1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 Die Reformbemühungen auf dem Gebiet der Polizeigesetzgebung führten 1922 zum Erlass des Reichskriminalpolizeigesetzes (RGBL. IS. 593-595), dessen organisatorische Umsetzung erst 1925 durch die Bildung eines Landeskriminalpolizeiamtes beim Polizeipräsidenten Berlin erfolgte. Es beaufsichtigte und koordinierte die Arbeit der Landeskriminalpolizeistellen. Für den Staat Preußen fungierte es als Zentrale des Erkennungs- und Meldedienstes.
Im Polizeipräsidium wurden neue Fachinspektionen gebildet: A: Mord/Körperverletzung, B: Raubüberfall, C: Diebstahl, D: Betrug, E: Sittenpolizei, F: Verstöße gegen die Gewerbe- und Konkursordnung, G: Kinder und weibliche Jugendliche (nach 1927 mit weiblichen Beamten besetzt), H: Streifendienst, Fahndung nach Personen und Sachen, I: Erkennungsdienst.
In allen 20 Polizeiämtern von Groß-Berlin, die sich am Aufbau der Berliner Bezirke orientierten, entstanden Ortsinspektionen der Kripo in den 295 Polizeirevieren. 29
Bekanntheit in der Öffentlichkeit über den Rahmen der Behörde hinaus erlangten in der Weimarer Republik die Kommissare Gennat (Mordfälle), Werneburg (Raubüberfall), Philip Greiner (Glücksspiel), Günther Braschwitz (Einbruch), Max Bünger (Geldschrankknacker), Ernst Engelbrecht (Bandenverbrechen), Hans Schneickert (Erkennungsdienst), Otto Trittin (Juwelen- und Museumsdiebstähle); Arthur Nebe (Rauschgift) dagegen eher nach 1933.
Erhebliches Gewicht legte man nach 1918 auf die professionelle Ausbildung der Kripo durch das Angebot von Lehrgängen an der Höheren Polizeischule in Eiche bei Berlin, durch Vorlesungen im Polizeipräsidium und durch das Lehrangebot des 1927 eröffneten Polizei-Instituts in Charlottenburg. Hier entstand auch durch Runderlass des Preußischen Ministers des Innern vom 6. März 1930 eine Musterlehrmittelsammlung, die damit die Nachfolge des Kriminalmuseums antrat. Die im Polizei-Institut erarbeiteten Forschungsergebnisse veröffentlichte das Archiv für Kriminologie des Verlages von F.C.W. Vogel.
Erich Liebermann v. Sonnenberg vom Dezernat Fälschungen kooperierte bereits vor der Machtübernahme Hitlers mit den Nationalsozialisten. Sie übertrugen ihm nach 1933 die Leitung der Abteilung IV. Noch erfolgreicher war sein Kollege Arthur Nebe, der es bis zum Leiter des Reichskriminalpolizeiamtes brachte.
Ansätze zur Wahrnehmung fürsorgerischer Aufgaben durch weibliche Dienstkräfte stammten bereits aus der Zeit vor der Jahrhundertwende, als die ursprüngliche seelsorgerische Betreuung von Prostituierten durch einen evangelischen Pfarrer an eine „Hilfsstelle für Frauen“ überging, die beim Polizeipräsidium angesiedelt war. Die Kosten für eine fest angestellte Fürsorgerin übernahm der Berliner Frauenbund. 30
Für betreuungsbedürftige Jugendliche wurde mit Unterstützung der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge eine Wohlfahrtsstelle beim Polizeipräsidium eingerichtet, die unter der Leitung von Margarete Dittmer stand. 31
Nachdem seit 1924 in Preußen Beamtinnen Vernehmungen vornehmen konnten, entstand 1927 eine neue Kriminal-Inspektion „Weibliche Kriminalpolizei“, die mit kriminalpolizeilich ausgebildeten Beamtinnen besetzt war. Die einzelnen Dezernate beschäftigten sich mit straffällig gewordenen Kindern (G 1), Sittlichkeitsverbrechen (G 2) und mit der Fahndung und Erfassung von gefährdeten Kindern, weiblichen Minderjährigen und hilfsbedürftigen weiblichen Volljährigen (Gefährdeten-Polizei). 32
Nach der Machtergreifung 1933 wurde die Kriminalpolizei in der neuen Abteilung K zusammengefasst. Die Abteilung gliederte sich in das Landeskriminalpolizeiamt, die Landeskriminalpolizeistelle und die örtliche Kriminalpolizei.
Im Landeskriminalpolizeiamt bestanden die Untergliederungen ED (Erkennungsdienstzentrale), FG (Deutsche Zentrale zur Bekämpfung von Geldfälschung), G (Zentralstelle zur Bekämpfung des Glücksspiels), M (Zentralstelle zur Bekämpfung des Mädchenhandels), R (Rauschgiftzentrale), T (Zentrale zur Bekämpfung von Taschendieben) und V (Nachrichtenstelle für Vermisste und unbekannte Tote). Die örtliche Kriminalpolizei bestand aus der Abteilung A (Kriminaldirektion) und B (Exekutive der örtlichen Kriminalpolizei).
