»Ich nehme an, dass Ihr Vorschläge habt?«
»Lord Governor!« Dem gequälten Klang seiner Stimme nach hatte Lillehorne während dieses Austauschs – diesem Angriff auf seine Autorität – die Luft angehalten. »Dieser Büttel kann seine Vorschläge aufschreiben und sie meinem Sekretär geben, genau wie jeder Mann und jede Frau in diesem Saal oder dieser Stadt oder der ganzen Kolonie . Ich halte es nicht für notwendig, dass hier öffentlich schmutzige Wäsche gewaschen wird!«
Ob es etwas brachte, Lillehorne an die Briefe zu erinnern, die er bereits geschrieben hatte und die offenbar abgewiesen oder gleich weggeworfen worden waren? Matthew glaubte nicht. »Ein paar Vorschläge habe ich in der Tat«, sagte er, immer noch direkt an Cornbury gewandt. »Darf ich sie hier zu Protokoll geben?« Er nickte in Richtung der Schreiber, die am Ratstisch mit Federn über Pergamentpapier gebeugt saßen.
»Ihr dürft.«
Matthew meinte, in seiner Nähe ein Zischen zu vernehmen. Lillehorne hatte bisher keinen guten Tag, und nun würde er sich vermutlich eher noch verschlechtern. »Die Wachtmeister«, begann Matthew, »müssen sich alle an einem Ort treffen, bevor sie ihre Runden gehen. Sie sollten ihre Namen und die Uhrzeit, zu der sie sich zum Dienst einfinden, in ein Buch eintragen. Wenn sie fertig sind, sollten sie ebenfalls unterschreiben und die Erlaubnis eines Vorgesetzten erhalten, bevor sie nach Hause gehen. Sie sollten einen Eid unterzeichnen, dass sie im Dienst nicht trinken. Und, um ganz ehrlich zu sein – die Säufer in ihren Rängen sollten entlassen werden.«
»In der Tat?« Cornbury rückte seinen Hut zurecht, denn die Pfauenfedern hatten sich soweit gesenkt, dass sie ihm in die Augen stießen.
»Jawohl, Sir, in der Tat. Die Vorgesetzten in dieser … dieser Dienststelle , könnte man es wohl nennen … sollten dafür verantwortlich sein, dass die Wachtmeister dienstbereit sind und ihnen Laternen sowie irgendeinen Lärmmacher geben. Vielleicht eine Ratschenkurbel. So was wird doch in London benutzt, oder?« Da in der Gazette davon berichtet worden war, musste er nicht auf Cornburys Antwort warten. »Was die Holländer gemacht haben und wir aus welchem Grund auch immer nicht fortgeführt haben, war, den Wachtmeistern Laternen aus grünem Glas zu geben. Wenn man eine grüne Laterne erblickte, wusste man so, mit wem man es zu tun hatte. Und ich finde, dass die Wachtmeister auch eine Ausbildung erhalten sollten. Sie sollten alle …«
»Moment, Moment!« Lillehorne schrie fast. »Die Wachtmeister werden aus der Allgemeinheit ausgesucht! Von was für einer Ausbildung redet Ihr da?«
»Sie sollten alle lesen und schreiben können«, sagte Matthew. »Und es wäre auch nicht von Nachteil, wenn es sich um Männer handeln würde, deren Sehkraft sich nicht als eingeschränkt herausstellt.«
»Hört Euch das an!« Der Hauptwachtmeister fühlte sich nun wieder im Rampenlicht und spielte mit dem Publikum. »Dieser Schreiberling tut so, als wären wir eine Stadt voller Dummköpfe!«
»Ein Dummkopf ist schon einer zu viel«, gab Matthew zurück und wusste, dass seine Zukunft nun umstritten war. Lillehorne hüllte sich in unheilvolles Schweigen. »Lord Cornbury, damit sich die geeignetsten Personen für diese allnächtliche Arbeit finden, möchte ich ebenso vorschlagen, dass die Wachtmeister aus einer Gemeinschaftskasse bezahlt werden.«
»Bezahlt?« Cornbury brachte es fertig, zugleich amüsiert und schockiert auszusehen. »Mit Geld?«
»Genau wie für jede andere Arbeit auch. Und diese zentrale Dienststelle sollte ein ernst zu nehmender Ort sein, nicht irgendeine Lagerhalle oder Stallung, die man dafür nutzt. Dann gibt es noch andere Details, denen man sich meiner Ansicht nach widmen sollte. Zum Beispiel würden größere Kerzen länger brennen. Die Wachtmeister sollten mehr davon haben, und sie sollten an jeder Straßenecke in Laternen brennen. Ich bin mir sicher, dass Mr. Deverick diesbezüglich helfen kann.«
