Es ist, als hätte man einen Schalter umgelegt. Blitzschnell. Ihre Augen funkeln wieder und sie stößt ein Quietschen aus. Mann, ich beneide sie darum, wie schnell sie umschalten kann.
Sie springt vom Bett, wühlt in ihrem Kleiderschrank und wirft noch mehr Sachen auf den Berg auf dem Bett.
Ich bin ihr keine große Hilfe, habe aber auch nichts anderes erwartet. Ich habe jetzt mehr Sachen, als ich es mir je hätte vorstellen können, aber ich trage immer noch meine alte Lieblingsjeans, schwarze Stiefel und ein schwarzes Oberteil, bei dem ich mir fast sicher bin, dass ich es in Naz‘ Schrank gefunden habe. Es ist mir viel zu groß.
Also sitze ich nur da, versuche, sie von ihrer Panik abzulenken, während sie sich unbekümmert vor mir auszieht und die Hälfte ihres Kleiderschranks anprobiert.
Eine Stunde vergeht, und ich verpasse meinen Kurs, aber es ist schön, wieder mal mit meiner Freundin abzuhängen und mit ihr zu lachen. Außerdem ist es nur Mathe. Wer braucht das schon wirklich?
Die Zimmertür öffnet sich, Melody steht in BH und Höschen da und schert sich einen Dreck darum, dass ihre Mitbewohnerin hereinkommt. Das Mädchen gibt einen angewiderten Laut von sich und setzt sich mit dem Rücken zu uns an ihren Schreibtisch.
„Ich habe nichts anzuziehen“, sagt Melody kopfschüttelnd und ignoriert dabei, dass ich mindestens zwölf ihrer Outfits meine Zustimmung gegeben habe. „Überhaupt nichts.“
„Wohin geht er denn mit dir?“
„Ich weiß es nicht“, sagt sie und zieht eine Leggings an. „Aber er hat etwas von einer Reservierung gesagt, also ist es ziemlich sicher nicht Wendy’s .“
„Gibt es hier in der Stadt überhaupt einen Wendy’s ?“
„Es gibt ein paar.“ Sie wirft mir einen Blick zu. „Aber das ist jetzt nicht wichtig.“
Für mich klingen Pommes, die ich in Schokoladensauce tauchen kann, im Moment verdammt wichtig, aber ich lasse ihr das durchgehen.
„Komm“, sage ich und stehe vom Bett auf. „Es ist offensichtlich, dass wir hier nicht weiterkommen. Lass uns anderswohin gehen.“
„Gott sei Dank“, murmelt Kimberly nicht besonders leise. Es stört sie offensichtlich nicht, dass wir sie hören.
Melody wirft ihrer Mitbewohnerin einen wütenden Blick zu und wendet sich dann an mich. „Wohin denn?“
„Zu meinem Kleiderschrank.“
Sie mustert mich spöttisch, beurteilt mein Outfit, bevor ihr etwas einfällt. „Oh, richtig! Naz hat deine Garderobe aufgebessert! Ich meine, man sieht es dir nicht wirklich an …“ Sie wirft einen verächtlichen Blick auf mein Shirt und zupft daran. „Ich wollte gerade sagen, dass ich heute Abend auf gar keinen Fall eins deiner Schal-Outfits trage. Und deine verdammten Crocs kannst du auch behalten.“
Ich verdrehe die Augen. „Ich trage keine Crocs.“
„Aber du hast welche.“
Ich hätte nicht übel Lust, mich zu verteidigen, aber was würde das nützen? Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass sie recht hat. Also lasse ich ihr das auch durchgehen.
Sie wirft ein langes Shirt über, schlüpft in ihre Schuhe und sagt kein einziges Wort zu ihrer Mitbewohnerin, als sie zur Tür hinausgeht.
„Äh, tschüss“, murmele ich und winke unbehaglich. Aber das Mädchen sieht mich nicht einmal an, geschweige denn dass sie etwas erwidert.
Als wir nach draußen kommen, greife ich nach meinem Handy, um einen Wagen zu rufen, aber Melody winkt ab. „Guck mal, gleich da vorn ist ein Taxi.“
Sie ruft es zu uns. Warum sollte ich diskutieren? Ich nehme es ja nicht allein. Das heißt, dass ich Naz‘ Regel nicht breche, oder?
Ich setze mich neben sie ins Taxi, und sie rattert die Adresse herunter, wobei sie die falsche Hausnummer nennt. Ich korrigiere sie.
Als das Taxi sich in den Verkehr einfädelt, werfe ich gewohnheitsmäßig einen Blick nach vorn. Es dauert einen Moment, aber dann trifft mich die Erkenntnis.
Abele Abate. Der Mann mit dem unglückseligen Namen. Er hat mich erst neulich vom Feinkostladen nach Hause gefahren. Er sieht in den Rückspiegel und lächelt wie beim letzten Mal. Ich weiß nicht, ob er mich erkennt, bezweifle es aber. Jedenfalls sagt er nichts. Wahrscheinlich fährt er jeden Tag hunderte von Leuten herum.
