Odo Marquard - Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays

Здесь есть возможность читать онлайн «Odo Marquard - Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays» — ознакомительный отрывок электронной книги совершенно бесплатно, а после прочтения отрывка купить полную версию. В некоторых случаях можно слушать аудио, скачать через торрент в формате fb2 и присутствует краткое содержание. Жанр: unrecognised, на немецком языке. Описание произведения, (предисловие) а так же отзывы посетителей доступны на портале библиотеки ЛибКат.

Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays: краткое содержание, описание и аннотация

Предлагаем к чтению аннотацию, описание, краткое содержание или предисловие (зависит от того, что написал сам автор книги «Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays»). Если вы не нашли необходимую информацию о книге — напишите в комментариях, мы постараемся отыскать её.

Odo Marquard (1928–2015) gilt zu Recht als einer der scharfsinnigsten Essayisten unter den Philosophen. Sein ebenso pointierter wie polemischer und humoristischer Stil prägt sein Werk, das er selbst mit einem Augenzwinkern als «Transzendentalbelletristik» bezeichnet. Die Möglichkeiten der Philosophie sah er kritisch, sprach von Kompetenzverlust und schuf das Wortungetüm «Inkompetenzkompensationskompetenz» für die Bemühungen des Faches. Ironisch führte er aus, «Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt». Unverrückbar verteidigte er die Geisteswissenschaften. Den Menschen versteht er als Mangelwesen, als homo compensator. Marquard erhielt wichtige Preise, etwa den hochangesehenen Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa sowie den Cicero-Rednerpreis.
Dieser Band versammelt 17 zentrale und bleibende Texte aus seinem Werk. Das Nachwort von Franz Josef Wetz würdigt die philosophische Lebensleistung Marquards.

Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays — читать онлайн ознакомительный отрывок

Ниже представлен текст книги, разбитый по страницам. Система сохранения места последней прочитанной страницы, позволяет с удобством читать онлайн бесплатно книгу «Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays», без необходимости каждый раз заново искать на чём Вы остановились. Поставьте закладку, и сможете в любой момент перейти на страницу, на которой закончили чтение.

Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

2. Nachträglicher Ungehorsam . Das intellektuelle Klima der Bundesrepublik änderte sich: der »skeptischen Generation« folgte eine neue »Generation der politischen Jugend«. In der Philosophie ging ihr voraus der Erfolg der »Frankfurter Schule« nicht zuletzt bei den nunmehr Älteren. Auch auf mich hat die »Kritische Theorie« Horkheimers und Adornos wesentlichen Eindruck gemacht; Herbert Marcuses Eros and Civilization 9 habe ich 1956 im Lesekreis des »Collegium Philosophicum« zustimmend und werbend referiert: Ich arbeitete damals schon an meiner Habilitationsschrift über Schelling und Freud10 mit der These: die Psychoanalyse ist – philosophisch gesehen – die Fortsetzung des deutschen Idealismus unter Verwendung entzauberter Mittel.

