Staub und Asche – Symbole der Vergänglichkeit. Dass alle Dinge vergänglich sind, wissen wir: Unsere Mülleimer und Schutthalden zeugen davon. Dass wir selbst vergänglich sind, tut uns weh und bedroht uns. Und doch ist es die Wahrheit – die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte heißt: Aus dem Staub wächst neues Leben. Gottes Leben.
Asche und Staub – Vom abendlichen Feuer im Kamin bleibt am nächsten Tag nur kalte Asche. Auch unsere Tage werden zu Staub. Auch von unseren glühenden Worten bleibt nicht viel. Ja, manche Liebe, die einmal Menschenherzen erwärmte, stirbt und erkaltet.
Ach Mensch, erkenne, wer du bist.
Asche und Staub – Zeichen verlorener Kriege. Zeichen für Dresden, Sarajewo und Hiroshima. Schuld der Geschichte und auch unsere persönliche Schuld. Ach Mensch, erkenne, wer du bist.
Asche und Staub – Wie das Erz im Feuer geläutert wird, damit es Silber und Gold freigibt, so wird vieles in uns geprüft und ausgebrannt, damit aus der Asche der neue Mensch in uns geboren wird.
Ach, Mensch, erkenne, wer du bist: für das Leben bist du bestimmt.
Jesus Christus, wir brauchen dich als unseren Lehrer, tagtäglich brauchen wir dich. Gib uns die Klarheit des Gewissens, die allein deinen Geist erspüren kann. Unsere Ohren sind taub, wir können deine Stimme nicht hören. Unser Blick ist getrübt und wir können deine Zeichen nicht sehen. Du allein kannst unser Ohr schärfen, unseren Blick klären und unser Herz reinigen. Lehre uns, zu deinen Füßen sitzen und auf dein Wort hören.
(nach John Henry Newman)
Ester 4,1–4
In Sack und Asche gehen – ein Sprichwort, das alle kennen. Sein Ursprung liegt in einer biblischen Geschichte, die uns im Buch Ester erzählt wird. Es handelt sich um eine Art Mahngeschichte, die die Hörenden anregt, mit drohender Gefahr und vor allem mit Ängsten umzugehen. In der Zeit, da Israel von dem Perserkönig beherrscht wurde, geschah es, dass eine junge schöne Frau – Ester – zur Königin aufstieg. Sie verhinderte eine furchtbare Katastrophe, da von einem persischen Großwesir, Haman mit Namen, ein Genozid, die Vernichtung der Juden, geplant wurde. Haman spann eine Intrige und erwirkte vom König den Erlass, die jüdische Bevölkerung auszurotten. Ester wird von ihrem Vetter Mordechai verständigt, sie betet inständig zu Gott um Hilfe und hat dann den Mut, zum König zu gehen und die Intrige aufzudecken.
Die Geschichte findet im Buch Ester eine gute Wendung. Der gottgläubigen und mutigen Frau Ester gelingt es, den König von den verbrecherischen Absichten abzubringen und das Blatt zu wenden. Er geht – wie es in der Geschichte heißt – in Sack und Asche. Dies war der Anfang einer wunderbaren Wendung. Und so ist das In-Sack-und-Asche-Gehen der Beginn einer Hoffnungsgeschichte. Diese Erzählung wird bis heute am Purimfest in den jüdischen Gemeinden vorgelesen. Purim ist das Fest der Befreiung, ein sehr ausgelassenes Fest, bei dem die Gläubigen sich verkleiden und die Kinder allerlei Streiche spielen. In Sack und Asche gehen – ein Wendepunkt. Ein Zeichen zum Aufbruch. Und die Aufforderung, der Freiheit und Gerechtigkeit freie Bahn zu geben.
Dies ist ein wichtiger Gedanke für den Aschermittwoch. Bis heute hat die Ester-Geschichte einen politischen Hintergrund. Antisemitismus – Genozid – Ausgrenzung von Minderheiten – Schuldzuweisung an Fremde: Wir kennen das nur zu gut.
Der Aschermittwoch ist kein Trauertag, sondern ein Tag der Neuorientierung. Das Lebenszeichen, das mit Jesus Christus in die Welt kam, das Kreuz, wird uns auf die Stirn gezeichnet. Es sagt uns: Bedenke, der Gott des Lebens hat dich gezeichnet mit dem Zeichen der Erlösung.
Gott, du willst nicht, dass wir ins Nichts gehen, du willst, dass wir die Fülle des Lebens finden in dir. So kehren wir um in deiner Kraft und gehen den Weg der Liebe. Segne diese Asche, mit der wir uns bezeichnen. Das Zeichen der Vergänglichkeit werde für uns zum Zeichen deiner lebendigen Kraft. Erneuere uns in Jesus Christus, deinem Sohn, und lass uns ihm ähnlich werden.
Bezeichnung mit dem Aschenkreuz
Der*die Leiter*in zeichnet den Gläubigen mit Asche ein Kreuz auf die Stirn und spricht:
„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.
Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,14)
Herr Jesus Christus, dein Evangelium bewirkt, dass wir uns dir anvertrauen und uns hinwenden zur Liebe Gottes. Deshalb bitten wir dich:
Um genügend Zeit zur Stille und Einkehr für uns und alle, die nach der Tiefe des Lebens suchen.
Um den Glauben an die Möglichkeit des Neuanfangs für uns und alle, die am Sinn ihres Lebens zweifeln.
Um offene Augen für uns und alle, die in unserer Gesellschaft und unserer Welt Verantwortung tragen.
Um wache Ohren für uns und alle, die mit den Sorgen und Nöten ihrer Mitmenschen konfrontiert sind.
Um ein liebevolles Herz für uns und alle, denen es gegeben ist, den Armen und Bedrängten zu helfen.
gemeinsam beten
Du, Gott, wirst uns nicht verurteilen, wenn wir mit unseren Brüchen zu dir kommen. Du wirst uns freisprechen, wenn wir uns dir zuwenden und unser Herz dir öffnen. So heile uns und lass uns mit frohem Herzen Christus, den Auferstandenen erwarten. Amen.
GOTTES NAME IN DEN STAUB GESCHRIEBEN
ASCHERMITTWOCH
Vorbereiten
Eine große Schale mit Staub (möglichst breit verteilt) steht in der Mitte des Raumes, daneben ein kleiner Stock.
Schalen mit Staub auf dem Altar, Blumen in einer Vase
Gott wohnt in einem Lichte (GL 429)
Mit dem aussagestarken Lied von Jochen Klepper haben wir die Liturgie am heutigen Aschermittwoch begonnen, zu der ich Sie herzlich begrüße.
Ich möchte die fünfte Strophe wiederholen:
„Nun darfst du in ihm leben
und bist nie mehr allein,
darfst in ihm atmen, weben
und immer bei ihm sein.
Den keiner je gesehen
noch künftig sehen kann,
will dir zur Seite stehen
und führt dich himmelan.“
So ist es: Wir suchen Gott, brauchen ihn, wollen an ihn glauben. Aber wir sehen ihn nicht, hören ihn nicht, begreifen ihn nicht. In dieser Spannung beginnen wir heute eine Zeit der Vergewisserung. Ohne zu wissen, glauben wir: Wir leben in Gott. Die vierzig Tage vor Ostern sind auch eine Zeit der Läuterung, so viel Unerlöstes ist noch in uns.
Читать дальше