Das Aschenkreuz ist ein Symbol für beides: Die Asche bezeichnet Vergänglichkeit und Sterben. Das Kreuz bezeichnet die Erlösung, die uns in Jesus geschenkt ist.
Gott, wir tasten nach dir und wagen, dir zu vertrauen. So beginnen wir die 40 Tage der Unterbrechung und Umkehr. Wir bitten um das Staunen und die Ehrfurcht vor deiner Schöpfung. Wir bitten um den Mut, uns dir zu öffnen und deinen Geist in uns wirken zu lassen. Dann werden wir auch Wege finden, die der Welt dienen und den Geschöpfen dieser Erde ein gutes, würdiges Leben ermöglichen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Joh 8,1–11
Ich möchte in diesem Evangelium einer Spur nachgehen, die nur am Rand aufgezeigt wird: Jesus schreibt auf den Boden. Zwei Mal steht es da. Was hat er wohl geschrieben? Manche meinen, er wollte sich einfach von der Gruppe der Schriftgelehrten abwenden und schweigen.
Andere weisen auf einen Vers hin, der beim Propheten Jeremia steht: „Die sich von mir abwenden, werden in den Staub geschrieben, denn sie haben den Herrn verlassen, den Quell lebendigen Wassers“ (Jer 17,13b). Alle Namen also, der Name der Ehebrecherin, der Name der Schriftgelehrten, mein Name, Ihr Name – in den Staub geschrieben. Damit wir uns „aus dem Staub machen“ und zur Quelle zurückkehren. Dorthin, wo Gott sprudelt.
Ich finde, das ist eine schöne Deutung des Aschenkreuzes: Wir machen uns aus dem Staub. Wir verlassen das unfruchtbare Land: das Land der schnellen Urteile; das Land der bloßen Bedürfnisse; das Land der abwertenden Gesten; das Land der Gottferne; das Staubland. Gott sei Dank sind unsere Namen nicht in Stein gemeißelt. Sie sind nur in den Staub geschrieben und das Geschriebene wird wieder vom Wind zugeweht. Wir können aufstehen und wegziehen aus dem Staubland. Zurück zur Quelle.
Der Wind der Vergebung wird über den Staub wehen. Wir werden aufbrechen. „Auch ich verurteile dich nicht“, sagt Jesus zu der Ehebrecherin. Geh durch die Wüste – 40 Tage lang. Geh hin zur Quelle. Erfrische dich am Wasser. Trinke.
Das ist unser Programm für die Zeit bis Ostern. Fastenzeit ist die Zeit der Quellensuche. Zeit für Gott. Vielleicht reicht es nur für ein paar Gebetsminuten am Tag. Aber es reicht für ein 24-Stunden-Leben mit Gott. Für ein 24-Stunden-Vertrauen-auf-Jesus.
Manche Theologen meinen, Jesus habe den Gottesnamen in den Sand geschrieben. Das Tetragramm. Die vier hebräischen Buchstaben JHWH. Der Name, der sagt: Ich bin der Ich-bin-da. Oder auch: Ich bin da, wo du bist. Auch das ist eine Einladung für diese 40 Tage.
Gottes Name geschrieben in die Asche meines Alltags. Gottes Name geschrieben in den Staub der Geschichte, in den Staub der Politik, der Fluchtgeschichten, der fake news, der Machtspiele, der zerstörten Natur, der Menschenängste. Gottes Name geschrieben in meine Ängste, in meine Staubgeschichten. Gottes Name in mein Herz geschrieben.
Die große Schale in der Mitte ist mit Staub gefüllt. Lasst uns den Namen Gottes hineinschreiben, damit er unter uns gegenwärtig ist. Und wir alle legen unsre Namen, unser Wesen, unsere Sehnsucht Gott ans Herz.
Stille – Jemand schreibt in der meditativen Stille den Gottesnamen Jahwe in hebräischen Buchstaben in die Asche (von rechts nach links):
Währenddessen können die Mitfeiernden in Stille ihre Gebete und Anliegen in dieses Symbol hineingeben .
Gott, du willst nicht unseren Tod. Du willst, dass wir umkehren und leben.
Segne die Asche, mit der wir uns bezeichnen lassen. Erneuere uns durch Jesus Christus, deinen Sohn, und lass uns ihm immer ähnlicher werden. Schenke uns durch seine Auferstehung unvergängliches Leben bei dir.