Freud benutzte – insbesondere in Totem und Tabu 11 auch für die Theorie des Gewissens – den Begriff des »nachträglichen Gehorsams« (S. 173–175): die Söhne in der »Urhorde«, die den Vater ermordet hatten, »widerriefen ihre Tat, indem sie die Tötung des Vaterersatzes, des Totem, für unerlaubt erklärten, und verzichteten auf deren Früchte, indem sie sich die freigewordenen Frauen versagten« (S. 173); die »Totemreligion« war – wie dann auch das Gewissen – »aus dem Schuldbewusstsein der Söhne hervorgegangen als Versuch, dies Gefühl zu beschwichtigen und den beleidigten Vater durch den nachträglichen Gehorsam zu versöhnen« (S. 175). Der erfolgreiche Aufstand gegen den Vater wurde nachträglich ersetzt durch den Respekt vor dem, was an des Vaters Stelle trat. In der Bundesrepublik – meine ich – vollzog sich seit Ende der 50er-Jahre – und als spektakuläre Reprise dann in der so genannten »Studentenbewegung« Ende der 60er-Jahre – just das Gegenteil: die in der Nationalsozialistenzeit zwischen 1933 und 1945 weitgehend ausgebliebene Revolte gegen den Diktator (den Vater der »vaterlosen Gesellschaft«12) wurde stellvertretend nachgeholt durch den Aufstand gegen das, was nach 1945 an die Stelle der Diktatur getreten war: darum wurden nun die »Totems« gerade geschlachtet und aufgegessen und die »Tabus« gerade gebrochen: nach der materiellen Fresswelle kam so die ideologische. Es entstand ein frei flottierender quasimoralischer Revoltierbedarf auf der Suche nach Gelegenheiten, sich zu entladen; er richtete sich – zufolge der Logik der Nachträglichkeit – okkasionell und unwählerisch gegen das, was jetzt da war: gegen Verhältnisse der Bundesrepublik, also demokratische, liberale, bewahrenswerte Verhältnisse. Es ist – ich formuliere scharf (»gegen nichts ist man unnachsichtiger als gegen gerade abgelegte Irrtümer«: Goethe) – als Reflexion zelebrierte Dummheit, diese Verhältnisse zugunsten eines revolutionären Prinzips aufs Spiel zu setzen; denn es gibt keine Nichtverschlechterungsgarantie, auch und gerade nicht durch jene revolutionäre Geschichtsphilosophie, die sie durch den Fortschrittsgedanken zu geben verspricht:13 wir haben – und zwar in unserer Zeit und Gegend alle – sehr viel mehr zu verlieren als allein unsere Ketten.14 Das alles ignoriert der nachträgliche Protest; dadurch wird eine Demokratie zum nachträglichen Empörungsziel eines gegen die totalitäre Diktatur versäumten Aufstands: diese Absurdität steckt in der merkwürdigen Nachträglichkeit dieses Protestverhaltens. Es liegt nahe, zu seiner Beschreibung einen Gegenbegriff zu Freuds Begriff des »nachträglichen Gehorsams« zu bilden: darum nenne ich das, was hier – zwischen den späten 50er- und den frühen 70er-Jahren – vorging, den nachträglichen Ungehorsam .

Es war die Zeit des umgekehrten Totemismus. Zu ihm gehören eigentümliche Mechanismen und Reaktionen. Etwa: der Totemismus führt zu demonstrativer Askese; der umgekehrte Totemismus führt zu demonstrativer Libertinage, die sich als emanzipatorische und antiautoritäre Bewegung verstand. Im Totemismus zwingt – nach Freuds Interpretation – der Aufstand gegen einen Menschen (den Vater) zur nachträglichen Verehrung von Tieren (des Totem); im umgekehrten Totemismus zwingt der unterlassene Aufstand gegen das Staatstier ›Leviathan‹ zum nachträglichen Aufstand gegen wirkliche Väter und wirkliche Menschen. Dabei mag – individuell oder gruppenmäßig abgestuft – die Stärke einstmaliger Konformität mit der Stärke jetziger Distanzierung zuweilen signifikant korrelieren. Auch zwingt, dass eine Tat unterlassen wurde, nun dazu, dass nachträglich jedes Denken gleich zur Tat schreiten soll: ohne Rücksicht auf Spinozas Einsicht, dass man nur dann alles denken darf, wenn man nicht alles tun darf.15 Vor allem aber entstand der Zwang zur sekundären Verähnlichung von Heute und Damals: weil das, gegen das die Revolte unterblieb, Faschismus war, soll nun das, gegen das sie nachgeholt wurde, auch Faschismus sein und wird (durch ein entsprechendes Sortiment an Theorien) dazu stilisiert; denn sonst würde der Absurditätsgehalt des nur nachträglichen Ungehorsams allzu flagrant, und es würde allzu deutlich, dass er gegenwärtig in der Regel ein komfortabler Ungehorsam ist, der den Ungehorsamen wenig kostet. Darum wird die angleichende Negativierung des Vorhandenen – die Technik, in jeder Suppe ein Haar, in jeder Wirklichkeit Entfremdung, in jeder Institution Repression, in jedem Verhältnis Gewalt und Faschismus zu entdecken – zu hoher Kunst entwickelt: notfalls durch »Verbösung des Guten«16 und »geborgtes Elend«17 wird es sekundär negativiert. Partout nicht wegzuinterpretierende Differenzen zum Damals gelten als Zusatzschurkereien des Heute, als besonders infame Tarnung: so werden gerade Unterschiede zum Ähnlichkeitsbeweis. Niemand scheint dabei zu sehen, dass diese zwanghafte sekundäre Verähnlichung von Heute und Damals als nachträgliche Verharmlosung des Faschismus zu wirken geradezu prädestiniert wäre, wenn – womit offenbar niemand ernstlich rechnet – irgendjemand ihr wirklich glauben würde.

