Und dann sieht man, wie sich beim Gegner die Pupillen weiten, denn er ahnt schon, was kommt. »Du, darf ich den noch einmal sehen?« Und je länger man zuwartet, desto toller ist dieses kleine, aber feine Spielchen.
Man weiß von Menschen, die daraufhin in psychiatrische Behandlung mussten. Für immer.
Wenn Sie den Ball erfolgreich in den Sand vor dem Grün gehauen haben, wenn Sie also am Strand liegen, wird alles gut. Jetzt gibt es unzählige heitere Möglichkeiten, die Golfrunde zu verlängern. Eine davon ist es, planlos draufzudreschen. Vielleicht toppen Sie den Ball bei dieser Gelegenheit, und er pfeift mit hundert Sachen Ihren Mitspielenden um die Ohren. Wenn Sie Glück haben, tauchen Sie den Schlägerkopf zehn, zwanzig Zentimeter hinter dem Ball in den Sand; mit Sicherheit wird er wie eine mit rezentem Valser Bergkäse überbackene Tomate dort liegen bleiben, wo er ist.
Eine andere, auch originelle Variante ist es, den Schläger kurz, spitz hinter dem Ball in den Sand zu hacken. Mit dieser Technik schaffen Sie es bestimmt bis knapp zur Bunkerkante. Nach drei, vier Versuchen, Ihre Schuhe werden voll Sand und die Handgelenke geschwollen sein, schmeißen Sie den Ball am besten unauffällig von Hand raus. Das ist für alle Seiten das Beste.
Dringend würde ich Ihnen davon abraten, sich in den Sand zu setzen. Bildlich gesprochen, bloß bildlich! Eine Variante, die immer wieder von besonderen Spaßvögeln ausprobiert wird. Die stehen dann breitbeinig da, das Gewicht leicht auf die Fersen verlagert, und stellen sich vor, sie säßen auf einem Stuhl und vor ihnen läge ein Erdbeertörtchen. (Ich persönlich mag zwar lieber Toni Gartmanns absolut legendäre Heidelbeer-Teile aus Zerfreila, aber das spielt jetzt keine Rolle.)
So, und nun schneidet der schlaue Sandmann mit seinem Wedge eben nicht nur den Rahm oben ab, sondern gleich das ganze Törtchen aus dem Sand. Mit lockerem Griff und einem vollen, elastischen und entschlossenen Schwung. Ball draußen. Voilà. Ende der Vorstellung. Fun-Faktor gleich null. Selber schuld.
By the way: Falls Sie den Bunker jemals verlassen sollten und für gute Stimmung bei den nachkommenden Sandmännern und -frauen sorgen wollen, brauchen Sie ihn nicht unbedingt sorgfältig zu rechen. Und wenn Sie wollen, dass der nächste Spieler einen Nervenzusammenbruch kriegt, dann schmeißen Sie das Werkzeug möglichst nahe an die Bunkerkante. Je näher, desto besser. Das hat den netten Nebeneffekt, dass ein in den Bunker rollender Ball am Rechen hängen bleiben wird – und zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so saublöd, dass man ihn kaum anständig von dort wegspielen kann. Besonders lustig ists immer dann, wenn der Ball zusätzlich in einer Fußspur zu liegen kommt. Großes Kino! Dem »Rechen von Fußabdrücken« wird im Golfsport generell viel zu viel Bedeutung beigemessen – da haben einige ja einen richtigen Knall.
Je niedriger das Handicap, desto pingeliger pflegen die Wichtigtuer ihren Spielplatz – und umso hysterischer überreagieren sie, wenn ihnen Trampeltiere eben diesen durcheinanderbringen. Nach einem Bunkerschlag liebkosen sie entrückt den Sand wie ein buddhistischer Mönch den Zen-Garten des Tenryu-ji-Klosters im Nordwesten von Kioto. Dabei müsste man doch meinen, dass die neunmalschlauen Single-Handicapper gar nicht erst in den Bunker spielen würden. Falsch. Irren ist männlich.
Weil die Scherzkekse immer wie die Professionals die Fahne angreifen und sich nicht mit einem »Green in Regulation« plus zwei Putts zufriedengeben, ist es nicht verwunderlich, dass sie praktisch immer ein viel zu hohes Risiko eingehen.
