Wenn man gleich so geboren wurde.
Diese Frauen am Nachbartisch, sichtlich über dreißig, sollten vorsichtiger mit den Pommes frites sein, aber sie sind auf eine JCPenney-Art hübsch angezogen. Also Sekretärinnen, oder? Eine einigermaßen vernünftige Annahme. Zu gut angezogen und mit etwas zu viel Make-up für ein freundschaftliches Treffen, nicht gut genug angezogen für die Welt der gehobenen Angestellten. Dass eine von ihnen ein WordPerfect-Handbuch neben sich liegen hat, tut da keinen Schaden, andererseits hat Mackie einen schönen fetten Terminkalender neben sich auf dem Tisch liegen, und er trägt ein weißes Button-down-Hemd und einen Anzug, der das richtige Quäntchen über billig liegt. Man sieht ihm an, dass er Versicherungen verkauft, dass er mit Hausratsversicherungen und Wiederbeschaffungswerten und Ausschlussklauseln für Hochwasser zu tun hat. Nur einen Blick, mehr braucht man nicht. Du schaust dir diesen Typen an und kämest nie auf den Gedanken, dass er gerade erst einen Monat im Südosten von Missouri zugebracht und genug M-16 verscherbelt hat, um damit ein Bataillon der Arischen Bruderschaft auszustatten. Ist schon so 'ne Art Versicherung, die er da verkauft.
Also, was weiß man schon über diese Sekretärinnen? Könnten Marktleiterinnen sein oder Bauinspektorinnen. Liebende. Terroristen. Cops. Aber nicht heute. Heute sind sie Sekretärinnen. Und wenn diese Sekretärinnen ihre nicht-ganz-so-hübschen Köpfe in unsere Richtung drehen, sehen sie vier Männer in weißen Hemden und schlichten Krawatten, die sich leise unterhalten.
Wir sind Versicherungskaufleute beim Mittagessen, und da das langerwartete Garnelen-Schlemmermenü eingetroffen ist, erfahren wir endlich, was der eine von uns am Kopf der Tafel, der mit dem Namen Kruikshank, der, den wir CK nennen, uns über die Vorteile einer Risikolebensversicherung gegenüber einer Lebensversicherung zu sagen hat:
Dieses Wochenende haben wir einen Job. Eine große Lieferung, die sprichwörtliche Wagenladung, und was in den Kisten ist, spielt eigentlich keine Rolle. Erstklassige Ware und sehr profitabel. Wir bringen die Ware nach Norden, laden das Zeug an einem Ort ab, die Papiere gibt's an einem anderen. Keine große Sache.
Wo liegt dann das Problem?, frage ich ihn.
CK spießt seine Garnele auf. Kaut eine Weile.
Neue Kunden. Irgendwelche Nigger. Gangs aus dem Ville oder irgendeinem anderen Höllenloch in NYC. Nennen sich selbst die 9 Bravos. Aber die Kohle stimmt, die ist wirklich gut. Und Sal Maggio verbürgt sich für sie, also was soll's.
Genau, sage ich. Was soll's.
CK spießt eine weitere Garnele auf. Kaut. Schluckt. Dann:
Trotzdem, lieber auf Nummer sicher gehen. Deshalb will Jules eine größere Einheit und etwas Verstärkung dabeihaben. Und deshalb – und das ist der Moment, wo CK mit der Gabel in meine Richtung deutet, statt eine der Garnelen aufzuspießen – will Jules dich dabeihaben.
Dann, in einem dieser holperigen Nachsätze, die selten etwas anderes als eine Abfuhr beinhalten, dreht er sich zu Renny Two Hand und sagt: Dich auch.
Lange herrscht Schweigen, während CK seine Platte voller Garnelen leer futtert, sich danach die Ofenkartoffel vornimmt und dann einen großen Schluck Kaffee nimmt. Das war's.
Das geht auf mich, sagt er. Wir fahren jetzt zu Jules.
CK bezahlt also tatsächlich die Rechnung. Das ist ein Wunder. Er reicht dem Kellner einen Fünfziger und sagt: Behalt' den Rest, Junge. Und tu' dir und mir einen Gefallen und besorg' dir einen ordentlichen Haarschnitt.
Als wir in der Lobby stehen, wo ein Haufen Leute noch immer auf ihre Tische warten, ziehe ich CK zu diesem großen Aquarium voller trübem Wasser und Hummern hinüber und sage, was eigentlich offensichtlich ist:
Das ist ein Routine-Auftrag.
Klar, sagt er und parkt einen Zahnstocher in seinem Mundwinkel.
Du könntest das im Schlaf durchziehen.
Stimmt, sagt er.
Du brauchst mich nicht dafür, und ganz sicher brauchst du Two Hand nicht. Du brauchst vier, vielleicht fünf von deinen eigenen Leuten. Mackie, Toons, Fryer. Was ist mit Dawkins?
