1 ...8 9 10 12 13 14 ...55 »Mit einem Doktor – Doktor Slammer beim siebenundneunzigsten Regiment«, sagte Herr Winkle, der die Sache so feierlich wie möglich machen wollte; »eine Ehrensache mit einem Offizier, dem ein anderer Offizier sekundiert – heute abend um Sonnenuntergang, auf einem abgelegenen Felde in der Nähe des Forts Pitt.«
»Ich werde Sie begleiten«, sagte Herr Snodgraß.
Er war zwar erstaunt, aber keineswegs erschrocken. Es ist außerordentlich, wie kaltblütig alle – die Beteiligten ausgenommen – eine solche Sache nehmen. Herr Winkle hatte das außer acht gelassen und die Gefühle seines Freundes nach den eigenen bemessen.
»Die Folgen können schrecklich sein«, sagte Herr Winkle.
»Ich hoffe nicht«, versetzte Herr Snodgraß.
»Der Doktor, glaube ich, ist ein sehr guter Schütze«, sagte Herr Winkle.
»Das sind die meisten beim Militär«, bemerkte Herr Snodgraß ruhig; »aber Sie sind es auch – nicht wahr?«
Herr Winkle bejahte, und da er seinen Gefährten nicht hinreichend bestürzt sah, so änderte er seinen Feldzugsplan.
»Snodgraß,« sagte er mit vor Erregung bebender Stimme, »wenn ich falle, so werden Sie in einem Paket, das ich in Ihre Hände zu geben gedenke, einen Brief finden – an meinen Vater.«
Auch dieser Angriff schlug fehl. Herr Snodgraß war zwar gerührt, aber er übernahm die Besorgung des Schreibens so bereitwillig wie ein Briefträger.
»Wenn ich falle«, fuhr Herr Winkle fort, »oder wenn der Doktor fällt, so werden wir, als bei der Sache beteiligt, vor Gericht gestellt. Soll ich meinen Freund der Gefahr der Strafverbannung – vielleicht gar der seines Lebens aussetzen!«
Herr Snodgraß kratzte sich jetzt zwar ein wenig am Kopfe, aber sein Heldenmut war unüberwindlich.
»In Sachen der Freundschaft«, rief er begeistert, »biete ich allen Gefahren Trotz.«
Wie verwünschte Herr Winkle in seinem Innern die aufopfernde Freundschaft seines Gefährten, als sie einige Minuten schweigend nebeneinandergingen und jeder sich in seinen eigenen Betrachtungen vertiefte. Der Morgen entschwand – und Herr Winkle geriet in Verzweiflung.
»Snodgraß,« sagte er plötzlich haltmachend, »damit aber ja keine Störung dazwischen kommt! Sie dürfen durchaus nicht den Lokalbehörden eine Anzeige machen – keine Polizeibeamte aufrufen, um durch meine oder durch die Verhaftung des Doktors Slammer vom siebenundneunzigsten Regiment, einquartiert in der Chatamkaserne, diesem Duelle vorzubeugen. Ich sage Ihnen, tun Sie es nicht .«
Herr Snodgraß ergriff die Hand seines Freundes mit Wärme und versetzte mit Begeisterung:
»Nein, nicht um die Welt!«
Ein Schauder überlief Herrn Winkles Körper, als er die schreckliche Überzeugung gewann, daß er von der Furcht seines Freundes nichts zu hoffen habe, und daß er bestimmt sei, das lebendige Ziel einer Feuerwaffe zu werden.
Nachdem die Lage der Dinge mit allen Umständen Herrn Snodgraß mitgeteilt worden war, verfügten sich die beiden Freunde nach einem Kaufladen, um sich mit Pistolen, Pulver, Blei und Zündhütchen zu versehen, und kehrten sodann nach ihrem Gasthofe zurück – Herr Winkle, um über den bevorstehenden Kampf nachzudenken, und Herr Snodgraß, um die Waffen für den augenblicklichen Gebrauch instandzusetzen.
Es war ein trüber, unfreundlicher Abend, als sich beide für das unangenehme Geschäft auf den Weg machten. Herr Winkle hatte sich, um der Beobachtung zu entgehen, in einen ungeheuren Mantel gehüllt, und Herr Snodgraß trug unter dem seinigen die Werkzeuge der Zerstörung.
»Haben Sie alles bei sich«, fragte Herr Winkle mit erstickter Stimme.
»Alles«, versetzte Herr Snodgraß. »Auch Munition die Fülle, wenn die ersten Schüsse kein Resultat liefern sollten. Ich habe ein viertel Pfund Pulver in der Schachtel und zwei Zeitungen 12zu Pfröpfen in der Tasche.«
Das waren Freundschaftsproben, für die sich jeder ungemein verpflichtet fühlen mußte. Wir vermuten daher, daß Herrn Winkles Dankesgefühle zu übermächtig waren, um sich in Worten ausdrücken zu lassen, denn er sagte nichts, sondern ging – freilich ziemlich langsam – weiter.
