Elfriede Hammerl
Kolumnen
www.kremayr-scheriau.at
eISBN 978-3-218-01247-8
Copyright © 2020 by Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Schutzumschlaggestaltung: Christine Fischer
Unter Verwendung eines Fotos von Philipp Horak
Lektorat: Marilies Jagsch
Ich bin nicht mutig
Erbtante
Gemütsbewegung
Adoptivtochter
What’s New, Pussy?
(Ob)Sorgen
… raus bist du!
Vergeltung
Jugend wünscht
Madame DSK
Rampensau sein
Was uns treibt
Alles prima in Fukushima
Vergleiche
Im Cocktailschürzchen
Was sein wird
Mädchen
Omas Küche
Halbtagsschule
Endlichkeit
Verbotsgesellschaft?
Küchenhilfe gesucht
Europa, gefühlt
Hilferufe
Hilferufe II
Verletzte Gefühle
Frau Ergün bringt sich nicht ein
Omakitsch
Single-Vater
Keine Zeit für so Dinge
Glück und Zufall
Lustzwang
Wer warum regiert
Gewinnmaximierung
Dichtervater
Gut drauf sein
Uterus-Leasing
Burkirndl
Elendsaktionismus
Dad und Donald
Die Überflüssigen
Geld ausgeben
Drahtseilakt
Zwölf Stunden
Haarig
Komplizin
Jetzt solidarisiert euch doch
Fauler Zahn
Gerechtigkeit
Paradies adieu
Im Rentenalter
Noch immer die Klassiker
Freiwillig
Himmelmutter
Digitalissimo
Prinzen heiraten
Triest. Eine Impression
Wer zweimal mit derselben pennt …
Das Kind ist nicht flexibel
Zwangsjacke
Wir können uns das nicht mehr leisten!
An die Kandare
Der tägliche Irrsinn
Große Autos
Kinder haben
Die Tugend der Selbstüberschätzung
Warum die ganze Familie?
Ein Hund für die Omi
Aus Nächstenliebe
Überleben lassen
So still die Heldinnen
Ich widme dieses Buch
meiner Mutter Maria Hammerl-Brünner ,
die vielen Widerständen zum Trotz
unbeirrbar dafür gesorgt hat, dass ich mein Leben
nach meinen Vorstellungen gestalten konnte .
Und ich widme es Willi Pellert, den ich
ihr gerne vorgestellt hätte .
Kann es sein, dass das Risiko zivilcouragierten
Auftretens allgemein überschätzt wird?
Manchmal, wenn ich etwas schreibe, was dem angeblichen Meinungsmainstream entschieden widerspricht, kriege ich anerkennende E-Mails, die mich für meinen Mut loben.
Ich gebe zu, dass ich gern gelobt werde. Lob wärmt mein Herz und tut meiner Eitelkeit gut, aber im Hinterkopf sitzt mir gleichzeitig beharrlich das Wissen, dass ich weder Lob noch Dank verdiene. Ich übe ja nur meinen Beruf aus. Er bietet mir die Möglichkeit, mich öffentlich zu Wort zu melden. Ich muss keinerlei Hürden überwinden, um meine Meinung publik zu machen (wenn man von den Mühen des Formulierens – oh ja, die gibt es – absieht). Vor allem aber: Ich begebe mich damit nicht in Gefahr.
In den Zuschriften steht jedoch: Bleiben Sie so mutig! – Bin ich mutig? Ich weiß es nicht. Mein Mut wird nicht wirklich gefordert. Ich muss nicht mutig sein, um – in einem demokratischen Land, das mir Meinungsfreiheit garantiert,– für Menschenrechte einzutreten. Ich hoffe, dass ich mich auch unter schwierigeren Bedingungen dafür einsetzen würde, aber meine Risikobereitschaft wurde bis jetzt nicht hart geprüft.
Ich habe zudem das Glück, für eine Zeitschrift zu schreiben, die mir ebenfalls meine freie Meinung lässt. Was würde ich tun, wenn ich bei einer Zeitung arbeitete, die mich zur Einhaltung einer xenophoben Blattlinie (schwer vorstellbar, ich weiß, aber sowas soll vorkommen) verdonnerte? Lieber die Kündigung riskieren? Freiwillig weggehen? Das heißt, in Zeiten wie diesen einen sicheren Arbeitsplatz aufs Spiel setzen oder gar von selber aufgeben? Die Vorstellung, dass ich bei so einer Zeitung bleiben und dort mit anhaltendem Widerstand dem Herausgeber Paroli bieten könnte, wenn ich ihn nicht gar mental umkrempelte, wäre zwar gut als Ausgangsidee für einen bewegenden Film, entbehrt aber jeder realistischen Grundlage.
