Der Begriff „Weibliche Kriminalpolizei“ (WKP) ist heute nur noch historisch zu sehen. Geschaffen 1927, wurde sie 1974 aufgelöst. Heute arbeiten Kriminalbeamtinnen in den unterschiedlichsten Ressorts der Kriminalpolizei.
Hier soll der Versuch unternommen werden, einen Einblick in die historische Entwicklung und Arbeit dieser Dienststelle zu geben und auch auf Umstände hinzuweisen, die, sicherlich zeitbedingt, zu Unverständnis und Spannungen führte.
Erst im 19. Jahrhundert wurden Frauen in der Männerdomäne Polizei tätig. Zunächst in Hannover, dann in Stuttgart wurden Frauen durch den Frauenbund oder ähnliche Organisationen für eine Mitarbeit bei der Polizei gewonnen. In Stuttgart gab es immerhin schon eine Polizeiassistentin, welche sich um hilfsbedürftige Personen, die sich bei der Polizei anfanden, kümmerte. In Berlin war es dann eine „Schwester“ des Frauenbundes, die Prostituierten half, sich wieder in einen normalen Arbeitskreislauf einzugliedern.
Eine Fürsorgedame der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge befasste sich mit obdachlosen oder kriminell gewordenen Jugendlichen beiderlei Geschlechts.
Mit der Zeit wurde erkannt, dass gerade Sittlichkeitssachen die Polizei und auch die Richter überforderte. Hier war ein vertrauensvoller Zugang zu Kindern und Jugendlichen erforderlich. Die damals hinzugezogenen Fürsorgerinnen hatten jedoch keinerlei für das Verfahren notwendige Rechtskenntnisse.
Die erste weibliche „Polizei“ wurde 1923 durch die englische Besatzungsmacht in Köln eingerichtet. Man stützte sich dabei auf die Erfahrungen in England mit Exekutivbeamtinnen. Doch dies hatte nur bis 1925, dem Ende der Besatzung, Gültigkeit. In Preußen hatte man schließlich in 16 Städten eine weibliche Polizei aufgebaut.
Erst am 26. April 1927 wurde die Kriminalinspektion „Weibliche Kriminalpolizei“ (WKP) mit fachlich ausgebildeten Beamtinnen eingerichtet.
In der Gesellschaft gab es Vorbehalte gegen Frauen in der Kriminalpolizei. Die Auffassung, die Aufgaben einer Frau lägen in den drei K: Kinder, Küche, Kirche, war verbreitet.
Wenn man der Literatur zum Thema WKP folgt, hat dies auch Friederike Wieking empfunden, als sie 1927 vom preußischen Innenminister mit dem Aufbau der WKP beauftragt wurde und der Kripo-Chef ihr erklärte, „er habe keinen Vorgang für sie, und wisse auch nichts von ihrer Berufung“. Aber die resolute Regierungs- und Kriminalrätin setzte sich durch. Es wird berichtet, dass diese willensstarke Frau von den männliche Kollegen immer mit „gnädige Frau“ angeredet wurde. Letztlich war diese Leiterin der Berliner WKP eine Institution in ihrer Zeit. Es sei hier auch vermerkt, dass 1927 zwischen dem preußischen Landeskriminalamt und der Berliner Kriminalpolizei Personalunion bestand.
Die Beamtinnen wurden bei Anzeigen von Kindern hinzugezogen oder führten Vernehmungen von Frauen in Heimen und Krankenhäusern durch. In manchen Situationen war es besser, Vernehmungen von Frauen durch eine Frau ausführen zu lassen, wenn zum Beispiel ein besonderer psychischer Druck auf der zu vernehmenden Frau lag, zum Beispiel bei Suizidversuchen. Auch das Schamgefühl von weiblichen Jugendlichen oder Frauen spielt eine Rolle. In Fällen von Kindesmisshandlung sind Einfühlungsvermögen und Vertrauen Faktoren, die den Zugang zum Kind erleichtern können, das sich an ein böses Erlebnis erinnern und aussagen soll. Gerade in diesen Fällen sind nicht nur kriminalistisches Fachwissen gefragt, sondern auch sozialpädagogische Kenntnisse. Völlig unangebracht war die Meinung mancher Männer, die Kolleginnen seien Kaffeetanten. Den gegenteiligen Beweis haben die Kolleginnen auf den unterschiedlichsten Dienststellen längst erbracht.
Die weibliche Kriminalpolizei durchlief eine vielfältige Entwicklung. Zunächst verfügte sie über wenige Beamtinnen. Dies sollte sich bereits nach einem Jahr grundlegend ändern, als man drei Dienststellen einrichtete, die sich jeweils mit sogenannten Gefährdetenfällen beschäftigten, für Vernehmungen bei Sittlichkeitsdelikten zur Verfügung standen, bei Anhörungen von Kindern und Durchsuchungen, um nur einige Arbeitsbereiche zu nennen.