»Wir kommen ganz zur rechten Zeit«, sagte Herr Snodgraß, als sie über die Umzäunung des ersten Feldes wegkletterten. »Die Sonne ist eben im Untergehen begriffen.«
Herr Winkle blickte auf den sich senkenden Feuerball und dachte mit Schmerz an die Möglichkeit seines eigenen »Untergangs«, der ihn in so kurzer Frist treffen konnte.
»Dort ist der Offizier«, rief Herr Winkle, nachdem sie wieder einige Minuten gegangen waren.
»Wo?« fragte Herr Snodgraß.
»Dort! Der Herr im blauen Mantel.«
Herr Snodgraß blickte in die Richtung, die ihm der Finger seines Freundes anzeigte, und gewahrte eine in der beschriebenen Weise verhüllte Gestalt. Der Offizier gab durch ein Winken mit der Hand zu erkennen, daß er ihrer gleichfalls ansichtig geworden, und die Freunde folgten ihm in einiger Entfernung, während er auf den Ort des Stelldicheins losging.
Der Himmel wurde mit jedem Augenblick trüber, und ein melancholischer Wind heulte über die einsamen Felder, ähnlich einem fernen Reisenden, der nach seinem Hunde pfeift. Das Düstere der Umgebung versetzte Herrn Winkle in eine noch schwermütigere Stimmung. Er fuhr zusammen, als er an dem Winkel des Laufgrabens vorbeikam – der Graben sah aus wie ein ungeheures Grab.
Der Offizier bog plötzlich vom Fußpfade ab, klomm über ein Pfahlwerk, stieg über eine Hecke und gelangte auf ein abgeschlossenes Feld. Dort warteten zwei Herren, der eine ein kleiner wohlbeleibter Mann mit schwarzem Haar, der andere eine stattliche Gestalt in einem militärischen Überrock – letzterer mit vollkommenem Gleichmut auf einem Feldstuhle sitzend.
»Die Gegenpartei und ein Wundarzt, wie ich denke«, sagte Herr Snodgraß. »Nehmen Sie einen Tropfen Branntwein.«
Herr Winkle ergriff die Feldflasche, die ihm sein Freund hinreichte, und holte sich einen tiefen Schluck von der belebenden Flüssigkeit.
»Mein Freund, Herr Snodgraß, Sir«, sagte Herr Winkle, als der Offizier herantrat.
Doktor Slammers Freund verbeugte sich und brachte ein ähnliches Futteral, wie Herr Snodgraß eines bei sich führte, zum Vorschein.
»Ich denke, wir haben uns nichts weiteres zu sagen«, begann er kaltblütig, als er den Waffenbehälter öffnete, »da eine Abbitte entschieden abgelehnt wurde.«
»Nichts, Sir«, versetzte Herr Snodgraß, dem es jetzt bei der Sache etwas unwohl zu werden anfing.
»Wollen Sie vortreten?« sagte der Offizier.
»O ja«, entgegnete Herr Snodgraß.
Die Mensur wurde bestimmt und die weiteren Einleitungen getroffen.
»Sie werden diese besser als Ihre eigenen finden«, sagte der Sekundant der Gegenpartei, indem er seine Pistolen anbot. »Sie haben beim Laden zugesehen. Oder haben Sie etwas gegen deren Benutzung einzuwenden?«
»Nicht das mindeste«, entgegnete Herr Snodgraß.
Dieses Anerbieten wälzte ihm einen Stein vom Herzen, denn er hatte nur sehr unbestimmte und mangelhafte Begriffe vom Laden einer Pistole.
»So können wir, denke ich, jetzt unsere Duellanten aufstellen«, bemerkte der Offizier mit einer Gleichgültigkeit, als wären die beiden Gegner Schachfiguren und die Sekundanten die Spieler.
»Ich denke es auch«, erwiderte Herr Snodgraß, der, weil er nichts von der ganzen Sache verstand, zu jedem Vorschlage Ja gesagt haben würde.
Der Offizier verfügte sich zum Doktor Slammer, und Snodgraß trat an Herrn Winkles Seite.
»Es ist alles im reinen«, sprach er, indem er seinem Freunde die Pistole einhändigte. »Geben Sie mir Ihren Mantel.«
»Sie haben doch das Paket in treue Verwahrung genommen, mein lieber Freund?« sagte der arme Winkle.
»Alles in Ordnung«, versetzte Herr Snodgraß. »Zielen Sie ruhig und schießen Sie Ihren Feind in den Arm.«
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