Andererseits ist ein Arbeitsplatz natürlich kein Schicksal, das sich der persönlichen Gestaltung entzieht. Kein Journalist, keine Journalistin wird gezwungen, sich dem Boulevard zu verschreiben, und wer eine Karriere wählt, bei der ihm ein flexibles Gewissen mit viel Geld abgegolten wird, soll sich nicht auf existenzielle Notwendigkeiten ausreden. Konsequent bei der eigenen Meinung zu bleiben, bedeutet unter Umständen materielle Einbußen und einen Verzicht auf Machtpositionen, das schon. Aber es lebt sich auch ganz komfortabel, wenn man sich, wie es so schön heißt, morgens in den Spiegel schauen kann.
Daher: Anstand erfordert, jedenfalls hier und heute, keinen besonderen Mut. Wir sind nicht gleich an Leib und Leben bedroht, wenn wir nicht mit den Wölfen heulen. Wir müssen nicht unter die Brücke ziehen, betteln gehen, auswandern, nur weil wir uns auf die Seite von jemand Schwächerem gestellt, missachtete Rechte eingemahnt, nicht blindlings vor den Einflussreichen gekuscht haben. Kann es sein, dass das Risiko zivilcouragierten Auftretens ganz allgemein ein wenig überschätzt wird?
Ich habe viel Verständnis für das Bedürfnis nach Harmonie. Ich habe wenig übrig für die Konfliktsuchenden, die ständig kampfbereit sind, um sich zu profilieren. Ich reiße mich nicht darum, mich unbeliebt zu machen. Aber, so viel zur Beruhigung aller ähnlichen Gemüter: Gelegentliches Unbeliebtsein aus ehrbaren Gründen ist aushaltbar.
Januar
18
2010
Alt. Frau. Alleinstehend. Hat sich nicht fortgepflanzt. Eine Witzfigur. Oder?
„Wenn dann noch die Erbtante zu Besuch kommt, muss es daheim eben was gleichschauen, ganz gleich, wie verdient die Feiertagsruhe der Mistkübler sein mag. Man stelle sich nur vor: Die Pensionssicherung ist im Anmarsch, während ihre originellen Gaben (…) mit unübersehbarer Koketterie aus dem Container schauen.“ Dieser launige Text erschien kürzlich auf Seite eins einer österreichischen Tageszeitung. 1Unter dem Titel „Müll und Erbe“ wurde darin erklärt, warum das Funktionieren der Müllabfuhr zu den Weihnachtsfeiertagen so wichtig ist: damit die Erbtante nicht merkt, wo ihre Geschenke gelandet sind.
Der Autor hat sich sicherlich nichts dabei gedacht. Außer vielleicht das: Erbtanten sind keine Menschen, sondern eine wandelnde Pensionssicherung, deren Geschenke in den Mist gehören. Schließlich kommen sie von einer, die – hätte sie nichts zum Vererben – ebenfalls entsorgt werden müsste (emotional ist sie offenbar eh schon abgeschrieben).
Mit einem solchen Gedankengang stünde er jedenfalls nicht allein da. Alte Tanten (und Erbtanten sind alt, weil man sonst nicht damit rechnen könnte, dass man sie überlebt und beerbt) sind traditionell eine Zielscheibe für grausamen Spott.
Erbtanten sind Witzfiguren. Sie sind lächerlich. Sie sind verachtenswert. Verachtet werden sie aus folgenden Gründen: Sie sind alt. Sie sind Frauen. Sie sind alleinstehend. Sie haben sich nicht fortgepflanzt. Alle diese Merkmale sind, scheint’s, bis heute Grund genug, sie als Missgriff der Natur zu betrachten. Missgriff auch deswegen, weil sie ärgerlicherweise über Geld verfügen, das alten, allein lebenden Frauen eigentlich nicht zusteht, sondern bei feschen, jungen, fortpflanzungswilligen Menschen viel besser aufgehoben wäre. (Na ja, vielleicht nicht aufgehoben. Sondern von feschen etc. Menschen besser ausgegeben. Wie auch immer.) Die Verachtung, die man Erbtanten entgegenbringt, ist also zum Teil auch vom Ärger darüber diktiert, dass sie Geld haben, das erst nach ihrem Ableben verfügbar sein wird, vom Ärger darüber, dass es dereinst vielleicht doch nicht geerbt wird, wenn man der Erbtante die Verachtung zeigt, die man für sie empfindet, und vom Ärger darüber, dass die Alte nicht und nicht abkratzen will. So schaut das Verhältnis zur Erbtante aus.
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