Der*die Leiter*in zeichnet den Gläubigen mit Asche ein Kreuz auf die Stirn und spricht die Zusage:
„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.
Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,14)
Auf die Asche in der großen Schale werden bunte Blumen gelegt .
Leben, wachsen, blühen, wach sein.
Mit der Asche den Boden düngen.
Aufstehen und aufbrechen.
Sich korrigieren lassen,
ohne zurückzuschlagen.
Mit einem weiten Herzen leben.
Ein Herz, wie es Jesus hatte.
Ein Herz für die anderen,
die Gemütlichen und die Ungemütlichen,
die Geliebten und die Gefürchteten.
Jesus, berühre mein Herz
mit der Kraft deines Herzens
und lass daraus
die Heilkraft des Friedens fließen.
Mit Jesus lasst uns beten:
gemeinsam beten
einander still segnen
UND FÜHRE UNS DURCH DIE VERSUCHUNG
ERSTER FASTENSONNTAG
Wer bin ich? Bewusst oder unbewusst bewegt mich diese Frage jeden Tag. Manchmal freut sie mich, manchmal ärgert sie mich. In der Bibel finden wir die Frage schon auf der ersten Seite. Die Schöpfungsgeschichte versucht eine Antwort. Die Erzählung, wie Gott den Menschen aus Erde bildet und ihm seinen Atem einhaucht, meint, dass wir beides sind: Erde und Geist, sterbliche Wesen und Gottes geliebte Kinder. Mit der Frage „Wer bin ich?“ gehen wir durch die Fastenzeit. Wir tun es in aufrechtem Gang, also im Bewusstsein, dass wir eine göttliche Würde in uns tragen. Wir tun es auch im Bewusstsein unserer Schwäche und in der Sehnsucht nach Vergebung.
Beginnen wir im Zeichen des Kreuzes, das uns Halt und Erlösung gibt, und im Namen des dreifaltigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Ich möchte, dass mein Kopf frei wird von den quälenden Gedanken, in denen ich mich nur um mich selbst drehe. Herr, erbarme dich.
Ich möchte, dass meine Augen gütig werden, frei von Neid und Eifersucht, neugierig auf alles Schöne um mich. Christus, erbarme dich.
Ich möchte, dass meine Ohren hellhörig werden und durch die vielen Töne und Geräusche hindurch das Wort Gottes vernehmen. Herr, erbarme dich.
Gott des Lebens, wir kommen zu dir am Beginn der Fastenzeit. In unsere leeren Hände legst du eine Zeit, die wir gestalten und feiern dürfen. Vierzig Tage, die uns spüren lassen, wonach wir hungern. Vierzig Tage, die unsere Sinne schärfen für das, wonach andere dürsten. Begleite uns in der Zeit der Stille und des Verzichts und gib uns die Kraft, Raum zu schaffen für deine Gegenwart.
Gen 2,7–9; 3,1–7 und Mt 4,1–11
Vor vielen Jahren habe ich den Roman von Werner Bergengruen „Der Großtyrann und das Gericht“ gelesen. Der Großtyrann ist Herr der Stadt Casano. Er führt ein strenges Regiment, aber, so meint er es jedenfalls, nur zum Besten seiner Stadt. Eines Tages will er seine Untertanen auf die Probe stellen. Er inszeniert einen Mord und streut jeden Tag ein anderes Gerücht in der Bürgerschaft, wer der Mörder gewesen sein könnte. Er führt die Leute bewusst in Versuchung. Er will herausfinden, wie sie in ihrer Angst reagieren. Nach einer schlimmen und heillosen Zeit, in der sich alle gegenseitig bezichtigen, um die eigene Haut zu retten, beruft der Großtyrann eine Gerichtsverhandlung ein. Er deckt alles auf, die Meineide, die Intrigen, den Verrat an den besten Freunden, die dunklen Machenschaften, mit denen sich die Bürger seiner Stadt aus der Affäre ziehen wollten. Der Großtyrann schließt mit der Feststellung: „Ich habe gesehen, dass der Mensch nur in Versuchung geführt zu werden braucht, um in Schuld zu fallen.“ Da steht ein beherzter Bürger auf und sagt es dem Großtyrannen ins Gesicht: „Du bist der schlimmsten Versuchung erlegen, nämlich der, andere in Versuchung zu führen.“
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