Ja, wie solltet ihr glauben können , ihr Buntgesprenkelten! – die ihr Gemälde seid von Allem, was je geglaubt wurde!
Wandelnde Widerlegungen seid ihr des Glaubens selber, und aller Gedanken Gliederbrechen. Unglaubwürdige : also heisse ich euch, ihr Wirklichen!
Alle Zeiten schwätzen wider einander in euren Geistern; und aller Zeiten Träume und Geschwätz waren wirklicher noch als euer Wachsein ist!
Unfruchtbare seid ihr: darum fehlt es euch an Glauben. Aber wer schaffen musste, der hatte auch immer seine Wahr-Träume und Stern-Zeichen – und glaubte an Glauben! –
Halboffne Thore seid ihr, an denen Todtengräber warten. Und das ist eure Wirklichkeit: »Alles ist werth, dass es zu Grunde geht.«
Ach, wie ihr mir dasteht, ihr Unfruchtbaren, wie mager in den Rippen! Und Mancher von euch hatte wohl dessen selber ein Einsehen.
Und er sprach: »es hat wohl da ein Gott, als ich schlief, mir heimlich Etwas entwendet? Wahrlich, genug, sich ein Weibchen daraus zu bilden!
Wundersam ist die Armuth meiner Rippen!« also sprach schon mancher Gegenwärtige.
Ja, zum Lachen seid ihr mir, ihr Gegenwärtigen! Und sonderlich, wenn ihr euch über euch selber wundert!
Und wehe mir, wenn ich nicht lachen könnte über eure Verwunderung, und alles Widrige aus euren Näpfen hinunter trinken müsste!
So aber will ich’s mit euch leichter nehmen, da ich Schweres zu tragen habe; und was thut’s mir, wenn sich Käfer und Flügelwürmer noch auf mein Bündel setzen!
Wahrlich, es soll mir darob nicht schwerer werden! Und nicht aus euch, ihr Gegenwärtigen, soll mir die grosse Müdigkeit kommen. – Ach, wohin soll ich nun noch steigen mit meiner Sehnsucht! Von allen Bergen schaue ich aus nach Vater- und Mutterländern.
Aber Heimat fand ich nirgends: unstät bin ich in allen Städten und ein Aufbruch an allen Thoren.
Fremd sind mir und ein Spott die Gegenwärtigen, zu denen mich jüngst das Herz trieb; und vertrieben bin ich aus Vater- und Mutterländern.
So liebe ich allein noch meiner Kinder Land , das unentdeckte, im fernsten Meere: nach ihm heisse ich meine Segel suchen und suchen.
An meinen Kindern will ich es gut machen, dass ich meiner Väter Kind bin: und an aller Zukunft – diese Gegenwart!
Also sprach Zarathustra.
Von der unbefleckten Erkenntniss
Als gestern der Mond aufgieng, wähnte ich, dass er eine Sonne gebären wolle: so breit und trächtig lag er am Horizonte.
Aber ein Lügner war er mir mit seiner Schwangerschaft; und eher noch will ich an den Mann im Monde glauben als an das Weib.
Freilich, wenig Mann ist er auch, dieser schüchterne Nachtschwärmer. Wahrlich, mit schlechtem Gewissen wandelt er über die Dächer.
Denn er ist lüstern und eifersüchtig, der Mönch im Monde, lüstern nach der Erde und nach allen Freuden der Liebenden.
Nein, ich mag ihn nicht, diesen Kater auf den Dächern! Widerlich sind mir Alle, die um halbverschlossne Fenster schleichen!
Fromm und schweigsam wandelt er hin auf Sternen-Teppichen: – aber ich mag alle leisetretenden Mannsfüsse nicht, an denen auch nicht ein Sporen klirrt.
Jedes Redlichen Schritt redet; die Katze aber stiehlt sich über den Boden weg. Siehe, katzenhaft kommt der Mond daher und unredlich. –
Dieses Gleichniss gebe ich euch empfindsamen Heuchlern, euch, den "Rein-Erkennenden!« Euch heisse ich – Lüsterne!
