Leo Frank-Maier - Die Bestie vom Bisamberg

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"Es macht mich richtig betroffen, jetzt, als ›alter Mann‹, sehen zu müssen, daß viele der Krimis, die in Kinos und im Fernsehen gezeigt und auch als Buch veröffentlich werden, nicht die geringste Sachkenntnis in der Behandlung der Themen erkennen lassen. Und ein wenig selbstgefällig erlaube ich mir, Bertrand Russell zu zitieren: ›Es ist ein Jammer auf dieser Welt, daß die Dummköpfe so selbstsicher sind und die Klugen so voller Zweifel.‹" So schreibt Leo Frank im Vorwort zu «Die Bestie vom Bisamberg». Diese Zeilen machen zugleich deutlich, was Franks Kriminalromanen so besonders macht: Leo Frank war selbst jahrzehntelang bei der Kripo tätig; er weiß, wovon er schreibt, und so gehören seine Krimis auch zu den seltenen Vertretern ihrer Gattung die tatsächlich auch etwas mit dem realen Polizeileben zu tun haben – und trotzdem und wahrscheinlich gerade eben deshalb unglaublich spannend sind! So auch der vorliegende Roman. Mit der «Bisambergbestie» sieht sich die Abteilung «Gewaltverbrechen» des Wiener Sicherheitsbüros seit längerem konfrontiert («Mordkommissionen», so erfährt der überraschte Leser ebenfalls schon im Vorwort, gibt es im wirklichen Leben nämlich gar nicht …). Ein frischgebackener Kriminalbeamter nimmt sich mit unkonventionellen Ideen des rätselhaften Falles an, und eckt dadurch zugleich erst einmal mächtig bei seinen skeptischen Kollegen an. Das sind aber wahrlich nicht die einzigen Probleme und Gefahren, mit denen er es im Zuge seiner Ermittlungen zu tun bekommt … In diesem packenden Roman, der auf dem Drehbuch zum gleichnamigen Fernsehfilm basiert, lässt der beliebte österreichische Kriminalautor Leo Frank seine in vierzig Jahren bei der Kriminalpolizei und im Geheimdienst gesammelten Erfahrungen Revue passieren. Und das zahlt sich aus!Leo Frank (auch Leo Frank-Maier, gebürtig eigentlich Leo Maier; 1925–2004) ist ein österreichischer Kriminalautor, der in seinem Werk die eigene jahrzehntelange Berufserfahrung als Kriminalbeamter und Geheimdienstler verarbeitet. In seiner Funktion als Kriminalbeamter bei der Staatspolizei Linz wurde Leo Maier 1967 in eine Informationsaffäre um den Voest-Konzern verwickelt. Man verdächtigte ihn, vertrauliches Material an ausländische Nachrichtendienste geliefert zu haben, und er geriet unter dem Namen «James Bond von Linz» in die Medien. Es folgte eine Strafversetzung nach Wien, wo er nach wenigen Monaten wiederum ein Angebot zur Versetzung nach Zypern annahm. Zwischen 1967 und 1974 war Leo Maier Kripo-Chef der österreichischen UN-Truppe in Nikosia. Auf Zypern begann er seine ersten Kriminalromane zu schreiben und legte sich den Autorennamen Leo Frank zu. Doch dauerte es noch einige Jahre, bis 1976 sein erster Roman «Die Sprechpuppe» publiziert wurde. 1974 kehrte er – in der Voest-Affäre inzwischen voll rehabilitiert – nach Linz zurück. Er leitete verschiedene Referate (Gewaltreferat, Sittenreferat, Mordreferat), bevor er 1980 zum obersten Kriminalisten der Stadt ernannt wurde. Mit 59 Jahren ging er in Pension und zog in seine Wahlheimat Bad Ischl, wo er 2004 verstarb.-

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Er tastete sich sehr vorsichtig an das Thema heran, als sie wieder an seinem Tisch saß.

»Wollen wir vielleicht nach Stammersdorf fahren?« fragte er einschmeichelnd. »Nach Bisamberg?«

»Zum Heurigen?« reagierte sie erfreut.

»Na, nicht direkt«, schränkte er ein. Dann erklärte er ihr, wie er sich das vorstellte: Sie sollte von der Straßenbahn-Endstation Stammersdorf über den Feldweg in Richtung Bisamberg spazieren. Er würde in angemessener Entfernung folgen. So ein abendlicher Spaziergang würde sicher nicht schaden, und nachher könne man in Bisamberg ja ein Heurigenlokal besuchen, etwas essen und trinken.

