FRANK GOYKE
Lüneburger Totentanz
Ein Hansekrimi
Die Hanse
© e-book Ausgabe CEP Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2014
Umschlag: Motiv: Detail aus »Portrait d. Kaufmanns Herrmann Hillebrandt«,
H. Holbein d. J., Wedigh 1533, Staatl. Museen z. Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Foto: Jörg P. Anders
eISBN 978-3-86393-513-9
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Prolog Die Salprobe PROLOG
ERSTER TEIL Lüneburg, das Salzhaus ERSTER TEIL Lüneburg, das Salzhaus
1. KAPITEL Vor der Hochzeit 1. KAPITEL
2. KAPITEL Die Trauung 2. KAPITEL
3. KAPITEL Kopfweh 3. KAPITEL
4. KAPITEL Eine Keilerei
INTERMEZZO EINS Die Reise nach Rostock
ZWEITER TEIL Rostock, das Malzhaus
1. KAPITEL Der Bote
2. KAPITEL Der Gast aus Reval
3. KAPITEL Nachtgestalten
4. KAPITEL Die Flucht
5. KAPITEL Der große Aufbruch
INTERMEZZO ZWEI Die Reise nach Reval
DRITTER TEIL Reval, das Wachs- und Flachshaus
1. KAPITEL Der Rat und der Kaufherr
2. KAPITEL Das Fischerdorf
3. KAPITEL Paenitet me fecisse homines
EPILOG Hortus conclusus
Lüneburg im März 1433: Margarete, die Tochter des Rostocker Kaufmannes und Ratsherrn Martin Grüneberg, heiratet Tidemann, den Sohn des Lüneburger Salinenpächters und Bürgermeisters Reyner Stolzfuß. Die feierliche Trauung endet tödlich. Als die Hochzeitsgesellschaft vor die Kirche tritt, rast ein Pferdefuhrwerk in die Festgesellschaft. Scheinbar hat der Junge auf dem Kutschbock die Kontrolle über die Pferde verloren. Im allgemeinen Tumult achtet niemand drauf, was auf den Treppen zur Kirche geschieht, und plötzlich liegt Lüdeke Peters, reicher Lüneburger Salzhändler, tot auf den Stufen – erstochen. Es soll nicht der einzige Mord bleiben; auch Reyner Stolzfuß wird ermordet, und sein Sohn entkommt nur knapp dem Tod. Die Spuren scheinen nach Reval zu führen. Hat der Revaler Salzhändler Ahlemann mit den Morden zu tun? Für Bruder Anselm und den trinkfreudigen Ritter von Ritzerow steht fest, sie müssen nach Reval. So schiffen sie sich schließlich ein und sorgen dort für einige Verwirrung …
Frank Goyke, 1961 in Rostock geboren, ist seit 1997 als freier Schriftsteller, Lektor und Herausgeber tätig. Er veröffentlichte bereits zahlreiche Kriminalromane; u. a. den erfolgreichen Hansekrimi »Balthazar Vrocklage ist verschwunden«. Sein Roman »Dummer Junge, toter Junge« wurde 1996 mit dem »Marlow« der RaymondChandler-Gesellschaft als bester deutschsprachiger Kriminalroman ausgezeichnet.
Lübeck ein Kaufhaus Köln ein Weinhaus Braunschweig ein Zeughaus Danzig ein Kornhaus Magdeburg ein Backhaus Rostock ein Malzhaus Lüneburg ein Salzhaus Stettin ein Fischhaus Halberstadt ein Frauenhaus Riga ein Hanf- und Butterhaus Reval ein Wachs- und Flachshaus Krakau ein Kupferhaus Visby ein Pech- und Teerhaus Spruch aus Hansezeiten
PROLOG
Ihre Vorgänger hatten es getan, und sie taten es auch. Man erwartete es von ihnen, also entsprachen sie der Erwartung, obwohl sie nichts ändern konnten. Auf das, worauf es ankam, hatten sie keinen Einfluss.
Sie waren zu viert und wurden empfangen wie Könige. Das war nicht nur schmeichelhaft, es entsprach auch dem Ritual und ihrer Stellung. Trotzdem fühlten sie sich unwohl. Sie waren dem Schicksal ausgeliefert, das sie spielen sollten.
Am Tor, das nur sie ohne strenge Kontrolle passieren durften, nahm sie der Sodmeister in Empfang. Den höchsten Beamten der Saline hatte Reyner Stolzfuß vorgeschlagen, und obwohl sie ihn gewählt und sich längst an Hans Boreken gewöhnt hatten, schauten sie bei jeder Probe auf Stolzfuß und prüften ihn auf seine Eignung zum Sündenbock.
