Die kalten Fakten waren:
Geboren: Rhys Jason Grand. Hört auf den Namen Rhys.
Alter: 27
Geschwister: Anders Donald Grant. Ja, Donald.
Aktive Jahre: 5 Jahre. Leadgitarrist und Hintergrundgesang bei Misery.
Fast 30 Millionen Follower allein auf Twitter, noch mehr auf Instagram.
Fünf Touren in fünf Jahren. Zwei davon Welttourneen. Die letzte hatte nur Tage vor dem Abend geendet, an dem sie Bryan erwischt und ihre unaufhörliche Abwärtsspirale begonnen hatte.
Sie hatte vorgehabt, heute Morgen noch ein wenig mehr Cyberstalking zu praktizieren. War es möglich, dass er das wusste und dass er hergekommen war, um sie daran zu hindern, in seine Privatsphäre einzudringen? Sie wunderte sich für den Bruchteil einer Sekunde darüber, ehe ihr klarwurde, dass er das unter keinen Umständen hatte wissen können.
Sie hatte sich mittlerweile wieder so weit gefangen, dass sie zur Seite trat. Sie war sich schmerzlich bewusst, dass ihr Gesicht und Füße nackt und ihre Haare in ein Handtuch gewickelt waren. Klasse. Anscheinend war es ihr bestimmt, sich ständig vor diesem Kerl der Lächerlichkeit preiszugeben.
Er trat in das Apartment und betrachtete schweigend seine Umgebung. „Nicht annähernd so schlimm, wie du es dargestellt hast. Definitiv ein Palast im Vergleich zu ein paar der Bruchbuden, in denen wir gehaust haben.“
„Äh, danke. Und selbstverständlich bist du Rhys. Sorry, ich war einfach überrascht. Ich dachte, du wärst meine Freundin Mary, der ich gestern Abend davongelaufen bin. Danke, dass du Frühstück mitgebracht hast. Aber Pizza? Und äh, nicht, dass es nicht toll ist, dass du hier bist, aber warum bist du hier?“ Sie bemühte sich, selbstbewusst zu klingen, aber ihre Stimme war leise, zögerlich.
„Pizza ist die perfekte Mahlzeit zu jeder Tageszeit. Außerdem ist das eine Frühstückspizza mit Eiern, Käse, Pilzen, Speck, Brot… Was könnte man sonst noch zum Frühstück wollen? Und was die Frage betrifft, warum ich hier bin… wie wäre es damit, dass wir dich erst einmal mit Essen versorgen?“
Er marschierte selbstsicher zur Küche. Als es ihr schließlich gelang, ihre Füße in Bewegung zu setzen und ihm zu folgen, hatte er bereits die Teller gefunden und die Pizza auf die Mitte der Küchentheke gestellt. Sie schnappte sich ein Stück und zögerte nur eine Sekunde bei dem Gedanken an eine Frühstückspizza, ehe sie ein kleines Stück abbiss.
Wow, das ist wirklich gut , dachte sie. Ihre Mutter würde sie umbringen, würde sie jemals herausfinden, dass sie zum Frühstück Pizza aß, aber sie verdrängte diesen Gedanken aus ihrem Kopf, bevor er den Moment ruinieren konnte.
Der Moment bestand natürlich darin, dass sie einen Rock ´n´ Roll Gott und den beliebtesten Gitarristen der Welt in ihrer Küche sitzen hatte und sich eine lächerliche Frühstückspizza mit ihm teilte. Er verschlang drei Stücke, ehe sie auch nur ihr erstes aufgegessen hatte, und schien merkwürdig glücklich, dass sie aß. Er war definitiv eine Anomalie.
„Weißt du“, hob er leise zu sprechen an, während er sie nach wie vor mit zufriedener Miene beim Essen beobachtete. „Die Jungs und ich sind seit langer Zeit zusammen. Lange bevor Misery groß rausgekommen ist. Anders und ich… mittlerweile weißt du vermutlich, dass er mein biologischer Bruder ist. Die anderen Jungs sind zwar nicht durch Blutsbande mit uns verknüpft, aber sie sind genauso sehr unsere Brüder, wie wenn das gleiche Blut durch unsere Adern fließen würde. Aber fuck sei Dank, dass sie nicht den gleichen Start ins Leben hatten wie wir.“
Sie nickte nur. Sie hatte ihr zweites Pizzastück angefangen, hauptsächlich, damit sie ihren Mund mit etwas anderem als Reden beschäftigen konnte, und es lieferte ihr auch eine praktische Ausrede dafür, einfach nur zuzuhören. Allerdings hatte sie überhaupt keine Ahnung, warum er ihr das erzählte.
