Auf Einladung von Nino Haratischwili und dem Goethe-Institut Georgien sind sechs deutsche und sechs georgische Autorinnen und Autoren durch Georgien gereist, in das kleine Land zwischen dem Schwarzen Meer, dem Großen und dem Kleinen Kaukasus, wo tiefe Schluchten, hohe Gletscher, lange Palmenküsten, historische Höhlen und kosmopolitische Metropolen zu finden sind. Prometheus, Medea, Rustaweli und Stalin, sie alle gehören zu Georgien wie die einzigartige gewundene, uralte Schrift, eine fünfzehn Jahrhunderte währende literarische Tradition, fünfhundert Rebsorten und die unermessliche Gastfreundschaft. Entstanden sind literarische Reiseberichte, poetische Reflexionen und humorvolle Betrachtungen. Georgien. Eine literarische Reise ist eine Entdeckungstour durch ein widersprüchliches und wunderschönes Land, grafisch bibliophil gestaltet, mit überraschenden, amüsanten Weisheiten: »Als Paar zu reisen ist immer ein Risiko«, »Ein geschickter Traktorist ist in den Bergen eine sehr wichtige Persönlichkeit« oder »Don’t smoke on the horse«. Kurz: eine Einladung an den Leser, auf der Stelle seine Koffer zu packen.
»Die Texte zeugen von Erlebnissen, die man nur haben kann, wenn man sich dem Fremden gänzlich ausliefert und mit dem unschuldigen und unvoreingenommenen Blick eines Kindes staunt und beschreibt, anprangert und sich begeistern lässt.« Aus dem Vorwort von Nino Haratischwili
Herausgeber: Goethe-Institut Georgien, in Zusammenarbeit mit dem Georgian National Book Center, mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes.
EINE LITERARISCHE REISE
Mit einem Vorwort von Nino Haratischwili, illustriert von Julia B. Nowikowa
Aus dem Georgischen von Rachel Gratzfeld und Sybilla Heinze
Geleitwort von Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts
Vorwort von Nino Haratischwili
TUSCHETIEN
Lucy Fricke
Archil Kikodze
KACHETIEN
Ulla Lenze
Tamta Melaschwili
GORI/ADSCHARIEN
Volker Schmidt
Irma Tawelidse
TBILISSI
Fatma Aydemir
Nestan Nene Kwinikadse
SWANETIEN
Stephan Reich
Anna Kordsaia-Samadaschwili
KASBEK/GEORGISCHE HEERSTRAßE
Katja Petrowskaja
Abo Iaschaghaschwili
» Was man festhält, verliert man, was man verschenkt, behält man .« (Schota Rustaweli)
Liebe Leserinnen und Leser,
im Rahmen des Projektes »Perspektiven – Literatur im Dialog« wurden sechs deutsche und sechs georgische Autorinnen und Autoren vom Goethe-Institut Georgien eingeladen, als binationale Tandems durch die Regionen Georgiens zu reisen. Im Sommer 2017 begaben sich Katja Petrowskaja und Abo Iaschaghaschwili (Region Kasbek/Georgische Heerstraße), Ulla Lenze und Tamta Melaschwili (Region Kachetien), Volker Schmidt und Irma Tawelidse (Region Gori/Adscharien), Lucy Fricke und Archil Kikodze (Region Tuschetien), Stephan Reich und Anna Kordsaia-Samadaschwili (Region Swanetien), Fatma Aydemir und Nestan Nene Kwinikadse (Tbilissi) auf ihre Reisen durch Georgien.
Etwa eine Woche lang entdeckten die Autorenpaare das Land und seine Leute. Die georgische Öffentlichkeit reagierte mit großem Interesse auf die Autorinnen und Autoren, besonders gewürdigt wurde die Tatsache, dass auch vom Kulturbetrieb vernachlässigte Orte in das Projekt miteingebunden waren, fernab touristisch erschlossener Ziele.
Dieser Sammelband ist das Resultat der vielfältigen Begegnungen des Sommers 2017. Entstanden ist ein spannendes Panorama von Georgien. Neben den Tandem-Reisen nahmen Katja Petrowskaja, Ulla Lenze und Volker Schmidt an Lesungen und Diskussionen im Rahmen des Literaturfestivals 2017 in Tbilissi teil.