Die örtliche Kripo wiederum war in die Fachgruppen B (Betrug: KJ.B I-II), E (Einbruch: KJ.E I-II), M (Mord: KJ. MI-III), Kriminalmuseum und Kriminallehrmittelsammlung sowie die regionalen Kriminalgruppen Mitte, Ost und West untergliedert. Während es bei der Zahl von 296 Revieren mit beigeordneten Kriminalbeamten blieb, verringerte man die Anzahl der Polizeiämter von 20 auf elf. 33
Mit dem Stichwort „Verreichlichung“ wird für die NS-Zeit die Überführung von Landeskompetenzen auf das Reich umschrieben. Als Ergebnis dieses Umstrukturierungsprozesses bei der Kriminalpolizei stand eine Sonderbehörde, die der allgemeinen Polizei nur noch äußerlich verbunden war. 34 Der Erlass des Reichsinnenministeriums vom 18. Dezember 1934 erhob das Landeskriminalpolizeiamt zu einer vom Berliner Polizeipräsidium unabhängigen Abteilung. 1936 vollständig vom Berliner Polizeipräsidium gelöst, entstand aus ihm 1937 das Reichskriminalpolizeiamt (Werderscher Markt 5/6) mit schon bestehenden und auch neu gebildeten Reichszentralen zur Bekämpfung spezieller Verbrechensarten: Zu den bestehenden Zentralen zur Bekämpfung von Geldfälschungen, Rauschgiftvergehen, internationalem Mädchenhandel, internationaler Taschendiebe, Glücks- und Falschspiel sowie der Reichszentrale für Vermisste und unbekannte Tote kamen die neu gebildete Reichszentrale zur „Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, die Reichszentrale zur Bekämpfung von Kapitalverbrechen (Mord, Brand, Katastrophen), die Reichszentrale zur Bekämpfung reisender und gewerbsmäßiger Betrüger und Fälscher sowie reisender und gewerbsmäßiger Einbrecher. 35
Seit dem 17. Juni 1937 war das Reichskriminalpolizeiamt (ab jetzt Kriminalpolizeiamt) dem Amt Kriminalpolizei im Hauptamt Sicherheitspolizei Heydrich unterstellt. Seit dem 27. September 1939 firmierte es als Abt. V-Verbrechensbekämpfung im Reichssicherheitshauptamt. 36 Leiter dieser Behörde war von 1934 bis 1945 Arthur Nebe, dem in der Weimarer Zeit das Dezernat Rauschgiftmissbrauch unterstanden hatte. Seine Beziehungen zu den Widerstandskreisen des 20. Juli wusste Nebe lange zu verbergen. Kurz vor Ende des Krieges tauchte er unter, wurde verraten und nach Verurteilung durch den Volksgerichtshof am 3. März 1945 hingerichtet. 37
In Anlehnung an das Modell der Gestapo entstanden auf der Ebene der ehemaligen Länder 18 Kriminalpolizeileitstellen (KPLSt) als Mittelbehörden, denen bei den staatlichen örtlichen Polizeiverwaltungen Kriminalpolizeistellen nachgeordnet waren. 1943 löste man die Kriminalpolizeistellen völlig aus der Unterstellung unter die örtliche Polizeiverwaltung.
Auch die Weibliche Kriminalpolizei wurde 1937 neu geordnet und als Sonderdienststelle der Kriminalpolizei zugeordnet. Die Dezernate G 1, G 2, G 3 erhielten nun die Bezeichnung KJ M III 1 (KKommissarin Dinger), KJ M III 2 (KKommissarin Gobbin), KJ M III 3 (KKommissarin Oberhey). 38 Sie unterstanden direkt dem Reichskriminalpolizeiamt. Auf der weltanschaulichen Grundlage des Rassege-dankens und der darauf aufbauenden Gesetzgebung wurde der Weiblichen Kriminalpolizei unter anderem die Aufklärung solcher Fälle übertragen. Wurde bei Kindesmissbrauchsfällen Schwachsinnigkeit der Eltern festgestellt, konnte das zu deren Sterilisierung führen. 39
Im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung entstand durch Runderlass vom 21. Dezember 1941 das Kriminalbiologische Institut der Sicherheitspolizei mit Sitz in Berlin. Ihm waren kriminalbiologische Untersuchungsstellen auf Landesebene angegliedert. 40
Scharf ging die Kripo auch gegen die zum Feindbild erklärten „Berufsverbrecher“ vor, deren Schicksal in der Regel durch Überstellung in ein Konzentrationslager besiegelt war. 41 Das Gesetz über die Behandlung „Gemeinschaftsfremder“ bot die Handhabe zu Maßnahmen gegen Zigeuner, Asoziale und Homosexuelle. 42
Читать дальше