„Milo und ich haben uns auf der Highschool kennengelernt. Er hat damals jede freie Sekunde mit Anders und mir verbracht. Wir haben gemeinsam eine Menge Scheiß durchgemacht. Also haben wir einfach irgendwie zusammengehalten. Wir lernten Jett kennen, als wir siebzehn waren in… yeah, damals als wir siebzehn waren. Luc ist uns eines Abends mehr oder weniger nach Hause gefolgt, als wir neunzehn waren, und bei uns geblieben. Wir waren alle zweiundzwanzig, als ´Hit the Road´ groß rausgekommen ist. Seitdem haben wir nicht zurückgeschaut.“
Sie nickte einfach erneut, wobei sie die Pizza nicht mehr richtig schmeckte. Stattdessen wartete sie darauf, dass er weitersprach, während sie nach wie vor keinen blassen Schimmer hatte, warum er ihr all das um gerade mal 10:30Uhr am Morgen erzählte. Bestimmt gingen Rockstars um diese Uhrzeit erst ins Bett? Aber andererseits, was wusste sie schon…
„Die Sache ist die, Serena, wie ich dir gestern Abend erzählt habe, mag ich dich. Du gibst mir das Gefühl, Scheiße, ich weiß nicht, ob das das richtige Wort ist, aber du gibst mir das Gefühl, normal zu sein. Als würdest du nicht nur versuchen, meinen Schwanz zu blasen, damit du eine Geschichte erzählen kannst. Dir scheint es scheißegal zu sein, wer jemand ist, und das ist erfrischend.“
Sie fand keine Worte, obgleich sie allmählich das Gefühl hatte, sie sollte wenigstens irgendetwas sagen. Es beschlich sie der Verdacht, dass er mit seiner kleinen Geschichte auf irgendetwas hinauswollte, auch wenn sie noch immer keine Ahnung hatte, was dieses irgendetwas sein könnte. Außerdem überkam sie so langsam ein wenig Angst. Und was ihr sogar noch mehr Angst einflößte, war, dass sie vielleicht auch ein wenig begeistert war? Dennoch nickte sie nur. Ihr Mund fühlte sich trocken an und dass er sich mit seiner tätowierten Hand durch seine weichen dunklen Haare fuhr, half der Sache auch kein bisschen.
„Nach dieser letzten Tour steht die Band etwas unter Kritik. Wir sind auf dem Weg ein wenig außer Kontrolle geraten.“ Er lachte erneut, dann korrigierte er sich. „Ein paar von uns sind etwas mehr als üblich außer Kontrolle geraten, meine ich.“
Oh, dieses Lachen. Sie hatte gehofft, dass es nicht mehr als eine leicht betrunkene Erinnerung sei, doch nein, ihr Inneres schmolz bei diesem Klang noch immer dahin.
„Gestern Abend, als du gegen mich gelaufen bist, habe ich über eine Idee nachgedacht. Eine Idee, für die ich dich für perfekt geeignet halte. Du bist charmant, absolut heiß genug, und was noch wichtiger ist, ich denke, es könnte dir gefallen. Du wirst alle möglichen Kontakte zur Modewelt, die du dir je wünschen könntest, knüpfen können. Designer werden sich überschlagen, um dich kennenzulernen, dich einzukleiden.“
Jetzt hatte er definitiv ihre Aufmerksamkeit. „Okay, das klingt nicht furchtbar“, brachte sie hervor, wenngleich sie spürte, dass sie wegen seines beiläufigen Kommentars, sie sei „absolut heiß genug“ für was auch immer er im Sinn hatte, rot wurde. Rhys fand sie heiß?
„Ich habe es heute Morgen mit meinem Anwalt und unserem Manager besprochen und sie sind beide der Meinung, dass es funktionieren wird. Ich kenne niemanden, der perfekter dafür geeignet wäre. Es wird eine rein geschäftliche Abmachung. Mein Anwalt kann die nötigen Verträge sofort aufsetzen. Ich werde dir selbstverständlich bezahlen, was auch immer du willst – für ein paar Ausgestoßene haben wir es ziemlich weit gebracht.“
„Für was genau wirst du mich bezahlen?“, fragte sie jetzt vorsichtig. Das Ganze fing an, ernsthaft gefährlich und vielleicht sogar leicht illegal zu klingen.
„Nein, nein. Nicht das. Da war ich etwas vorschnell. Was ich fragen möchte, Serena“, er ging neben ihr auf ein Knie, nahm ihre Hände in seine und lächelte dieses international herzerschütternde Lächeln, ehe er sie fragte, „wirst du mir die unglaubliche Ehre erweisen, meine fake Freundin zu sein?“
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