»Selbstverständlich.« Deverick meldete sich rasch zu Wort, aber alle, so auch Matthew, waren sich bewusst, dass er bereits seinen Profit ausrechnete. »Die Idee mit den grünen Laternen gefällt mir auch. Dafür brauche ich nur eine besondere Bestellung abzuschicken.«
»Sir, noch habe ich dem nicht zugestimmt!« Es war offensichtlich, dass Cornbury Pennford Deverick nicht mochte und sich die Gelder nicht aus der Tasche ziehen lassen wollte. »Bitte enthaltet Euch eines Kommentars!« Dann richtete er einen stechenden Blick auf Matthew, dem es vorkam, als balle sich die königliche Macht vor ihm zu einer Faust, um ihn umzustoßen. »Wie kommt es, dass Ihr Euch darüber Gedanken gemacht habt und dem Hauptwachtmeister nichts davon zu Ohren gekommen ist?«
Matthew grübelte darüber nach. Alle warteten; manche erwartungsvoll. Dann sagte er: »Der Hauptwachtmeister ist ein viel beschäftigter Mann, Sir. Ich bin mir sicher, dass er irgendwann auch auf diese Ideen gekommen wäre.«
»Vielleicht auch nicht.« Cornbury runzelte die Stirn. »Herrje, ich habe Männer sich wegen geringerer Amtsbeleidigung als dieser hier duellieren sehen. Mr. Lillehorne, ich gehe davon aus, dass Ihr nur das Beste für die Stadt wollt, wozu auch gehören würde, keinen Anstoß an der Freimütigkeit dieses jungen Mannes zu nehmen. Nicht wahr?«
Gardner Lillehornes Antwort kam mit dem Hauch eines Zischens: »My Lord, ich führe mein Amt untertängissssst aus.«
»Wunderbar. Dann werde ich mir diese von den Schreibern festgehaltenen Ideen durchlesen und Euch zu gegebenem Zeitpunkt um eine Zusammenkunft mit mir und natürlich den Aldermen bitten, um weiter darüber zu sprechen. Bis dahin, Mr. Deverick, wünsche ich keine grünen Laternen in der Dunkelheit glimmen zu sehen. Und Mr. Corbett, Ihr könnt nun wieder Platz nehmen. Danke für Eure gutüberlegten Vorschläge. Sonst noch jemand?«
Auf diese kurzangebundene Abfertigung hin setzte Matthew sich. Tully jedoch stieß ihm aufmunternd den Ellbogen in die Rippen und Powers sagte: »Gut gemacht.«
»Sir? Ich habe eine Frage, wenn ich darf?«
Die Stimme war vertraut. Matthew drehte sich um und sah seinen Schachspielfreund aufstehen: Effrem Owles war zwanzig Jahre alt, hatte aber bereits auffällige graue Strähnen in seinem wuscheligen braunen Haar. Sein Vater, der Schneider, war mit fünfunddreißig völlig ergraut. Effrem war groß und schlank und trug eine runde Brille, die seine intelligenten dunkelbraunen Augen wirken ließ, als würden sie vor seinem Gesicht schweben.
»Effrem Owles mein Name, Sir«, sagte er. »Ich habe eine Frage, sofern sie nicht zu … unangemessen ist.«
»Das werde ich entscheiden, junger Mann. Fragt nur.«
»Jawohl, Sir, danke. Also, ähm … wie kommt es, dass Ihr wie eine Frau gekleidet seid?«
Ein allgemeines Luftschnappen ertönte, so laut, dass man es vielleicht auf der gesamten Welt vernahm. Matthew wusste, dass Effrem die Frage ganz und gar ernst gemeint hatte. Der junge Mann war weder grausam noch bösartig veranlagt, aber seine schlechte Angewohnheit – wenn man es so nennen wollte – war eine unverblümte Neugierde, die manchmal sogar drohte, Matthew Wissbegierde den Rang abzulaufen.
»Ach.« Lord Cornbury hob einen behandschuhten und beringten Finger. »Ach so, das. Danke für Eure Frage, Mr. Owles. Ich bin mir bewusst, dass sich manche – viele sogar – meine Kleidung heute nicht erklären können. Ich ziehe mich nicht an jedem Tag so an, aber heute entschied ich mich, dass ich bei unserer ersten Zusammenkunft hier meinen Respekt und meine Solidarität der königlichen Lady gegenüber ausdrücken will, die mir diese wundervolle Möglichkeit eröffnet hat, ihre Interessen so weit von der heimatlichen Küste entfernt zu vertreten.«
»Ihr meint …«, begann Effrem.
Читать дальше