Will Berthold - Die ehrenwerten Diebe

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Ein Junggeselle von außergewöhnlichem Format: Mike Fabian ist Experte wider Willen. In riskanten, oft unkonventionellen Missionen nimmt er es mit gut getarnten White-Collar-Tätern auf, die vor nichts zurückschrecken. Ihre Methoden reichen von Bestechung und Erpressung bis hin zu Mord. Begleitet wird er stets von einer seiner hinreißenden Assistentinnen. Da wären Eva, Juristin und Tarn-Ehefrau, die Stewardess Miriam oder Evelyn, die gerissene Werbetexterin. Und immer wieder gerät er dabei in die Grauzonen der Legalität und geht dadurch Polizei und Staatsanwaltschaft zur Hand. Denn Fabian hat selbst eine ganz persönliche Rechnung mit den Wirtschaftsspionen offen, seit sie ihm zwei Patente gestohlen haben. Mit alarmierender Deutlichkeit führt dieser mitreißende Thriller vor Augen, in was für einer Welt wir eigentlich leben, ohne es zu wissen.-

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Will Berthold

Die ehrenwerten Diebe

Roman-Erzählungen

Originalausgabe

SAGA Egmont

Die ehrenwerten Diebe

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

Copyright © 2017 by Will Berthold Nachlass,

represented by AVA international GmbH, Germany ( www.ava-international.de).

Originally published 1981 by Heyne Verlag, Germany.

All rights reserved

ISBN: 9788711727119

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.comund Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com

I

Es war noch nicht einmal acht Uhr, und das Telefon schlug an wie ein Kettenhund.

Ich nahm den Hörer nicht ab, ich hatte gerade festgestellt, daß die Leitung über Nacht angezapft worden sein mußte, und ich brannte darauf zu erfahren, wem ich diese Aufmerksamkeit zu verdanken hatte.

In diesen Dingen kenne ich mich aus.

Der Untergrund ist mein Fach, eine stumme, hinterhältige Front mein Metier. Dabei bin ich weder Kriminalist noch Agent, noch Spion, noch Detektiv.

Eigentlich bin ich nur ein Privatmann.

Das Klingeln verstummte, der Sprechautomat mußte sich jetzt eingeschaltet haben, und meine Stimme würde vom Tonband leiern:

»mike fabian ist zur zeit ausser haus. sie können eine nachricht hinterlassen. danke für ihren anruf. das gerät schaltet nach dreissig sekunden ab. bitte sprechen sie jetzt…«

Die Abhörvorrichtung war ein winziges Kästchen an der Unterseite des Telefongerätes. Wann immer ich angeläutet wurde, klingelte es auch bei meinem Gasthörer. Er konnte ganz in der Nähe oder auch über Hunderte von Kilometern Entfernung meine Gespräche belauschen oder auf Tonband aufzeichnen.

Ich hatte solcherlei Spielereien oft genug selbst etabliert.

Meine Freunde, Partner und Klienten mieden grundsätzlich mein Telefon und nutzten es nur im äußersten Notfall als eine Art Lockruf.

Ich ging ins Bad, um mich zu rasieren. Ich bin ein Morgenmuffel, und so mußte ich erst sehen, wie ich die Augen aufbekam. Nach einer Weile bemerkte ich, daß ich vergessen hatte, das Licht über dem Wandspiegel einzuschalten.

Ich holte es nach und musterte verdrossen mein verschlafenes Konterfei:

Graue Augen. Volle Haare. Kein Fett und wenig Falten. Daß ich 42 war, ließ sich nicht leugnen. Ich stand in dem Lebensabschnitt, in dem nach einem gängigen Schlagwort unserer Zeit die Midlife Crisis drohte – und ich war noch immer Junggeselle. Ich bin weder ein Kostverächter noch ein Hagestolz, und manchmal träume ich von der Ehe wie ein Falschmünzer vom Geld. Aber es lag an den Umständen, daß ich mehr in Frankfurt, Bonn, Düsseldorf, London, Rom, Paris und New York anzutreffen war als in meinem hübschen Bungalow über dem Ostufer des Starnberger Sees.

Obwohl mir vor gut zehn Jahren zwei Patente gestohlen worden waren, hätte ich von den übrigen drei gut und gerne leben können – aber für einen Privatier war ich doch wohl noch ein wenig zu jung.

Ich war immer schon ein neugieriger und ehrgeiziger Bursche gewesen. Und so hingen meine Titel Dr. jur. und Dipl.-Ing. wie ungetragene Maßanzüge im Schrank.

Ich hatte besessen an einer Idee gearbeitet, an einem Tonbandgerät, das weder Netz noch Batterie als Energiequelle benötigen, sondern als eine Art Selbstversorger über Solarzellen den Strom aus dem Sonnenlicht beziehen sollte.

