Dieser Ansatz des definitorischen Egoismus läuft manchmal unter dem Namen der rationalen Wahl, und umfasst nichts anderes als innere Konsistenz. In diesem Zugang werden die Entscheidungen einer Person als »rational« dann und nur dann betrachtet, wenn alle diese Entscheidungen durch eine Präferenzbeziehung erklärt werden können, die mit der Offenbarten-Präferenz-Definition übereinstimmt, wenn also alle Entscheidungen als Wahl der »am meisten bevorzugten« Alternativen durch eine postulierte Präferenzbeziehung erklärt werden können.15 Der Grundgedanke dieses Ansatzes scheint auf der Idee zu basieren, dass der einzige Weg, um die wahren Präferenzen einer Person zu erfassen, darin besteht, ihre tatsächlichen Entscheidungen zu untersuchen, und dass kein entscheidungsunabhängiger Weg sich zeigt, um Einstellungen zu Alternativen zu begreifen. (Diese Sicht ist übrigens nicht nur auf Ökonomen beschränkt. Als ich vor vielen Jahren meinen Eignungstest für Englische Literatur an der Universität Kalkutta ablegen musste, lautete eine der Fragen zu Ein Sommernachtstraum : »Vergleichen Sie die Charaktere von Hermia und Helena. Für welche würden Sie sich entscheiden?«)
Ich habe an anderer Stelle zu zeigen versucht, dass dieser Ansatz, wenn wir die eigentümlichen Definitionen von Präferenz und Wohlfahrt meiden, sowohl zu viel als auch zu wenig voraussetzt: zu wenig deshalb, weil nicht auf Wahl basierende Informationsquellen zu Präferenz und Wohlfahrt – wie diese Begriffe normalerweise verstanden werden – existieren, und zu viel deshalb, weil eine Entscheidung womöglich einen Kompromiss aus einer Vielfalt an Überlegungen widerspiegelt, von denen persönliches Wohl nur eine sein könnte.16
Die komplexen psychischen Vorgänge, die der Wahl zugrunde liegen, wurden jüngst in einigen eindringlichen Studien, die sich mit Konsumentenentscheidungen17 und Produktionsaktivitäten18 befassten, wirkungsvoll hervorgehoben. Die Frage ist mehr als offen, ob diese Verhaltensmerkmale überhaupt innerhalb der formalen Grenzen der konsistenten Wahl, auf denen die Theorie der Wohlfahrtsmaximierung beruht, festgehalten werden können.19
Paul Samuelson hat bemerkt, dass viele Ökonomen »die Wirtschaftswissenschaften von der Soziologie auf der Basis von rationalem und irrationalem Verhalten trennen, wobei diese Begriffe im Halbschatten der Nutzentheorie definiert sind.«20 Diese Sichtweise kann mit guten Gründen von Soziologen abgelehnt werden, doch zeigt sich das Kreuz, das die Ökonomen hinsichtlich dieser Dichotomie zu tragen haben, dann, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass der Ansatz des »rationalen Verhaltens«, wie er gängig interpretiert wird, zu einer bemerkenswert nichtssagenden Theorie führt. Es scheint, dass Verhalten »durch Präferenzen erklärt wird, die wiederum ausschließlich durch Verhalten definiert werden«. Häufige Ausflüge in Zirkularitäten sind daher nicht überraschend. Dennoch hat Samuelson ohne Zweifel recht, wenn er annimmt, dass die Theorie »nicht bedeutungslos in technischem Sinne ist«.21 Der Grund dafür ist einfach. Wie bereits diskutiert, stellt der Ansatz den Anspruch der inneren Konsistenz von beobachteten Entscheidungen und dieser kann sehr wohl durch tatsächliche Beobachtungen widerlegt werden, durch die die Theorie »bedeutungsvoll« im Sinne von Samuelsons Aussage wird.
Die Forderung nach Konsistenz beweist überraschend durchdringende Kraft. Verschiedene allgemeine Merkmale von Bedarfsverhältnissen können davon abgeleitet werden. Im gegenwärtigen Kontext liegt jedoch das Hauptaugenmerk auf der Möglichkeit, die Konsistenzbedingung für tatsächliche Testungen zu verwenden. Samuelson spezifiziert die Notwendigkeit »idealer Beobachtungsbedingungen«, um die Implikationen des Ansatzes »zurückzuweisen oder zu verifizieren«. Diese sind jedoch nicht einfach zu erfüllen, da einerseits unser großes Bedürfnis nach Abwechslung es unzulässig macht, einzelne Entscheidungsakte (eher als Entscheidungs sequenzen ) als angemessene Einheiten zu betrachten, während andererseits Zeitspannen es komplizierter machen, zwischen Inkonsistenzen und wechselnden Geschmäckern zu unterscheiden. Tatsächlich gab es bisher äußerst wenige systematische Versuche, die Konsistenz des alltäglichen Verhaltens von Menschen zu testen, wenn auch interessante und brauchbare künstliche Experimente zu menschlichen Reaktionen auf Unsicherheit unter Laborbedingungen durchgeführt wurden. Es bleibt nach wie vor umstritten, was als zulässiger Beweis gelten kann. Würde man heute Ökonomen unterschiedlicher Schulen befragen, fände man ziemlich sicher ein Nebeneinander der Überzeugungen vor, (i) dass rationales Verhalten nicht falsifizierbar ist, (ii) dass es falsifizierbar ist, doch bislang nicht falsifiziert wurde, und (iii) dass es falsifizierbar und tatsächlich offenkundig falsch ist.22
Wie auch immer: Für meine Absichten hier ist das nicht von zentralem Belang. Selbst wenn wir die notwendige Konsistenz als gegeben hinnehmen, so würde dennoch, wie bereits angemerkt, die Frage nach dem Egoismus, es sei denn in einem rein definitorischen Sinn, ungelöst bleiben. Ein sich konsistent verhaltender Wähler kann jeglichen Grad an Egoismus vorweisen, den wir ihm zuschreiben wollen. Es stimmt natürlich, dass in dem speziellen Fall der reinen Konsumentenentscheidung über Privatgüter der Offenbarte-Präferenz-Theoretiker versucht, die »Präferenzen« oder »Nutzen« einer Person mit ihrem eigenen Bündel an Besitztümern in Beziehung zu setzen. Diese Einschränkung rührt jedenfalls nicht von der Garantie her, dass die Person einzig mit ihren eigenen Interessen beschäftigt ist, sondern von der Tatsache, dass ihr eigenes Konsumpaket – oder jenes ihrer Familie – das einzige Paket ist, über welches sie direkte Kontrolle in ihren Entscheidungsakten hat. Die Frage nach dem Egoismus bleibt dabei vollkommen offen. Ich denke außerdem, dass die Fragestellung einer klareren Formulierung bedarf, als sie bisher erhalten hat, und diesem Aspekt wende ich mich nun zu.
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