In solch höchster Not kam ein Teil der Passagiere, wie schon vorher mehrmals, abermals zu mir, in der Hoffnung, ich wüsste doch ein geistliches Mittel, den wohl zu Recht über uns zürnenden Gott zu versöhnen. Weil aber ein jeder, alles, was man beten oder an Gutem ersinnen konnte, schon in die Runde eingebracht hatte, fiel mir nur mehr die Litanei des hl. Joseph ein, des Nährvaters Christi, der ja auch ein Patron der Reisenden ist. Ihm zu höchstschuldigen Ehren, neben Gott und der jungfräulichen Mutter, habe ich sie aufgeschrieben (wissend, dass ich mich damit dem Vorwurf der eitlen Ruhmessucht aussetze). Weil ich sie vor kurzem anlässlich einer Reise schon gebetet hatte, konnte ich sie noch auswendig und sprach sie, so laut und deutlich, wie ich nur konnte, vor:
Kyrie eleison &c
Pater de caelis Deus &c
Sancte Joseph, a mator castitatis &c
Sancte Joseph Patrone, defensor, advocate noster dulcissime &c
Die Versammelten antworteten, zugleich eifrig und kläglich:
Miserere nobis, ora pro nobis, ora &c
Kaum war die Litanei zu Ende, wurden alle auf dem Schiff Zeuge, wie die heftigen, stetig wechselnden Winde nachließen und einem kräftigen sanften und gleichmäßigen Wind Platz machten, der uns innerhalb von zwei Tagen und Nächten, also Montag und Dienstag, zwar wieder zurück, doch in einen sicheren Hafen brachte, nämlich in die feste Stadt Calvi auf der Insel Korsica, die zur Republik Genua gehört. So hat uns also Gott Beistand geleistet.
In Calvi war es schwer, das Holz und anderes Material für die Reparatur des Schiffes zu bekommen. Deshalb lagen wir hier über die Pfingstfesttage hinaus insgesamt neun Tage lang still. Vor welch großem Elend uns Gott darüber hinaus noch bewahrt hat, werde ich später erzählen, wenn von Alicante die Rede ist.
Unser Stückmeister (Anm.: Proviantmeister), den sie Capo nennen, fing im Hafen überaus schöne Fische in allerlei Farben – rot, blau, grünlich. Kein Maler könnte je ihre glänzenden Farben so schön wiedergeben. Mit dem Netz fingen die Schiffsleute manch großen Fisch und auch große Krebse, von denen einer wohl leicht seine zwei Pfund schwer war. Languste nannten sie ihn, gar gut zu essen.
Wohlan, am 30. Mai, Samstag vor dem Dreifaltigkeitsfest, fuhren wir von Calvi fort, drei Tage und Nächte hatten wir immerdar guten Wind (die Schiffsleute nennen ihn Maestrale, Mistral , oder auch Grego Levante ) in Richtung Spanien, also für unser Vorhaben gerade richtig. Besonders am letzten des Monats und am 1. Juni war er so stark, dass wir nach Aussage der erfahrenen Seeleute in der Stunde ungefähr drei deutsche Meilen zurücklegten. Wir ingolfirten also, das heißt, wir erreichten hohe See am Sonntag der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, und auch am Montag wurde das Schiff in einem steten, glücklichen Lauf den Tag und auch die Nacht vorangetrieben.
Am folgenden Tag, als wir rechts an Mallorca und Menorca vorbeifuhren und schon die Insel Ibiza in Sicht kam, steigerte sich der gute Wind zu einer Fortun (Anm.: Sturmwind), für den die neugemachte Trinchetta (Anm.: Segelbaum) zu schwach war: Da sich nämlich das dicke, feste und starke Segel nit zerreißen ließ, musste eben der Segelmast daran glauben. Wir hatten gerade unser Mittagessen eingenommen und waren froher Stimmung, als dieser mit einem Knall zersprang, vom Mast herunter und am Bug mitsamt dem Segel ins Meer fiel. Dem Schiffsrumpf wurde dadurch ein gewaltiger Schlag versetzt, dass es schien, als würde das Schiff mit dem Bug voran ins Meer stürzen. Da sahen wir, wie ein kräftiger Schiffsbursch meisterhaft und unverzagt zugleich ins Meer sprang, um das Segel zu retten. Und als er dies mit viel Mühe geschafft hatte, ein anderes, kleineres Segel aufspannte. Das größere war, weil nass und auch wegen des zerbrochenen Baumes, nit mehr zu gebrauchen. Während all dies geschah, war das Schiff nur sehr schwer zu steuern, weil das mittlere, größere Segel wegen des fehlenden Vorschubs des ersten, zerrissenen Segels oft unkontrolliert schlug und dadurch das Steuerruder hin- und hergerissen wurde. Doch Gott half uns mittels der erfahrenen Steuermänner und Seeleute väterlich auch aus dieser Not. (Nur kurze Zeit vor diesem unerwarteten Schrecken hatte mir ein Kaufmann aus Genua in Erinnerung an den schrecklichen Sturm ein Büchlein mit Gebeten des hl. Joseph überreicht.) Was der Schiffsmannschaft aber größere Sorgen bereitete, war der Umstand, dass dieses Missgeschick gerade vor Ibiza passierte. Denn an der zerklüfteten Küste der Insel pflegten sich türkische und andere Meeresräuber zu verstecken und dort den vorbeifahrenden Christenschiffen aufzulauern. Wie wir später in Alicante erfahren sollten, war dies in diesen Tagen tatsächlich einem Schiff widerfahren. Im Namen Jesu und mit der Fürsprache des hl. Joseph gingen wir auch diesmal unbeschadet durch gleich zwei große Gefahren.