Der nachträgliche Ungehorsam kam nicht unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern später, und zwar nicht zufällig. »Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral« (Brecht): erst als durch den Wiederaufbau materiell erträgliche Zustände und dann Überflussverhältnisse entstanden waren, schlug das Entsetzen über das gewesene Schreckliche voll durch aufs Gewissen und wurde erst nun – mit Zeitverzug – moralisch wirklich unerträglich: erst jetzt fand man Zeit für Schuldgefühle, für das Unbehagen an der eigenen geschichtlichen Vergangenheit. Darum wurde gerade erst jetzt – und keineswegs früher – auch jenes Entlastungsangebot weithin unwiderstehlich und erfolgreich, das die entfremdungsentlarvende Kritik darstellte, die schnell monopolisiert wurde durch jene revolutionäre Geschichtsphilosophie, zu der die »Kritische Theorie« – alsbald gegen den Widerstand ihrer Erfinder und Protagonisten – weiterentwickelt worden war: dass man – wo Schuldvorwürfe es überlasten – das Gewissen nicht mehr zu haben braucht, wenn man das Gewissen wird . Aus dem nachträglichen Gehorsam entsteht das Gewissen, das man ›hat‹; aus dem nachträglichen Ungehorsam entsteht das Gewissen, das man ›ist‹: das Tribunal, dem man entkommt, indem man es wird. Es war das Erfolgsrezept der revolutionär geschichtsphilosophischen Kritik, diese Flucht aus dem Gewissenhaben in das Gewissensein zum Prinzip der Avantgarde zu machen und darauf ihren Anspruch zu gründen, dass nur noch die anderen die Vergangenheit sind und man selber nur noch die Zukunft, und zwar eben durch dieses nachträgliche Neinsagen. Eine der Geschichten vom Herrn Keuner von Brecht ist überschrieben »Maßnahmen gegen die Gewalt«18: Sie berichtet von einem Herrn Iggen (einem temperierten Akkomodateur zur Zeit der Gewalt), der erst dort, wo die Zeit der Gewalt vorbei ist, »nein« sagt. Diese Geschichte – das sei mein später Nachtrag zum sechsten Kolloquium (1972) der Gruppe »Poetik und Hermeneutik«19, zu der ich seit 1966 gehöre (ihr Motor war und ist Hans Robert Jauß) – scheint einschlägig interpretierbar: sie ist die nicht zu Ende geschriebene Parabel vom nachträglichen Ungehorsam.

Читать дальше
Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

Похожие книги на «Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays»

Представляем Вашему вниманию похожие книги на «Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays» списком для выбора. Мы отобрали схожую по названию и смыслу литературу в надежде предоставить читателям больше вариантов отыскать новые, интересные, ещё непрочитанные произведения.


Отзывы о книге «Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays»

Обсуждение, отзывы о книге «Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays» и просто собственные мнения читателей. Оставьте ваши комментарии, напишите, что Вы думаете о произведении, его смысле или главных героях. Укажите что конкретно понравилось, а что нет, и почему Вы так считаете.

x