Das eingangs genannte Zitat des georgischen Dichters Schota Rustaweli, der zu den bedeutendsten Literaten des Mittelalters gehört, drückt die Offenheit, Großzügigkeit und Abenteuerlust des literarischen Austauschs zwischen Deutschland und Georgien aus – dies spiegelt sich auch in diesem Sammelband wider. Natürlich könnte man vorbringen, dass mit einer Publikation immer auch etwas »festgehalten« werde und nach der Logik des Zitats verloren zu gehen drohe. Mit einer solchen Momentaufnahme entsteht hier jedoch gleichzeitig eine Idee, die den geneigten Leser einlädt, sie weiterzuspinnen. Und so möchten wir Ihnen die literarischen Begegnungen der Autorinnen und Autoren mit den Regionen Georgiens nicht vorenthalten, die so reich an jenen Impressionen sind, die ihnen das am Großen Kaukasus gelegene Land »geschenkt« hat.
Was erwartet Sie also in diesem Sammelband? Die georgische Kultur wurde über die Jahrhunderte geprägt und bereichert von den Völkern, die das Land eroberten und besiedelten: Römer, Perser, Araber, Seldschuken, Mongolen, Timur Leng, Osmanen und schließlich die Russen hinterließen ihre Spuren in dem fruchtbaren Land. Die Legenden vom Halbgott Prometheus und vom Goldenen Vlies, aber auch Medeas grausames Schicksal hatten hier, auf dem Gebiet des heutigen Georgiens, ihren Schauplatz. Mit Gori als Geburtsort Stalins ist auch die sowjetische Vergangenheit dem Land tief eingeschrieben. Die turbulente Geschichte Georgiens hat beispielsweise Nino Haratischwili in ihrem eindrucksvollen Roman-Epos »Das achte Leben (Für Brilka)« (FVA 2014) literarisch bearbeitet und Lesern zugänglich gemacht. Die deutschen und georgischen Beiträge in dieser Sammlung der »literarischen Reise« sind allesamt sehr persönliche Porträts und Eindrücke von Städten, Landschaften und den Bewohnern dieses Landes. Es geht um Vergangenheit, Poetisches, die georgische Küche, um Mythisches oder Historisch-Skurriles.
Das Projekt führte in allen Landesteilen zu zahlreichen deutsch-georgischen Begegnungen. Die deutschen und georgischen Autorinnen und Autoren konnten sich voneinander und von dem, was das Ziel ihrer Reise zu bieten hatte, überraschen lassen, sodass ihre Reiseerfahrung ein differenzierteres Bild Georgiens und der georgischen Gesellschaft hat entstehen lassen. Gleichzeitig zeugt dieser Band in seiner eigenen Dynamik einmal mehr davon, wie kreativ und lebendig die heutige Kulturszene Georgiens ist.
Das Feld der Literatur- und Übersetzungsförderung nimmt in der Arbeit des Goethe-Instituts einen besonderen Stellenwert ein – an dieser Stelle möchte ich deshalb den mitwirkenden Autorinnen und Autoren aus Deutschland und Georgien sowie den Partnern des Projekts, dem Georgian National Book Center, der Frankfurter Verlagsanstalt und meinen Kolleginnen und Kollegen vom Goethe-Institut Georgien herzlich für ihre Beiträge, ihren Einsatz und ihre Unterstützung bei der Realisierung dieses Sammelbands danken. Ich bin überzeugt davon, dass uns mit diesem Zeugnis eines deutsch-georgischen Kulturaustauschs gerade in dem Jahr, in dem Georgien Gastland auf der Frankfurter Buchmesse ist, ein besonderes Geschenk gemacht wurde, dessen Eindrücke wir noch lange mit uns tragen werden.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre mit spannenden und berührenden Einblicken in die Kultur Georgiens.
Johannes Ebert
Generalsekretär des Goethe-Instituts
VON NINO HARATISCHWILI
Vor vielen Jahren lief ich mit einer Freundin aus Deutschland durch die Tbilisser Altstadt. Es war das erste Mal, dass mich jemand aus Deutschland in meiner Heimatstadt besuchte, die Grenzen waren noch nicht so lange offen und die Nachwirkungen der Nachperestroika-Zeit noch deutlich zu spüren, andererseits lag aber auch eine gewisse Aufbruchsstimmung in der Luft, der Wille zum Neuanfang. Ich selbst hatte mich an das westliche Leben noch nicht ganz gewöhnt, war zwischen Heimweh und den Herausforderungen der Integration hin- und hergerissen, auf einer intensiven Suche nach dem richtigen Ort, den richtigen Worten, nach der richtigen Sprache, um die Geschichten zu erzählen, die mir erzählenswert schienen und für die ich noch keine Heimat gefunden hatte.
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