»Alle Meister und alle Knechte, alle Sodkumpane und alle Solesieder, alle Höder und alle Söder begrüßen Euch Herren des Hohen Rates zur Salprobe«, rief Boreken, und die Ratsmusiker bliesen in die Langtrompeten. Bürgermeister Schelleper griff sich an die Stirn, seine empfindlichste Körperstelle.
»Wir müssen!«, spornte Friedrich Hogeherte seine Ratsgenossen an. Er und Nikolaus Gronehagen waren regierende Bürgermeister, bei Johannes Schelleper und Reyner Stolzfuß ruhte das Mandat.
Geführt von Hans Boreken und den beiden Barmeistern, den Polizeigewaltigen der Saline, begaben sich die vier Männer zum Sod. Der Sod schien ein gewöhnlicher Brunnen zu sein, aber was die Sodkumpane aus der Tiefe schöpften, war alles andere als gewöhnlich. Trotz des hohen Besuchs ruhte die Arbeit nicht.
Neben dem Sod befand sich der Abstieg zu den Stollen. Lüneburgs Schicksal wurde in der Unterwelt entschieden. Deshalb nahmen es die vier Bürgermeister auf sich, über eine Leiter hinabzusteigen.
Am Fuß der Leiter erwarteten sie die Fahrtknechte. Sie hatten Fackeln und leuchteten den hohen Herren auf ihrem Weg klaftertief in einen Gang hinein. Dort hatte der Sodmeister einen Tisch errichten lassen und ihn mit vier Stühlen umgeben. Der Tisch trug eine Decke, in die Motive aus der Heilsgeschichte gewirkt waren, und auf jedem Platz stand ein Bronzepokal.
Auch Hans Boreken und die Barmeister waren hinabgestiegen. Der Sodmeister bat die Bürgermeister zu Tisch, die Fahrtknechte stellten sich an den mit Eichenbohlen verschalten Wänden auf und illuminierten die Szene.
Friedrich Hogeherte, Nikolaus Gronehagen, Johannes Schelleper und Reyner Stolzfuß waren erfahrene Männer. Seit der letzten Ratswahl im Jahre 1431, also seit zwei Jahren, waren sie im Amt. Sie waren mehrmals hier unten gewesen, sie kannten das Zeremoniell. Eine Weinprobe wäre jedem von ihnen lieber gewesen, aber sie wussten, dass alles in ein paar Minuten vorbei sein würde.
Sodmeister Boreken ließ sich von den Barmeistern eine Holzkanne reichen, die schon bereitstand. Aus der Kanne füllte er die Pokale mit einer Flüssigkeit, die wie Wasser aussah. Es war auch Wasser, allerdings verriet der Salzgeruch, was es enthielt und was es so kostbar machte.
Die vier Bürgermeister hoben die Pokale und vertrauten sich in einem Trinkspruch Gott an. Jeder nahm einen herzhaften Schluck. Dann setzten sie die Pokale ab und stellten sie auf den Tisch zurück. Der Sodmeister, die Barmeister und die Fahrtknechte heuchelten Interesse, dabei kannten sie das Ergebnis schon. Die Bürgermeister schauten einander betroffen an. Sie wussten, in den nächsten Wochen würde Lüneburg weniger Salz verkaufen, würden weniger Münzen in den Kassen klingeln.
Die Sole war zu süß.
ERSTER TEIL
Lüneburg, das Salzhaus
1. KAPITEL
Die Dampfwolke über der Saline und den hohen Kirchturm von St. Johannis sahen die Reisenden zuerst. Sie kamen aus Rostock und aus Lübeck, und die Rostocker waren vor einem Monat in großer Kälte aufgebrochen, um nun, am 15. März 1433, endlich Lüneburg zu sehen. Sie sahen es, erreicht hatten sie es noch nicht. Die Dampfwolke und der Kirchturm sprachen allerdings vom bevorstehenden Ende der Fahrt, und auch das Kloster Lüne, das sich linker Hand erstreckte, zeigte ihnen, dass sie sich auf dem rechten Weg befanden.
»Heute Abend schlafen wir in einem reichen Haus«, rief der Rostocker Kaufmann und Ratsherr Martin Grüneberg und wandte sich zu seiner Tochter um, die hinter ihm auf dem Planwagen hockte und übernächtigt aussah. Für Margarete war es die erste Reise ihres Lebens. Sie war sechzehn Jahre alt, und in ein paar Tagen würde sie Margarete Stolzfuß sein.
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