Ihr Gesicht war jetzt so finster wie vorhin nach dem versäumten Film.

Sie zischte: »Du willst mich als Köder benutzen, du Dreckskerl. Denkst du, ich lese keine Zeitungen? Du willst diese Bisambergbestie fangen, und ich soll den Lockvogel spielen …«

Er versuchte sie zu beruhigen: »Ich bin ja in deiner Nähe, passe auf dich auf …«

Sie war aufgestanden, nahm ihre Handtasche.

»Das ist doch das Letzte!« sagte sie wütend. »Du mieses Polizistenschwein, ich will dich nie wieder sehen …«

Sie verließ das Lokal, und er mußte die schadenfrohen Blicke anderer Gäste ertragen. Mit Erika ging es also nicht. Und dabei hatte er sich alles so einfach vorgestellt. Wenn der Täter über sie hergefallen wäre, hätte er ihn sofort überwältigen, festnehmen und der Gendarmerie übergeben können. Und er wäre der Held des Sicherheitsbüros geworden. Doch eigensinnig wie er war, gab er seinen Plan nicht auf. Irgend jemand würde sich finden, der mitmachte.

Am nächsten Morgen musterte ihn der Chefinspektor eine Weile und fragte dann, ob er für den Abend schon etwas vorhabe. Peter verneinte erstaunt.

Fichtl erklärte, daß er mit der letzten Straßenbahn nach Stammersdorf fahren und dort ein Lokal besuchen wolle. Ob der junge Inspektor Brucker mitkommen wolle …? Jetzt verstand Peter überhaupt nichts mehr. Sein Chefinspektor konnte eine Nachtstreife doch einfach anordnen und mußte nicht höflich herumfragen, ob er Zeit habe.

Fichtl wurde jetzt deutlicher: Es sei ja bei der Kriminalpolizei so, daß außerplanmäßige Nachtdienste als Überstunden bezahlt werden. Solche Dienste bedürften jedoch der Unterschrift des Abteilungsleiters. Was Fichtl vorhatte, wollte er aber Hofrat Putner nicht unbedingt sagen. Also müßten beide sozusagen privat und ohne Bezahlung auf Tour gehen.

Peter war mit dem Plan einverstanden. Da erzählte ihm sein Chef, was der Postenkommandant Binder festgestellt hatte: Jede der sieben überfallenen Frauen war mit der letzten Straßenbahn der Linie 31 von der Innenstadt bis zur Endstation Stammersdorf gefahren und von dort zu Fuß weitergegangen. Fichtl wollte sich das jetzt einmal ansehen und dann mit Binder plaudern. Nicht am Gendarmerieposten, in einem Wirtshaus. Wenn er diese Tatsache jetzt Putner melden würde, wüßte es am nächsten Tag die hohe Sonderkommission, und das wollte sowohl Fichtl als auch Binder vermeiden.

Die letzte Bahn der Linie 31 fährt vom Schottenring im ersten Bezirk um 23.30 Uhr nach Stammersdorf und bleibt dort in der Remise bis zum nächsten Tag um 5 Uhr früh. An der Haltestelle Schottenring mischten sich Fichtl und Brucker unter die wartenden Menschen und taten so, als wären sie sich fremd.

Man konnte beobachten, daß diese Straßenbahn von fast immer denselben Menschen benutzt wurde. Man kannte einander vom Sehen, nickte einander zu und wechselte belanglose Worte. Männer und Frauen, die in der Innenstadt arbeiteten und jetzt nach Hause fuhren. Sie wirkten müde und abgespannt nach einem anstrengenden Arbeitstag. Alle waren einfach gekleidet. Die Frauen trugen Taschen, einige Männer hielten Plastiktüten in der Hand, in denen Werkzeug schepperte oder auch Bierflaschen klirrten.

Im schwach beleuchteten Waggon war noch etwa ein Drittel der Sitzplätze frei. Die Fahrt dauerte dreißig Minuten, von Haltestelle zu Haltestelle wurde es leerer. Ab Groß-Jedlersdorf waren noch zwanzig Fahrgäste im Wagen, Fichtl und Brucker inbegriffen.

