Diese hatte dort eine elegante Gastwirtschaft, in welcher die Jeunesse dorée Hamburgs viel verkehrte. Marianne war eine holsteinische Schönheit, groß, fest und stark, und nur ihre schönen Augen gaben ihren regelmäßigen, aber kalten Zügen einen belebenden Reiz.
Trotz aller Huldigungen bewahrte sie dennoch einen makellosen Ruf.
Marianne saß am Büfett, aufmerksam die Bedienung ihrer Gäste überwachend, und wenn man sich mit ihr unterhielt, war sie scheu und zurückhaltend.
Sie war damals, wenn auch nicht mehr ganz jung, doch immer noch eine stattliche Erscheinung, und Heine, der etwas ganz anderes erwartet hatte, fühlte sich durch die Gleichgültigkeit, womit sie seinen neugierigen Blicken begegnete, etwas mißgestimmt. Er trat ans Büfett und sagte: „Madame, können Sie mir nicht sagen, wo hier die schöne Marianne wohnt, ich bin eigens hergekommen, dieselbe zu sehen.“
[Heines Freundschaft mit Friedrich Merckel in Hamburg begann Frühjahr 1826; seine Nichte Maria war damals ein dreijähriges Kind, berichtet also nur von Hörensagen; sie meint vielleicht: „Bei einem seiner ersten Besuche bei Merckel.“ – In den „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ figuriert die schöne Marianne als dritte Merkwürdigkeit Hamburgs.]
130. Maria Embden-Heine 88
1826
Heine rauchte nicht und konnte auch den Tabaksdampf nicht leiden, weshalb man ihn häufig in der Damenhalle (eine Konditorei am neuen Jungfernstieg in Hamburg), wo nicht geraucht wurde, finden konnte. Er liebte Süßigkeiten und verzehrte einen Kuchen nach dem andern. Er las eifrigst die dort aufgelegten Tagesblätter oder musterte, am Fenster sitzend, die vorbeigehenden Damen.
Bei schönem Wetter saß er an der Wasserseite des Alsterpavillons und konnte stundenlang den sich kräuselnden Wellen, den dahineilenden Nachen und den weißen Schwänen nachblicken. Manches schöne Gedicht und manch erhabener Gedanke ist dort entstanden, und sehr störend und unangenehm war es ihm, wenn ein Bekannter ihn in dieser Beschaulichkeit störte.
Ein Verwandter meiner Mutter fiel ihm sehr lästig, da er ihn mit politischen Schwätzereien ennuyierte. Um diesen ein Ende zu machen, sagte Heine, ihm einen im Wasser schwimmenden Gegenstand zeigend: „Sie haben bessere Augen als ich; was schwimmt dort?“ Der Angeredete antwortete mit Aplomb: „Ein Mauerstein.“
Es war nichts anderes als ein Stück Holz von einer Zigarrenkiste.
Herzlich lachend stand Heine auf und sagte: „Ihre politische Auseinandersetzung war mir neu und interessant, aber neuer und interessanter ist mir, von Ihnen zu hören, daß Mauersteine schwimmen!“
Sommer 1826
[Mitteilung an Strodtmann:] Während seines Aufenthaltes in Hamburg im Sommer 1826 traf Heine, wie gewöhnlich, eines Abends im Alsterpavillon mit Campe und Merckel zusammen. Nach einer lebhaften Unterhaltung geleiteten die Freunde den Dichter bis an sein Logis auf dem Dragonerstall und schlenderten dann noch eine Weile in den Straßen umher. Campe, der sich entsann, daß Heine gern Kuchen aß, kaufte in einer Jahrmarktsbude des Gänsemarkts ein Paket Pfeffernüsse und kehrte mit Merckel nach der Wohnung des Dichters zurück, der noch wach sein mußte, da seine Zimmerfenster erhellt waren. Kaum aber begannen die beiden auf der Straße laut seinen Namen zu rufen, so wurde das Licht ausgelöscht. Campe schellte jetzt an der Haustür und gab die Kuchen für Heine an das Dienstmädchen ab, mit dem schelmischen Zusatze: „Von Professor Hugo in Göttingen!“ – „Nun, wie haben Ihnen die Pfefferkuchen geschmeckt?“ frug Campe, als Heine nach einigen Tagen zu ihm in den Laden kam. „Was!“ rief Heine, indem er sich ärgerlich vor die Stirn schlug. „ Sie haben mir die Kuchen geschickt? Und ich Tor habe sie ins Kaminfeuer geworfen! Da sie mir im Namen Hugos überbracht wurden und ich auf der Straße meinen Namen hatte schreien hören, so glaubte ich, meine Göttinger Feinde, denen ich in der ‚Harzreise‘ so übel mitgespielt, wollten Rache an mir üben und hätten – wer weiß! – den Teig der Pfeffernüsse vielleicht mit Rattengift gewürzt.“
[Noch 1850 erinnert Heine am 28. September seinen Verleger an „die primitiven Zeiten, wo sie mit Ihrem Patroklus Merckel mir Makaronen durchs Fenster ins Zimmer warfen“. Etwas anders erzählt Wienbarg den gleichen Scherz.]