Wenn die Fahne in der Sonntagsposition steht, also ganz knapp am Bunker, ist der Strandbesuch dann eben programmiert. Und schon knirscht es zwischen den Zehen. Und den Zähnen.
Frieda Muggli, 93 Kilogramm Lebendgewicht (relativ mittig auf 161 Zentimeter Körperlänge verteilt), klebt am Lochrand, hält die Fahnenstange und wartet freudig darauf, dass ihr Mann den Drei-Meter-Putt zum Bogey einlocht. Wäre sie eine Ballerina aus der Ballettkompanie der Dresdener Semperoper, wäre alles kein Problem. Frau Muggli hat andere Qualitäten: Sie verantwortet mit ihrer stämmigen Fahnenbedienung den Stromboli-Effekt, der wesentlich dazu beiträgt, dass wir die Zahl der Dreiputts lockerflockig nach oben schrauben können.
Menschen wie die Mugglis sind es, die dafür verantwortlich sind, dass sich um die Löcher auf den Grüns Krater bilden, die jeden langsamen Putt kurz vor dem Fallen ausbrechen lassen. Klar erkennt der Profi bei genauer Inspektion, dass das Loch wie ein Vulkan aussieht – puttet er aber zu positiv und verzieht den Schlag nur um ein µ (physikalisch: das Müh, eine im Golf vergleichsweise verbreitete Einheit), dann isser halt weg. Und wenn er zu vorsichtig ans Werk geht, dann gerät der Ball an den Stromboli-Kraterrand und geniert sich erst recht am Loch vorbei.
Vermutlich ganz unbewusst macht Frau Muggli das einzig Richtige, um all jenen zu helfen, die ihr Handicap auf keinen Fall spielen können möchten. Jenen also, die die Fairways nur vom Hörensagen her kennen, weil sie dauernd irgendwo im Kakao rumturnen. Golfer, die sich Schlag um Schlag aus dem Semi-Rough, aus Wasserhindernissen und absurden Bunkern heraus aufs Grün arbeiteten, werden vor Freude ausflippen, wenn die Putts nach dem ganzen heiteren Scrambeln kurz vor dem Loch wegstrombolieren. Trampeltieren Sie also bitte weiter übers Grün, stehen Sie gopferteli möglichst nahe am Lochrand, und halten Sie die Fahnenstange dicht am Körper, Frau Muggli – es hilft!
Welches ist eigentlich Ihre Lieblingsdistanz? Hundertachtzig Meter? Bei welcher Entfernung zur Fahne fühlen Sie sich am sichersten? Bei hundertachtzig Metern? Angeber! Nein, jetzt mal im Ernst: bei hundertzehn oder hundert Metern? Bei sechzig oder vierzig? Das war natürlich eine Fangfrage, denn wer mit Lieblingsdistanzen operiert, versucht den Ball im Spiel zu halten, und wer das anstrebt, will ihn »in regulation« auf dem Grün landen lassen.
Aber exakt das wollen Sie ja vermeiden. Sie wollen vor allem die Natur genießen, die Gegend erkunden, auf benachbarten Fairways freundliche Menschen kennen lernen, Pilze und Beeren sammeln und möglichst viele Schläge machen und den Ausflug im Kreise von Freunden und mit einem Getränk nach Wahl begießen. Und Sie haben recht. Tatsächlich ist es ja eine kolossale Schnapsidee, die wirklich nur aus Schottland kommen kann, unbescholtenen Bürgern die Freizeit mit einem grotesk komplizierten Konzept zu vermiesen, dessen Endziel ein Zustand der Perfektion ist.
Wobei nicht einmal ganz sicher ist, dass das Golfspiel von schottischen Männern in Röcken erfunden wurde. Schon die alten Ägypter, die Römer und die Japaner, ja sogar die Koreaner – um 1400, vermutlich Kim Jong Il – sollen mit Ball und Schlägern rumhantiert haben. Die Chinesen gar schon ab 1000 – damals hieß das Spiel noch Gorf (!), aber weil das kein Schinese aussplechen konnte, wurde aus dem R der Einfachheit halber ein L.
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