Auch ihr liebt die Erde und das Irdische: ich errieth euch wohl! – aber Scham ist in eurer Liebe und schlechtes Gewissen, – dem Monde gleicht ihr!
Zur Verachtung des Irdischen hat man euren Geist überredet, aber nicht eure Eingeweide: die aber sind das Stärkste an euch!
Und nun schämt sich euer Geist, dass er euren Eingeweiden zu willen ist und geht vor seiner eignen Scham Schleich- und Lügenwege.
»Das wäre mir das Höchste – also redet euer verlogner Geist zu sich – auf das Leben ohne Begierde zu schaun und nicht gleich dem Hunde mit hängender Zunge:
»Glücklich zu sein im Schauen, mit erstorbenem Willen, ohne Griff und Gier der Selbstsucht – kalt und aschgrau am ganzen Leibe, aber mit trunkenen Mondesaugen!«
»Das wäre mir das Liebste, – also verführt sich selber der Verführte – die Erde zu lieben, wie der Mond sie liebt, und nur mit dem Auge allein ihre Schönheit zu betasten.
»Und das heisse mir aller Dinge unbefleckte Erkenntniss, dass ich von den Dingen Nichts will: ausser dass ich vor ihnen da liegen darf wie ein Spiegel mit hundert Augen.« –
Oh, ihr empfindsamen Heuchler, ihr Lüsternen! Euch fehlt die Unschuld in der Begierde: und nun verleumdet ihr drum das Begehren!
Wahrlich, nicht als Schaffende, Zeugende, Werdelustige liebt ihr die Erde!
Wo ist Unschuld? Wo der Wille zur Zeugung ist. Und wer über sich hinaus schaffen will, der hat mir den reinsten Willen.
Wo ist Schönheit? Wo ich mit allem Willen wollen muss ; wo ich lieben und untergehn will, dass ein Bild nicht nur Bild bleibe.
Lieben und Untergehn: das reimt sich seit Ewigkeiten. Wille zur Liebe: das ist, willig auch sein zum Tode. Also rede ich zu euch Feiglingen!
Aber nun will euer entmanntes Schielen »Beschaulichkeit« heissen! Und was mit feigen Augen sich tasten lässt, soll »schön« getauft werden! oh, ihr Beschmutzer edler Namen!
Aber das soll euer Fluch sein, ihr Unbefleckten, ihr Rein-Erkennenden, dass ihr nie gebären werdet: und wenn ihr auch breit und trächtig am Horizonte liegt!
Wahrlich, ihr nehmt den Mund voll mit edlen Worten: und wir sollen glauben, dass euch das Herz übergehe, ihr Lügenbolde?
Aber meine Worte sind geringe, verachtete: gerne nehme ich auf, was bei eurer Mahlzeit unter den Tisch fällt.
Immer noch kann ich mit ihnen – Heuchlern die Wahrheit sagen! ja, meine Gräten, Muscheln und Stachelblätter sollen – Heuchlern die Nasen kitzeln!
Schlechte Luft ist immer um euch und eure Mahlzeiten: eure lüsternen Gedanken, eure Lügen und Heimlichkeiten sind ja in der Luft!
Wagt es doch erst, euch selber zu glauben – euch und euren Eingeweiden! Wer sich selber nicht glaubt, lügt immer.
Eines Gottes Larve hängtet ihr um vor euch selber, ihr »Reinen«: in eines Gottes Larve verkroch sich euer greulicher Ringelwurm.
Wahrlich, ihr täuscht, ihr »Beschaulichen«! Auch Zarathustra war einst der Narr eurer göttlichen Häute; nicht errieth er das Schlangengeringel, mit denen sie gestopft waren.
Eines Gottes Seele wähnte ich einst spielen zu sehn in euren Spielen, ihr Rein-Erkennenden! Keine bessere Kunst wähnte ich einst als eure Künste!
Schlangen-Unflath und schlimmen Geruch verhehlte mir die Ferne: und dass einer Eidechse List lüstern hier herumschlich.
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