Im Zusammenhang mit dem Dreifaltigkeitssonntag kann ich noch eines berichten, und noch etwas, was sich am darauffolgenden Montag begab.
An dem Tag ließ der gute Wind, wie schon erwähnt, das Schiff ruhig und schnurgerade laufen und keiner wurde vom Meergrausen (Anm.: Seekrankheit) geplagt, das sonst durch das Auf und Ab und Hin und Her des Schiffes ausgelöst wurde. Alle am Schiff waren wohlauf, fröhlich und guter Dinge. Sogar ich, dem das Meergewüt sonst sehr zu schaffen machte.
Da zeigte sich am Vormittag zur Ergötzung aller, etwa einen Musketenschuss entfernt, ein großer Wal, der mehrmals einen starken Wasserguss fast ein Haus hoch (so dünkte es mir) mit dem Geräusch eines kleinen Platzregens in die Luft blies. Es war gar lustig anzusehen und zu -hören. Zu Mittag aber, als die Sonne an einem wolkenlosen Himmel am höchsten stand, sahen wir rund um ihre Scheibe einen feuerglänzenden, weiten großen Kranz, durch dessen Mitte wiederum, wie auch durch die Sonne, ein weiterer glänzender Ring stieß. Das Schauspiel am Himmel, an dem keine einzige Wolke zu sehen war, währte eine Stunde und war für jeden auf dem Schiff klar zu sehen. Wir hatten also am Hochheiligen Trinitatisfest eine schöne, himmlische Predigt zwar nit zu hören aber zu sehen bekommen.
Wahrhaftig: Die Himmel berichten vom Ruhm Gottes (Psalm 18).
In dieser Erscheinung bedeutete die Sonne – principium sine principio – Gott den Vater, der keinen Ursprung hat. Der hell scheinende Umkreis – lumen de lumine – Gott den Sohn, das Licht, das aus dem Licht geboren wird, ein wahrer Gott vom wahren Gott (Symbol. Apost.), und der dritte, die beiden anderen durchdringende Glanz, communicationem sancti Spiritus (2 Kor. 13), war Gott der Heilige Geist, der aus der ewigen göttlichen Liebe des Vaters zum Sohn und dessen Gegenliebe entspringt: Et hictres unum sunt , eine einzige, in Personen dreifaltige Gottheit (1 Joan. 5).
Die Küste bei Xabea
Am Vormittag des darauffolgenden Montags erblickten wir einen Schwarm hinter dem Schiff herschwimmender Delphine, welche, sich immer mit Luftsprüngen aus dem Wasser erhebend, behende das auch nicht langsame Schiff einholten. Und gleich spielenden Hunden erfreute sich der große Delphinschwarm, uns allerlei Kurzweil zu bieten, indem sie schnell wie Pfeile oder Vögel neben und auch manchmal unter dem Schiff an uns vorbeischossen. Kurz darauf zeigte sich ein Meer-Schwein, auf italienisch Molo , mit einem sehr großen Kopf. Es wurde erschossen, konnte aber wegen der hohen Geschwindigkeit des Schiffes nicht eingeholt werden. Später in Alicante sah ich, dass ein Molo am Markt für fünf Quartos oder Kreuzer per Pfund verkauft wurde. Ich sah auch einen weiteren wundersamen Fisch, den sie Lucerna nennen, wenn ich mich recht erinnere. Seine Augen stehen für die Länge eines mittelgroßen Fingers aus dem Kopf hervor.
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