Als wir beim Haus ankommen, sehe ich als Erstes, dass es leer ist. Naz ist weg. Killer begrüßt mich, sobald ich die Tür öffne. Er wedelt aufgeregt mit dem Schwanz.
„Hey, Junge“, sage ich und kraule seinen Kopf, „Bist du ganz allein?“
Melody weicht dem Hund mit erhobenen Händen aus. „Oh mein Gott, spring mich bloß nicht an. Sonst rieche ich nachher wie du.“
Ich lache. „So schlimm riecht er nicht.“
„Wirklich, Karissa? Wann hast du den armen Kerl das letzte Mal gebadet?“
„Äh, das ist eine Weile her.“
Es ist so schwierig, das allein zu machen, und Naz ist keine große Hilfe. Er ist so nett, ihn für mich im Mercedes zum Hundefrisör zu fahren, wenn ich ihn darum bitte. Aber Killer gefällt es nicht, in dem Auto zu sein.
„Ernsthaft, spritz den armen Hund im Garten mit einem Schlauch ab, wenn es gar nicht anders geht“, sagt sie. „Er riecht schon wie die Füße meiner Mitbewohnerin. Igitt, und die stinken.“
Ich verdrehe die Augen, gehe zur Hintertür des Hauses, öffne sie und lasse den Hund hinauslaufen. Der Garten ist nicht besonders groß, aber das scheint ihn nicht zu stören. Ich habe versucht, mit ihm in den Park zu fahren. Doch dazu ist es erforderlich, dass er ins Auto steigt und, wie schon gesagt, das macht ihn nicht besonders glücklich. Also bleibt nur der Garten.
„Ich bin sicher, du erkennst, welcher Kleiderschrank meiner ist“, sage ich. „Die Treppe hoch, die erste Tür auf der rechten Seite.“
Melody verschwindet, und ich fülle Killers Futternapf und sorge dafür, dass er alles hat, bevor ich ihr nach oben folge. Es sind weniger als zehn Minuten vergangen, aber die Hälfte meiner Sachen liegt schon im Schlafzimmer verstreut. Sie streift gerade ein kurzes schwarzes Kleid über, das ich noch nie getragen habe.
„Mein Gott, das ist fantastisch. Wer ist der Designer?“
Sie sieht mich an, als sollte ich die Antwort darauf wissen. „Dieser Typ, du weißt schon … der, der damals diese Sache gemacht hat. Der ist es.“
Sie lächelt mich an. „Du redest so einen Müll.“
Das tue ich.
„Es sieht umwerfend aus an dir“, sage ich. „Du solltest es tragen.“
Sie quietscht und rast wieder zum Schrank. „Hast du Schuhe, die dazu passen?“
Fünf Minuten später steht sie im Badezimmer, frisiert sich vor dem Spiegel und schnorrt mein bisschen Make-up. Ich überlasse sie ihrem Styling und gehe nach unten. Mann, ihr nur zuzusehen, wie sie sich vorbereitet, macht mich ganz nervös. Es ist ermüdend.
„Du bist früh zu Hause.“
Die unerwartete Stimme erschreckt mich. Ich fasse mir an die Brust, trete einen Schritt zurück und sehe zur Haustür. Naz steht im Eingangsbereich, die Hände in den Taschen, eine Zeitung unter dem rechten Arm. Wie schafft er es nach all der Zeit immer noch, sich an mich anzuschleichen?
„Himmel, Naz, ich habe dich nicht reinkommen hören.“
„Das habe ich mir gedacht“, antwortet er tonlos. „Du schienst ziemlich beschäftigt zu sein.“
„Ich habe nur … ich meine, wir … du weißt schon.“
Ich zeige die Treppe hoch. Ich weiß nicht, ob er damit etwas anfangen, ob er erraten kann, was ich meine. Aber ich bin plötzlich völlig entnervt, Wellen von Nervosität durchlaufen meinen Körper, als ich ihn ansehe. Er rührt sich nicht. Kein bisschen. Er steht da, als würde er Wache halten. Ich würde nicht sagen, dass er wütend aussieht, aber irgendetwas stimmt nicht.
„Ja“, sagt er. „Ich weiß.“
„Melody hat heute Abend ein Date“, erzähle ich ihm, als würde ihn das interessieren. Aber wenn er verärgert ist, weil sie hier ist, versteht er es vielleicht, wenn ich erkläre, warum. Ihm hat es noch nie behagt, wenn andere Menschen im Haus sind. „Sie brauchte etwas zum Anziehen und hatte nichts. Ich meine, sie hat Sachen, aber nichts … Geeignetes für das Date. Also sind wir hergekommen, um zu sehen, ob ich etwas habe. Und so war es. Sie trägt es jetzt, weil … na ja, weil sie nichts hatte.“
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