Man war bemüht, für die Tätigkeit bei der WKP Frauen zu gewinnen, die eine Ausbildung als Fürsorgerin, Kindergärtnerin oder in anderen sozialen Berufen hatten.
Dorothea Freudenthal war die erste Beamtin in Berlin, die 1927 zur Kommissarin ernannt wurde. Die Tätigkeit der Berliner WKP bis 1945 wurde entscheidend von deren Leiterin, der Kriminalrätin Friederike Wieking, geprägt. Sie setzte 1937 einen Erlass durch, der die Aufgabengebiete der WKP sowie bedeutende sozialpädagogische Grundsätze der zu leistenden Arbeit festlegte. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gestatteten die Alliierten bereits im Mai 1945 den Neuaufbau der Polizei allgemein, somit nahm auch die WKP ihre Arbeit wieder auf.
Die WKP wurde unter anderem zur Aufnahme von Vermisstenanzeigen der Kinder oder zur Durchsuchung weiblicher Personen, die bei Schwarzmarktrazzien festgenommen wurden, herangezogen. Auch bei Kontrollen der Gesundheitsbücher von Prostituierten – Bäckerbücher genannt – wurde die WKP eingeschaltet.
Weil die Tätigkeit der WKP unumstritten war, gab es um die Einstellung von Frauen in den kriminalpolizeilichen Dienst keinerlei Diskussionen. Die WKP rekrutierte sich aus ehemaligen Beamtinnen und aus Bewerberinnen, die vor oder während des Krieges bereits in anderen Berufen tätig waren.
Am 1. Dezember 1946 wurde, auf Forderung der amerikanischen Militärbehörde, das Außenkommissariat MIII/4 geschaffen. Die dort eingesetzten sechs Mitarbeiterinnen waren nur für den amerikanischen Sektor zuständig. Diese Einrichtung hatte aber nicht lange Bestand. Aus historischer Sicht ist dies sehr interessant und dürfte auf die beginnenden Spannungen der Alliierten hindeuten, zumal in Ostberlin diese Maßnahme als Provokation politisch verwendet wurde. Warum die Amerikaner diese Anordnung erließen, ist historisch heute nicht mehr belegbar.
Anfang der fünfziger Jahre war das Eintrittsalter für die WKP auf 25 Jahre festgesetzt. Die Voraussetzung zur Einstellung war immer noch der soziale Beruf.
Näheres zu den ersten 30 Jahren der WKP ergibt sich aus dem Jahresbericht der Kriminalpolizei von 1957:
„Am 26. April 1927 war in Berlin der Tag der Einführung einer Kriminalinspektion ,Weibliche Kriminalpolizei’. Die vordringliche Aufgabe der zunächst nur mit wenigen Beamtinnen besetzten Inspektion bestand in der Vernehmung von Kindern zu Sittlichkeitsdelikten. Die bereits nach einem Jahr notwendig gewordene Erweiterung des Aufgabengebietes der WKP brachte auch eine Erhöhung der Zahl der Beamtinnen mit sich. Es wurden drei Dienststellen geschaffen. Eine für die Gefährdetenfälle, eine zweite für Vernehmungen zu Sittlichkeitsdelikten und die dritte für die Bearbeitung aller sonst bei der WKP anfallenden Vorgänge.
Die Einrichtung von Spezialdienststellen erwies sich jedoch bei der WKP als unzweckmäßig. Man ging deshalb sehr bald, unter Beibehaltung von drei Dienststellen mit 36 Beamtinnen, zu der heute noch bestehenden allgemeinen Zuständigkeit, aber bezirklichen Aufteilung, über.
Im Jahre 1937 ist das Aufgabengebiet der WKP durch eine ministerielle,Neuordnung’ genau festgelegt worden. Die Zuständigkeit wurde im Jahre 1954 hinsichtlich des Personenkreises auf weibliche Heranwachsende ausgedehnt.“
Frau Margarete Gipkens war bei Kriegsende Leiterin der WKP in Berlin, später dann Leiterin der WKP in Düsseldorf. Sie hat über die Arbeit von Frau Wieking, die mancher auch als „Mutter der WKP“ bezeichnete, geschrieben.
In den sechziger Jahren, nach der Eingliederung der WKP als dritte Inspektion in das Kriminalreferat M, bestand die WKP zunächst aus vier Kriminalkommissariaten (KK). Für das 1. KK wurde eine Zuständigkeit für den amerikanischen Sektor festgelegt, während das 2. KK für den englischen und französischen Sektor zuständig war. Aufgrund der Deliktsentwicklung im Bereich Kindesvernachlässigung und - misshandlung wurde das 5. KK geschaffen.
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