlos und ließ Millionen von Sternen funkeln, ein atemberaubender Anblick. Zudem schien der Mond in dieser Nacht hell genug, um in ausreichendem Maße Licht zu spenden, genau so viel, wie er für sein Vorhaben benötigte. Daher legte er die Taschenlampe zur Seite und ließ die Tür lediglich einen Spalt angelehnt. Das Aufbrechen des Schlosses hatte einem Kinderspiel geglichen und ihn weniger Mühe gekostet, als er zunächst angenommen hatte. Wie konnte man derart leichtsinnig sein, teures Equipment lediglich mit einem simplen Vorhängeschloss zu sichern, fragte er sich währenddessen. Doch dies sollte nicht sein Problem sein – im Gegenteil. Für ihn erwies sich diese Nachlässigkeit als willkommene Arbeitserleichterung. Während er sich seiner eigentlichen Aufgabe widmete, drang plötzlich ein Geräusch an sein Ohr. Mitten in der Bewegung hielt er inne, drehte den Kopf in Richtung der Tür und lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Menschliche Stimmen näherten sich und schwollen zu einem lauten Geräuschpegel an. Eine Personengruppe wanderte die Promenade entlang und steuerte geradewegs auf ihn zu. Jemand lachte lauthals, gleich darauf ertönte Gesang, wenn man diese schiefen Töne so bezeichnen mochte. Sofort zog er sorgsam die Tür ran und verharrte daneben, bis sich die Gruppe entfernt hatte. Nichts weiter als ein paar Nachtschwärmer, die vermutlich ein Gläschen zu viel getrunken hatten, sagte er sich – kein Grund zur Beunruhigung. Trotzdem wartete er vorsichtshalber eine Weile ab und öffnete dann erneut die Tür ein kleines Stück. In engen Räumen bekam er schnell Platzangst, erst recht in unbeleuchteten. Mit dem Licht drängte sich zusätzlich ein Schwall frische Nordseeluft durch den Spalt. Ohne unnötig Zeit zu verlieren, machte er sich auf die Suche nach seinem Ziel. Kaum hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte, hörte er draußen abermals Schritte. Sie kamen schlurfend näher. Direkt vor der Tür verharrten sie, und er konnte jemanden schwerfällig atmen hören. Unmittelbar darauf ertönte eine tiefe Männerstimme. »Hallo? Ist hier jemand?«
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