Der Driver wandte den Kopf.
„Wo soll’s denn langgehen, Mister?“
„Bis zur Bahnlinie.“
„Und dann?“
„Da steig ich aus.“
Der Fahrer zuckte die Achseln und folgte der Aufforderung. Es war ihm deutlich anzusehen, was er von dem merkwürdigen Fahrgast hielt.
Etwa eine Meile vor der Stadt kreuzte die Bahn nach El Baccara die Straße. Sir Winston gab ein ansehnliches Trinkgeld, kletterte heraus und wartete, bis das Taxi gewendet hatte und seine Rücklichter in der Nacht verglüht waren.
Er war jetzt ganz allein. Der schwache Wind summte in den Telefondrähten. Über ihm dehnte sich der sternenglänzende Himmel, und die Umrisse von Agaven und verkrüppelten Buschpflanzen zeichneten sich schwarz gegen den Himmel ab.
Er begann zu laufen, bog von der Straße ab und folgte den Schienen. Nach fünfzig Schritten verließ er den Bahndamm. Eine dicke Betonröhre führte hier unterirdisch durch den Damm. Sie war zur Wasserableitung in der schlechten Jahreszeit bestimmt.
Sir Winston kniete nieder und kroch auf allen vieren in die Röhre hinein. Seine Hände tasteten über den Boden, bis sie das weiche Leder des Koffers spürten. Er faßte nach dem Griff und kroch rückwärts aus der Röhre.
Und erstarrte.
Der helle Lichtstrahl eines Scheinwerfers wanderte über den Damm. Für einen Augenblick schloß er geblendet die Augen. Sie waren schon da.
Seine Gedanken überstürzten sich. Er schob sich in die Röhre zurück und schob den Koffer immer vor sich her. Jetzt hörte er Stimmen hinter sich. Von Panik gejagt, zwängte er sich vorwärts, stieß sich den Kopf blutig und zerriß sich den Anzug an dem rauhen Beton.
Endlich hatte er das andere Ende der Röhre erreicht. Er stieß den Koffer ins Freie, rutschte hinunter und blieb mit hämmerndem Pulsschlag liegen.
Sekunden später fiel ein heller Lichtstrahl in die Röhre.
„Ist es hier?“ fragte eine Stimme.
„Ja, hier ist das Geld“, nuschelte eine undeutliche Stimme. Sie gehörte Buck und war kaum zu verstehen, da ihm offenbar mehrere Zähne fehlten.
„Junge, wenn du uns reinlegen willst —“, knurrte ein unsympathischer Baß.
Sir Winston wartete mit klopfendem Herzen auf das unvermeidliche Schicksal. Die Gangster brauchten nur auf den Damm zu klettern, dann hatten sie ihn. Warum war er nur so versessen auf das Geld gewesen? Er verstand sich selbst nicht mehr.
„He, Boß!“ rief eine laute Stimme. „In der Röhre ist nichts.“
„Verdammt, ist das wahr?“ Wieder dieser Baß.
Jetzt zwängte sich einer der Männer in die Röhre und leuchtete alles mit einer starken Lampe ab.
„Hier liegt eine Brieftasche!“ rief er.
Sir Winstons Hand zuckte zur Brusttasche. Verdammt, er hatte seine Brieftasche in der Röhre verloren — mit all seinen Papieren. Ihm lief es kalt den Rücken hinunter.
„He, Amigo, was soll das bedeuten?“ fragte der Baß.
„Ich verstehe das nicht“, jammerte Buck Boy. „Sir Winston und ich haben den Koffer da drinnen versteckt. Das schwöre ich euch.“
„Und wo ist er jetzt?“
„Keine Ahnung!“ Der Rest des Satzes erstickte in einem Aufschrei.
Sir Winston ertrug die Spannung nicht mehr. Er schob sich vorsichtig den Damm hoch, hob den Kopf und spähte über die Schienen.
In einiger Entfernung stand ein schwarzer Cadillac mit aufgeblendetem Licht. Deutlich zeichneten sich die Männer davor ab. Der Abstand zu Sir Winston betrug keine fünf Meter. Sie hätten sich nur umzudrehen brauchen, aber das tat keiner. Sie konzentrierten sich auf das wimmernde Bündel Angst, das Buck Boy hieß.
Es waren drei Männer. Einer war klein, stämmig gebaut und hatte ein flaches, ausdrucksloses Gesicht. Der andere war lang, hatte einen Pferdeschädel und lange gelbe Zähne, die beim Sprechen über der Unterlippe standen. Aber am eindrucksvollsten war der dritte.
Er überragte die anderen um Haupteslänge und war ungeheuer massiv gebaut. Als er den Kopf wandte, sah Sir Winton, daß er ein Neger war — mit einem energischen Gesicht, aus dem das Weiße der Augen stach. Der riesige Neger schien der Boß zu sein. Er trug eine schwarze Melone und sprach jetzt drohend auf Buck Boy ein.
„Und was ist das hier?“ fragte er und hielt Buck Boy die Brieftasche unter die Nase.
„Sie gehört nicht mir, das schwöre ich euch.“
„Hör endlich auf, Meineide zu schwören. Du hast fünf Sekunden Zeit, die Wahrheit zu sagen.“
„Ich sage euch doch, hier haben wir das Geld versteckt. Ich weiß nicht, wo es jetzt ist. Sir Winston muß es geholt haben, ohne mir etwas davon zu sagen. Das da ist seine Brieftasche. Er hat es gestohlen und sich aus dem Staub gemacht.“
„Stimmt“, sagte nach kurzer Pause der riesige Neger. „Hier steckt sein Ausweis. Er muß das Ding verloren haben, als er das Geld aus der Röhre holte. Du hast einen feinen Freund, Buck Boy.“
„Der Hundesohn!“ heulte Buck Boy.
„Keine Angst, wir kriegen ihn und wenn er bis ans Ende der Welt flieht.“ Sir Winston erschauerte. „Er entkommt uns nicht, sowenig wie du.“
„Was soll das denn heißen?“
„Glaubst du, wir lassen dich laufen?“
„Aber — ich habe doch alles gesagt. Ich habe euch nicht angelogen.“
„Schon richtig, aber wir haben verdammt etwas gegen potentielle Zeugen, wie du einer bist. Pech, Buck Boy, du wärst besser ein einfacher Tramp geblieben. Du bist in die falsche Branche geraten. Du hast dir Stiefel angezogen, die dir zu groß sind. Ich werde dir helfen, sie auszuziehen.“
Mit einer geschmeidigen Bewegung griff der riesige Neger in die Tasche und brachte ein blitzendes Messer zum Vorschein.
Buck Boy schrie gellend auf.
„Nein — nein …“
Sir Winston sah alles mit an, keine fünf Meter entfernt. Er wollte wegsehen, aber er konnte es nicht, und dann war alles vorbei und er ließ sich kraftlos nach unten gleiten und erbrach sich in die Mundhöhle.
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