Bleakhaus
Charles Dickens
Inhaltsverzeichnis
Im Kanzleigericht
2. Kapitel
In der vornehmen Welt
3. Kapitel
Die Geschichte einer Jugend
4. Kapitel
Menschenliebe mit dem Fernrohr vor den Augen
5. Kapitel
Ein Morgenabenteuer
6. Kapitel
Ganz zu Hause
7. Kapitel
Der Geisterweg
Das achte Kapitel –
deckt eine Menge Sünden zu.
9. Kapitel
Anzeichen
10. Kapitel
Der Advokatenschreiber
11. Kapitel
Unser geliebter Bruder
12. Kapitel
Auf der Lauer
13. Kapitel
Esthers Erzählung
14. Kapitel
Anstand
15. Kapitel
Bell Yard
16. Kapitel
»Toms Einöd«
17. Kapitel
Esthers Erzählung
18. Kapitel
Lady Dedlock
19. Kapitel
Marsch vorwärts
20. Kapitel
Ein neuer Mieter
21. Kapitel
Die Familie Smallweed
22. Kapitel
Mr. Bucket
23. Kapitel
Esthers Erzählung
24. Kapitel
Eine Gerichtsverhandlung
25. Kapitel
Mrs. Snagsby auf der Lauer
26. Kapitel
Scharfschützen
27. Kapitel
Schachzüge
28. Kapitel
Der Hüttenbesitzer
29. Kapitel
Der junge Mann
30. Kapitel
Esthers Erzählung
31. Kapitel
Wärterin und Kranke
32. Kapitel
Um die bestimmte Stunde
33. Kapitel
Mr. Smallweed mischt sich ein
34. Kapitel
Unter der Schraube
35. Kapitel
Esthers Erzählung
36. Kapitel
Chesney Wold
37. Kapitel
Jarndyce kontra Jarndyce
38. Kapitel
Ein Seelenkampf
39. Kapitel
Advokat und Klient
40. Kapitel
Häusliche und Staats-Angelegenheiten
41. Kapitel
In Mr. Tulkinghorns Zimmer
42. Kapitel
In Mr. Tulkinghorns Wohnung
43. Kapitel
Esthers Erzählung
44. Kapitel
Der Brief und die Antwort
45. Kapitel
Im Vertrauen
46. Kapitel
Aufhalten! Aufhalten!
47. Kapitel
Jos letzter Wille
48. Kapitel
Das Verhängnis nimmt seinen Lauf
49. Kapitel
Hie Pflicht, hie Freundschaft!
50. Kapitel
Esthers Erzählung
51. Kapitel
Mir geht plötzlich ein Licht auf
52. Kapitel
Halsstarrigkeit
53. Kapitel
Die Spur
54. Kapitel
Eine Mine fliegt auf
55. Kapitel
Flucht
56. Kapitel
Verfolgung
57. Kapitel
Esthers Erzählung
58. Kapitel
Ein Wintertag und eine Winternacht
59. Kapitel
Esthers Erzählung
60. Kapitel
Aussichten
61. Kapitel
Eine Entdeckung
62. Kapitel
Noch eine Entdeckung
63. Kapitel
Stahl und Eisen
64. Kapitel
Esthers Erzählung
65. Kapitel
Ein neues Leben
66. Kapitel
Unten in Lincolnshire
67. Kapitel
Der Schluß von Esthers Erzählung
Impressum
London. Der Michaelitermin ist vorüber, und der Lordkanzler sitzt in der Lincoln's-Inn-Hall. Abscheuliches Novemberwetter. Soviel Schmutz in den Straßen, als ob die Wasser des Himmels sich eben erst von der neugeschaffenen Erde verlaufen hätten und es gar nichts Wunderbares wäre, wenn man einem vierzig Fuß langen Megalosaurus begegnete, wie er gerade – ein Elefant unter den Eidechsen – Holborn-Hill hinaufwatschelt.
Der Rauch senkt sich von den Schornsteinen nieder, ein dichter schwarzer Regen von Rußbatzen, so groß wie ausgewachsene Schneeflocken, die in schwarzen Kleidern den Tod der Sonne betrauern wollen. Hunde, unkenntlich vor Schmutz, Pferde, nicht viel besser dran, bis an die Scheuklappen mit Kot bespritzt. Fußgänger drängen sich, von der allgemeinen Seuche übler Laune angesteckt, mit Regenschirmen aneinander vorbei und glitschen an den Straßenecken aus, wo bereits Zehntausende vor ihnen den trüben Tag über ausgerutscht sind und neue Schichten zu den Schmutzkrusten hinzugefügt haben, die an diesen Stellen zäh am Pflaster kleben und sich anhäufen mit Zinseszinsen.