Man döste vor sich hin, denn das Rattern der Straßenbahnen wirkt einschläfernd. Ein dicker Mann, der Brucker schräg gegenüber saß, öffnete eine Flasche Bier und trank gierig. Eine offensichtlich schwangere Frau neben ihm strickte an einem Babyjäckchen. Der Dicke wollte mit ihr ins Gespräch kommen, aber die Schwangere sah nicht auf und gab kaum Antwort.

»Endstation Stammersdorf, alles aussteigen«, tönte es krächzend aus dem Lautsprecher. Alle stiegen aus. Nach wenigen Minuten hatten sich die Fahrgäste verstreut, waren auf dem Weg zu ihren Wohnungen. Fichtl und Brucker waren allein. »Wie geht es weiter, Chef?« fragte Brucker.

»Wir gehen jetzt in den Schwarzen Adler«, sagte Fichtl. »Das ist gleich da drüben. Und wenn ich mich dort in ein Gespräch einmische, dann hörst du nur zu und mischst dich nicht ein, ist das klar?«

»Alles klar, Herr Kommissar«, grinste Brucker.

Der Wirt vom Schwarzen Adler empfing die beiden mit »Sperrstunde, meine Herren«. Aber er hatte es nur spaßhaft gemeint, denn er ließ sie eintreten und sich zum Postenkommandanten Binder setzen. Binder war zwar in Zivil, doch da im kleinen Stammersdorf jeder jeden kennt und der Herr Inspektor jetzt für die beiden Fremden je ein Viertel Wein bestellte, war natürlich von Sperrstunde noch lange keine Rede.

Nur noch wenig Gäste waren im Schwarzen Adler.

Genaugenommen waren Binder und die beiden Fremden die einzigen, die an einem Tisch saßen. An der Theke standen noch fünf Männer und tranken ihr Bier. Der Dicke mit der Bierflasche aus der Straßenbahn war auch darunter. Alle fünf waren leicht angesäuselt und schimpften lauthals über die Politik und die Politiker. Dann war das Wetter dran, weil es schon so lange nicht mehr geregnet hatte und die Weinstauden am Bisamberg verdorrten, und schließlich ließen sie sich über die unfähige Polizei aus, die einem zwar wegen eines oder zwei Viertel Wein zuviel den Führerschein abnahm, die Bisambergbestie aber immer noch nicht gefunden hatte. Ängstlich beobachtete der Wirt die drei am Tisch, er wollte keinen Ärger haben.

»Das hätt’s unter dem Hitler net gegeben!« schrie der Dicke. Er war jetzt sichtlich betrunken.

»Kusch, Ferdl«, sagte der Wirt, »da bist du noch zu jung dazu, das verstehst du net.«

»Die Todesstrafe gehört wieder her!« schrie der Ferdl und trank sein Glas leer. Seine Freunde murmelten zustimmend. »Kusch, Ferdl«, sagte der Wirt noch einmal und warf einen Blick zum Postenkommandanten. Der aber kümmerte sich nicht um die Schimpfenden. Die drei am Tisch hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich sehr leise.

Hans Binder hatte eine Liste von den Männern der Ortschaft zusammengestellt, welche die Maria Weber gekannt haben mußte. Es ergab sich, daß ein einschlägig als solcher bekannter Sittlichkeitsverbrecher nicht darunter war. Einige hatten Vorstrafen wegen Körperverletzung, aber alles in allem nichts Aufregendes. Die üblichen Wirtshausraufereien. Fichtl erhielt einen Durchschlag der Liste ausgehändigt. Von draußen hörte man jetzt Hundegebell.

»Das ist meine Sonderstreife«, erklärte der Postenkommandant. »Ich habe einen Fährtenhund angefordert, mit dem ab jetzt meine Leute täglich von dreiundzwanzig Uhr bis zwei Uhr früh in der Gegend patrouillieren.«

»Weiß das die Sonderkommission?« fragte Fichtl.

»Sie werden es morgen erfahren«, antwortete Binder verdrossen.

»Wir werden den Täter damit zwar verscheuchen, aber nicht erwischen«, sinnierte Fichtl.

Binder meinte, er wäre sehr froh, wenn nichts mehr passieren würde. Dann machte er Fichtl einen leisen Vorwurf: »Ihr hättet der Presse nicht sagen sollen, daß die Weber Mitzerl nicht mehr reden konnte. Hätte in einer Zeitung gestanden, sie hätte noch geredet – wer weiß, der Strolch hätte vielleicht reagiert und sich dadurch verraten.«

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