Schließlich bestiegen Jan und Thomas nach einer erneuten Runde Gerstensaft den zwanzig Meter hohen Rundturm, um die Aussicht zu genießen. Fantastisch: Der Blick zum Brocken, Wurmberg, Ravensberg oder dem Bergstädtchen St. Andreasberg. Die Mühen wurden mit einem herrlichen Panorama belohnt.
Leider sollte dies der letzte schöne Moment im Leben von Thomas Reich und Jan Ebeling sein…
Mittlerweile war es spät geworden. Die zwei Freunde waren die letzten Gäste und es wurde langsam dunkel draußen.
Bernd gab den Beiden noch einen Schiercker-Feuerstein - Schnaps mit auf den Weg. Und so ging es nun über den legendären Bergpfad Richtung Knollenkreuz und Bad Lauterberg.
Was vorher so herrlich und naturverbunden wirkte, sah in der Dämmerung ganz anders aus. Mit einem Schlag war es jetzt düster, da am Himmel auch noch schwarze Wolken aufzogen. Und so zückte Thomas seine Taschenlampe und leuchtete damit in den Weg. Mit einem steilen Abhang auf der linken Seite des Pfades schritten die Freunde durch die Dunkelheit.
Ein unheilvoll komisches Gefühl kam in den Männern auf.
Die Bäume warfen gespenstische Schatten in den Schein der Lichtquelle und mutierten so zu unheimlichen Erscheinungen. Der Schrei eines Käuzchens hallte durch die gespenstische Dunkelheit. Dann war da noch das vom aufkommenden Wind raschelnde Laub der Bäume. Ansonsten herrschte absolute Stille.
„Ganz schön gruselig hier in der Dunkelheit, Thomas. Bei mir stellen sich alle Nackenhaare hoch“, äußerte Jan verängstigt.
„Mir geht es nicht besser, aber bald haben wir es ja geschafft“, antwortete sein Kumpel um Aufmunterung bemüht.
Immer weiter ging es für die Freunde bergab. An einer Wegbiegung wurde es so eng, dass Jan auf herumliegenden Steinen fast gestürzt wäre. Im letzten Moment konnte er sich fangen und fluchte leise vor sich hin. Es war hier schwierig auf dem Weg zu bleiben, da an Kurven vermeintliche Abzweigungen dazu einluden, in die falsche Richtung zu laufen. Nur das Licht der Lampe gab einigermaßen Aufschluss darüber, dass man doch richtig lag, da der korrekte Pfad dann doch besser ausgetreten war.
Nach einigen Kilometern erreichten sie eine Lichtung und damit das Knollenkreuz. Ein großer Platz, der mit Tisch und Bänken zu einer normalen Tageszeit zum Verweilen einlud. Aber nicht so heute. Die Wolken nahmen zu und der Himmel wurde immer schwärzer.
Irgendwie war es den Freunden jetzt noch unheimlicher. Sie machten eine Pause. Jan öffnete seinen Rucksack und holte die beiden Flachmänner mit dem Kräuterlikör hervor. Jetzt etwas Mut antrinken . Sie kippten den spendierten Schnaps von Bernd die Kehle hinunter. Nur noch zwei Kilometer und sie wären sicher im Ort…
Auf einmal sahen sie das fluoreszierende Licht in der Ferne; eine bläulich schimmernde, schwebende Kugel, die Kurs auf Jan und Bernd nahm. Und sie kam unaufhörlich näher…
Die Lichtkugel war jetzt direkt vor den Freunden.
„Was zur Hölle ist das?“ Es waren Jan Ebelings letzte Worte.
Wie ein Blitz traf sie ihn, ohne dass er eine Chance zum Ausweichen gehabt hätte. Noch hatte er nicht begriffen, dass er gleich sterben würde.
Der Astralkörper verformte und breitete sich aus.
„Vorsicht, Jan. Das Ding ist an dir“, schrie Thomas seinem Freund noch warnend zu.
Doch es war da schon zu spät, um noch zu fliehen. Das Gebilde drang pfeilschnell in Ebelings Körperöffnungen ein. Die übernatürliche Erscheinung glitt in Ohrenmuscheln, Nasenlöcher und Mund. Der junge Mann schrie wie am Spieß. Heißer als Feuer bahnte sich die gallertartige Masse seinen Weg durch den Körper. Jan erzitterte unter der Glut, die seine Eingeweide verbrannte.
„Was ist mit dir?“, rief Reich in seiner Hilflosigkeit und wusste im Grunde, dass er keine Antwort mehr erhalten würde.