1826
[Mitteilung an Wienbarg:] Sein leicht erregter Argwohn, seine beständige Furcht vor schlimmen Streichen, die ihm seitens seiner „Feinde“, der von seiner Satyre getroffenen Personen und Körperschaften gespielt werden möchten, hatte, sozusagen, etwas Mittelaltriges, Italienisches und führte zuweilen gar komische Irrungen herbei... Sein jovialer Freund und Verleger, Herr Campe, ging eines Abends in der Weihnachtszeit an seiner Wohnung vorüber und bemerkte in seinem Zimmer im oberen Stockwerke Licht. „Guten Abend, Heine!“ rief er hinauf. Sogleich wurde das Licht ausgelöscht. Vor dem Hause befand sich eine Pfefferkuchenbude. Campe nahm einen Pfefferkuchen und warf damit an Heines Fenster. „Guten Abend, Heine!“ keine Antwort. Eine zweite, dritte Pfeffernuß folgte mit begleitendem stärkeren Rufe, doch öffnete sich kein Fenster und alles blieb stumm und dunkel. Herr Campe ließ sich eine Tüte mit Pfeffernüssen geben und trat an die Haustür, sie war verschlossen. Nach längerem Pochen ließen sich Tritte und eine fremde, tiefe Stimme vernehmen, die fragte: „Wer ist da?“ – „Machen Sie gefälligst auf,“ sagte Campe, „ich habe eine Bestellung an Herrn Heine.“ Als die Tür sich zögernd öffnete, überreichte er dem fremden Mann die Tüte mit den Pfefferkuchen und fügte scherzend hinzu: „Wollen Sie das an Herrn Heine geben, es kommt von Professor Hugo aus Göttingen.“ – Campe wußte, wie gern er naschte. – Am andern Abend saßen Dichter und Verleger nebeneinander an einem der kleinen Tische im Damenpavillon, in dem sich gewohnterweise die damalige literarische Gesellschaft versammelte. Heine erwähnte mit keinem Worte seiner Pfefferkuchen von Professor Hugo. Ebenso stumm blieb er darüber den folgenden und dritten Abend, bis Campe mit der Frage losbrach: „Wie haben Ihnen die Pfeffernüsse geschmeckt?“ – „Sind sie von Ihnen?“ schrie Heine. Und nun kam es heraus, daß er sie für ein Geschenk der Danaer gehalten und aus Furcht vor Vergiftung sie nicht berührt hatte. „Nun werde ich sie essen.“, sagte er froh und erleichtert, daß es nicht so teuflisch gegen ihn gemeint war.
[Von Campe ließ sich auch Friedrich Hebbel diese Anekdote erzählen; er notiert in seinem Tagebuch am 11. Juli 1841: „Heine – Pfefferkuchen von Hugo – Campe. – ‚Die Göttinger wollen mich vergiften; sind die Nüsse von Ihnen, so kann ich sie essen‘“]
Sommer 1826
[Campe an Karl Immermann, Hamburg, 17. Oktober 1826:] ... Heine erhielt einst von diesem Werke [„Wiener Jahrbücher der Literatur“] den Band von mir geschenkt, worin seiner von derselben Hand gedacht wurde (Alexis-Härings Rezension über Heines „Tragödien und lyrisches Intermezzo“ im Jahrgang 1825]. Er freute sich damals sehr darüber; er wünscht Ihnen hiermit [dem Jahrgang 1826 mit dem Aufsatz über Immermann, ebenfalls von Alexis] eine gleiche Freude zu bereiten. Auch klagt er sich an, so lange nicht an Sie geschrieben zu haben! – Bald will er das Versäumte nachholen.
Den größten Teil dieses Jahres lebte er hier und ging dann über Kuxhaven nach Norderney... Seit drei Wochen wohnt er in Lüneburg bei seinem Vater, gerne lebt er bei uns; es wird also nicht lange mehr währen, so trifft er hier ein...
134. Rosa Maria Assing 115
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