Nebel überall, Nebel stromauf, wo der Fluß zwischen Buschwerk und Wiesen dahinfließt; Nebel stromab, wo er sich schmutzig zwischen Reihen von Schiffen und dem Uferunrat der großen, unsauberen Stadt durchwälzt. Nebel auf den Sümpfen von Essex und Nebel auf den Höhen von Kent. Nebel kriecht in die Kabusen der Kohlenschiffe; Nebel liegt draußen auf den Rahen und klimmt durch das Tauwerk; Nebel senkt sich auf die Deckverkleidung der Barken und Boote. Nebel dringt in die Augen und Kehlen der alten Greenwichinvaliden, die am Kamin in ihren Kämmerchen husten und keuchen, dringt in das Rohr und den Kopf der Shagpfeife des grimmigen Schiffseigners unten in seiner engen Kajüte und beißt grausam in Zehen und Finger des fröstelnden kleinen Schiffsjungen auf Deck. Passanten schauen von den Brücken herab über die Geländer in einen Nebelhimmel und sind rings von Nebel umgeben, als ob sie in einem Luftballon mitten in grauen Wolken hingen.
Gaslampen stieren in den Straßen trübäugig durch den Nebel wie draußen die Sonne wohl auf den durchweichten Feldern. Die meisten Läden haben zwei Stunden vor der Zeit angezündet, und das Gaslicht scheint es zu wissen, denn es sieht schmal und mürrisch aus.
Am rauhesten ist der Nachmittag; da ist der Nebel am dicksten, die Straße am schmutzigsten in der Nähe jenes dickschädligen steinernen Hindernisses, das so recht eine passende Zier für die Schwelle der dickschädligen alten Korporation – des »Tempels« – ist. Und dicht beim »Tempel« in der Lincoln's-Inn-Hall, mitten im Herzen des Nebels sitzt der Lord-Oberkanzler in seinem hohen Kanzleigerichtshof.
Nie kann der Nebel zu dick, nie der Schmutz und Kot zu tief sein, um dem versumpften und verschlammten Zustand zu entsprechen, in dem sich dieser hohe Kanzleigerichtshof, dieser schlimmste aller ergrauten Sünder, an einem solchen Tage dem Himmel und der Erde präsentiert.
An einem solchen Nachmittag sitzt der Lord-Oberkanzler da mit einer Nebelglorie um das Haupt, eingehüllt und umgeben von Scharlachtuch und Vorhängen und vor sich einen dicken Advokaten mit starkem Backenbart, einer dünnen Stimme und endlosen Prozeßakten, der seine Blicke auf die Laterne an der Decke richtet, wo er nichts als Nebel sieht.
An einem solchen Nachmittag sitzen ein paar Dutzend Mitglieder des Barreaus, des hohen Kanzleigerichts, hier, beschäftigt mit einem der zehntausend Stadien eines endlosen Prozesses. Sie legen einander Schlingen mit schlüpfrigen Präzedenzien; knietief in technischen Ausdrücken watend rennen sie ihre mit Ziegen- und Pferdehaar geschützten Köpfe gegen Wälle von Worten und führen ein Schauspiel von Gerechtigkeit auf; Komödianten mit ernsthaften Gesichtern.
An einem solchen Nachmittag müssen die verschiedenen Solizitoren in einer Rechtssache, die zwei oder drei von ihren dabei reich gewordenen Vätern geerbt haben, in einer Reihe sitzen in einem mit Strohmatten ausgelegten Brunnen, auf dessen Grund man vergebens nach der Wahrheit suchen würde – zwischen dem roten Tisch des Registrators und den seidenen Talaren –, Repliken, Dupliken, Schlußworte, Dekrete, Eingaben, Informationen und Berge geldverschlingenden Unsinns vor sich aufgehäuft. Kein Wunder, daß der Saal trübe ist, nur hie und da von schmelzenden Kerzen spärlich erhellt, wenn Nebel schwer darin hängt, die bunten Glasfenster die Farbe verloren haben und kein Tageslicht hereinlassen; kein Wunder, wenn die Uneingeweihten auf der Straße, die durch die Glasscheiben in den Türen hereinblicken, sich von dem Eintritt abschrecken lassen durch den lichtscheuen, eulenhaften Anblick und das schläfrige Gesumm, das matt zur Decke hinauftönt von dem gepolsterten Baldachin, von wo der Lord-Oberkanzler zu der Laterne aufblickt, in der kein Licht ist, und wo die Perücken der beisitzenden Richter in Nebeldunst verschwimmen.
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