Ebelings Körper erleuchtete auf einmal von innen. Dann fiel er in eine erbarmungswürdige Ohnmacht.
Eine furchtbare Fratze manifestierte sich in seinem Körper. Der Kopf bestand aus riesigen, dreieckigen Augen, dem die Nase zu fehlen schien. Dafür besaß der Dämon ein riesiges Gebiss mit furchterregenden Zähnen, die er in das pochende Herz schlug. Gierig fraß er es und absorbierte so die Seele des Menschen. Dann umfasste das Ungeheuer Jans Kehlkopf von innen und riss diesen mit einem Ruck aus dem Hals. Aber das bekam Ebeling schon nicht mehr mit.
Thomas war von den sich bietenden Horrorbildern völlig schockiert und im ersten Moment wie gelähmt.
Ein Ausläufer des dämonischen Organismus drang in Jans Anus ein und grub sich in den Leichnam mit einer sich bildenden, ballenden Faust. Alles war voller Blut. Dann durchbrach die Dämonenkralle den Übergang zu seinem Magen und riss einen Teil dessen hervor.
Das Grauen war für Thomas bei diesem Anblick allgegenwärtig. Er wusste nicht, ob er einfach weglaufen oder auf die Erde kotzen sollte.
Jans Bauch platzte auf. Darmschlingen klatschten auf den Erdboden und ein Gemisch aus Exkrementen und Mageninhalt spritzte in den Dreck. Dann war es vorbei. Der Dämon fuhr aus Jans Leiche heraus, schleuderte sie wie ein lästiges Insekt gegen den nächsten Baum und machte sich nun über Thomas her.
Der hatte keine Chance, als Damian in seinen Körper glitt und sein Herz fraß. Satans Sohn war ein Gestaltenwandler und hatte sich gerade seinen ersten Wirtskörper auserkoren.
Tim Berger räkelte sich an diesem Mittwoch in seinen Federn, als das Handy auf dem Nachtschrank ertönte. Ramones ihr Song „Rock and Roll Highschool“ erweckte sogar Tote aus ihrem Schlaf.
Verdammt, dachte Tim, als er auf dem Display die Bezeichnung „Arschloch“ las. Oh Mann, was wollte der Boss? Heute war doch sein freier Tag.
Gestern Abend hatte er noch mit Kumpels zusammengesessen. Sie hatten einige Pils getötet und geile Musik von früher gehört.
Er drückte auf den Gesprächsannahmebutton seines Smartphones und fragte Oberpolizeirat Ludwig ironisch: „Hi Officer! Was kann ich für Sie tun?“ Dabei ließ er seinen Blick durchs Zimmer schweifen. Die Bude sah wirklich scheiße aus. In seiner 60 Quadratmeter großen „Übergangslösung“ waren Wohn- und Schlafzimmer praktisch in einem Raum untergebracht. Er wohnte erst seit zwei Monaten hier, nachdem Jana ihn rausgeschmissen hatte. Die 32-jährige hatte keinen Bock mehr auf seine ewigen Schichten als Hauptkommissar gehabt. Und wenn er dann mal frei hatte, führte er sich mit seinen 38 Jahren auf wie ein großer Junge. Dabei war Jana Sommer kein Mensch, der nachtragend war, sondern eine Frau, wie sie sich ein Kerl nur wünschen konnte: Extrem hübsch und immer experimentierfreudig; auch wenn es um Sex ging.
Seine Kumpels hatten ihn regelrecht beneidet. Eine Nymphomanin war nichts gegen die Hemmungslosigkeit seiner Ex, wenn sie gut drauf war.
Auf dem Tisch türmten sich die Bierpullen. Der Teppich davor wurde von herumliegenden Kartoffelchips dekoriert und die schwarze Ledercouch war mit Vinyl und Covern von alten AC/DC und KISS-Platten ausstaffiert.
„Berger, mir ist durchaus bewusst, dass Sie heute frei haben. Aber die Umstände machen es erforderlich, Sie in den Dienst zu zitieren“, erläuterte ihm „Arschloch“.
Der Polizeioberrat schien ihn ja dringend zu brauchen. Wie kam Tim nur zu der Ehre?
Eigentlich war Ludwig ja ganz okay. Wenn er sich nur nicht immer so überkorrekt an die Dienstvorschriften halten würde. In der Vergangenheit waren er und Berger deshalb des Öfteren aneinandergeraten.
Zu dem erinnerte der Boss Tim mit seiner Gestik und Mimik immer irgendwie an Mr. Bean.
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