Fünf harte Jahre lang war ich mit diesem Problem schlafen gegangen und wieder aufgestanden, unter Verzicht auf die Freuden des Lebens.

Als ich vor dem Ziel gestanden hatte und zwei entscheidende Patente anmelden wollte, mußte ich feststellen, daß mir ein Dieb zuvorgekommen war.

Ein ungetreuer Mitarbeiter hatte sich von ihm einkaufen lassen, ihm meine theoretischen und praktischen Berechnungen überlassen, und so stand ich mit leeren Händen vor dem Patentamt und mußte noch gegen den Ruf ankämpfen, ein Plagiator zu sein.

Niemals fand ich mich damit ab – und so begann meine zweite Laufbahn. Ich wurde ein Wirtschafts-Kriminalist, arbeitete in einem Grenzbereich der Legalität, in dem sich Polizei und Staatsanwaltschaft nicht selten die Zähne ausbeißen. Ein Niemandsland von Manipulation und Spekulation ist der Tummelplatz der ehrenwerten Diebe, der steifen Gentlemen mit den blütenweißen Kragen und den geschönten Lebensläufen. Das Repertoire der gutgetarnten White Collar-Täter reicht von der Bestechung über die Erpressung bis zum Mord.

Ich hatte Erfolg. Ich fiel auf. Man hörte mich als Sachverständigen bei Patent-Prozessen. Und hinter verschlossenen Türen beriet ich die Spitzenmanager der Industrie, wie sie sich gegen unlautere Machenschaften abschirmen könnten. Nach Expertenschätzung arbeiten in der Bundesrepublik mindestens 1500 ausländische Industrie-Spione; es können genausogut 3000 sein. Nach einer weiteren Annahme von Sachverständigen verliert allein die deutsche Industrie durch die Ausspähung von Konstruktions-Unterlagen, Produktions-Verfahren, Marketing-Konzeptionen, Export-Offensiven und geplanten Neuentwicklungen alljährlich drei Milliarden Mark; es können genausogut sechs Milliarden sein.

In Klartext übersetzt bedeutet das, daß Schmarotzer der Wirtschaft den Erfolg aus dem Mark saugen und dabei Hunderttausende von Arbeitsplätzen gefährden. Von Steuer-Delikten will ich hier gar nicht reden, sondern das Thema mit der Feststellung abtun, daß jeder von uns nur die Hälfte an Rabenvater Staat abführen müßte, wenn alle Bürger steuerehrlich wären.

Das Leben hatte mir ein Spezialgebiet zugewiesen. Ich wurde Einzelgänger in einem Untergrund, der nicht ungefährlicher ist als die militärische Spionage.

Ich sah durch die große Panoramascheibe auf den See. Ein schöner Tag. Schon früh am Morgen waren Segler und Wasserskiläufer unterwegs. Gegenüber auf dem Platz in Feldafing tummelten sich die ersten Golfer, aber während ich das Tonband meines Telefon-Automaten zurückspulte, wußte ich bereits, daß es für mich heute weder Wassersport noch Rasenspiel geben würde; heute so wenig wie gestern und noch weniger als morgen.

»Siebener«, meldete sich eine feste Stimme. »Erbitte dringenden Rückruf.«

Der Anrufer war der Leiter des Referats ZS im Bundeswirtschaftsministerium, das so etwas wie ein Überwachungsamt für geheime Staatsaufträge ist.

Wenn ein so hoher Beamter kurz vor acht Uhr morgens persönlich anrief, dann war die Sache heiß und ein neuer Fall nicht weit.

In meiner Garage standen vier Autos, nicht aus Notwendigkeit, es war ein Hobby.

Die meisten Flitzer lieh ich mir bei den Automobilwerken, mit denen ich häufig zusammenarbeitete, einfach aus; ich hatte nun einmal Freude ander Geschwindigkeit und am technischen Fortschritt.

Nicht nur bei Automobilen.

Mein ganzes Haus war mit Robotern bestückt, und viele davon hatte ich selbst entworfen und gebastelt, zum Beispiel einen stummen Diener, der automatisch Staub saugte und auf Knopfdruck in die Küche stelzte, um die Spülmaschine anzustellen.

Unter meinen Produkten gab es viele überflüssige Spielereien, aber die Sicherungsanlage rings um meinen Bungalow entsprach fast der Tresor-Abschirmung einer Großbank.

Wer immer in mein Haus eingedrungen war, um meine Telefonleitung anzuzapfen – er mußte ein ebenbürtiger Gegner sein. Freilich konnte er nicht wissen, daß ich mir ein Telefongerät dreimal anzusehen pflegte, bevor ich es einmal benutzte.

Vielleicht ginge die Reise über Land. Ich wählte den schweren Jaguar, fuhr am Ostufer des Starnberger Sees entlang, erreichte über Percha die Autobahn nach München, stellte fest, daß ich nicht verfolgt wurde, und trat das Gaspedal durch.

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