Stimmt, sagt er.
Also, ist es zu viel verlangt, wenn ich nachfrage? Ich meine, hab ich irgendwas verpasst oder so?
Und ob, sagt er. Oh, ja. Schon richtig, du hast was verpasst.
Hey, sage ich zu ihm, und als ich meine Hand auf seine Schulter lege, sieht CK mich komisch an. Du verarschst mich doch. Wie wäre es mit einem kleinen Hinweis? Wieso willst du mich dabeihaben?
Ich will dich nicht dabeihaben, sagt CK. Und ganz sicher brauche ich dich auch nicht.
Er lässt den Zahnstocher zerbrechen und kriegt es hin, ihn auszuspucken, während er mich gleichzeitig angrinst.
Ich mag dieses Grinsen nicht, und ich mag das Lachen nicht, das sich daran anschließt. Ich bin kurz davor, ihm zu sagen, was ich nicht leiden kann, als sich Mackie the Lackey zu uns umdreht und sagt:
Scheiße.
Hinter Mackie scheint es unruhig geworden zu sein, irgendetwas, irgendwer bahnt sich seinen Weg durch die Menge hindurch. Dann sagt Mackie:
Das ist Doby.
Der Typ spaziert in die Lobby, sucht wahrscheinlich nach einem freien Tisch, wer weiß. Man kann Auffahrunfälle nicht gebrauchen, oder Telegramme, die dir vom Tod deiner Großmutter berichten, und am allerwenigsten kann man diesen Doby-Mathers-Typen gebrauchen.
Von daher trifft Scheiße das ziemlich gut. Ich überlege, ob ich mich umdrehen und nach dem Hinterausgang suchen soll. Aber Doby ist so drüber, wahrscheinlich Koks, dass man ihm nicht entkommen kann. Das ist Schicksal, ein Unfall. Immerhin ist meine rechte Hand noch in meiner Jackentasche, und dort befindet sich auch meine Glock.
Hey, Mann, begrüßt er CK, erntet nur Schweigen und dann sieht er zu mir. Sag hey, Ray.
Der zugedröhnte Pisser kann sich noch nicht mal meinen Namen merken. Trotzdem:
Hey, Doby, sage ich. Wie geht's?
'ns gut, Ray. Alles bestens.
CK beobachtet die Mittagsgäste und weiß so gut wie ich, dass niemand in der Lobby, der darauf wartet, dass sein Name aufgerufen wird, sich verdammt noch mal auch nur einen Scheiß für uns interessiert. Der Typ ist schwach. Er ist zu schwach, um einen fahren zu lassen. CK nickt, und ich grinse übertrieben breit.
Muss los, Doby.
Cool. Er bewegt sich keinen Zentimeter und bleibt mitten im Weg stehen.
Ich sage noch einmal, etwas lauter: Ich muss los, Doby.
Er starrt einfach durch mich durch, und die Worte hallen von seinen Ohren zu seinem Gehirn. Er muss sich den Stoff wohl schon seit dem Frühstück reinziehen. Dann, Pling! , geht ihm ein Licht auf.
Oh, Mann. Ja klar, Ray, du musst los.
Achselzuckend schiebe ich mich an ihm vorbei und auf den Ausgang zu. Aber dieser Typ ist noch nicht fertig. Jetzt hat er CK am Wickel.
Lässt dich nicht mehr so oft hier blicken, CK. Warum kommst du nicht mal wieder öfter vorbei?
CK drängt sich an ihm vorüber, aber der Typ will nicht lockerlassen.
Hey, CK, sagt er. Hey, Mann. Du lässt dich nicht mehr blicken. Hast du was für mich oder nich'?
CK dreht sich zu ihm um und bohrt ihm einen Finger in die Brust: Lass mich in Ruhe.
Hey, sachte, Mann. Doby hebt die Hände. Hastes irgendwie eilig? Wir sollten uns mal unterhalten. Ein paar Geschäfte machen. Spaß haben.
Und dann überspannt er den Bogen, sagt: Mikey.
Er sagt: Hey, CK. Ihr Jungs, wisst ihr was? Ihr solltet mal wieder runter zum Fluss kommen. No business like show business. Ich zeig euch ein paar meiner Mädels. Und hey, bringt Mikey mit. Was ist eigentlich aus dem Typen geworden? 'n netter Kerl, echt ein netter Kerl. Bringt Mikey mit und wir …
Das ist der Moment, wo CK ihn mit durch die Tür zur Herrentoilette nimmt. Packt den Typen einfach am Jackenkragen und schiebt ihn rückwärts durch die Tür.
Wartet hier, sage ich zu Mackie und Two Hand, und dann bin ich hinter den beiden her.
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